Im Teufelskreis der Schulden

Rumäniens einziger Erzeuger von Wasserkraftwerkausrüstungen strauchelt

Die Werktore von UCMR dürfen nicht geschlossen werden, sagt der Leiter Dan Obădău.
Foto: Zoltán Pázmány

Die Zeiten sind vorbei, als die beiden Reschitzaer Großwerke – das Maschinenbauwerk UCM und das Hüttenwerk CSR – rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts Rumäniens geliefert haben. Beide Werke sind vom Staat verkauft worden. Das Stahlwerk, heute TMK, läuft gut und problemlos, wird aus Moskau und Köln ferngelenkt und hat, so lange in Eurasien Gaspipelines gebaut werden, den Absatz des Rohrestahls gesichert.

Das Maschinenbauwerk UCM ist offensichtlich fehlprivatisiert worden und stark im Trudeln nach Auffliegen des bis heute nicht vollständig aufgeklärten Export- und Betrugsskandals von 2010, als 20 Jahre alte UCMR-Maschinen, die auf Halde standen, in ein afrikanisches Land exportiert werden sollten und der Staat dafür Millionen Euro Mehrwertsteuer zurückzuzahlen hatte – das wohl einzige Geschäft am Ganzen. Die damalige Werkleitung dankte ab und darf auf staatsanwältlich geforderte Gerichtsverfügung hin das Land bis auf Weiteres nicht verlassen. An ihre Stelle kam einer, der schon zu kommunistischer Zeit im engeren Kreis der Werkleitung tätig war: Dan Obădău.

Obădău wandte sich unlängst an die Lokalpresse, um die schwierige Lage des Werks zu erklären, das seit Jahren auf der Liste der Spitzenschuldner gegenüber dem rumänischen Staat steht. 170 Millionen Lei schuldet UCMR aus der Vorprivatisierungszeit diesem Staat – sogenannte „historische Schulden“.

Der Staat ist wortbrüchig

Obădău: „Diese Schulden gäbe es nicht, wenn der Staat Wort gehalten hätte. Im Privatisierungsvertrag mit der schweizerischen INET AG steht nämlich, dass der Staat UCMR die `historischen Schulden` erlassen werde, wenn das Werk seine laufenden Abgaben an den Staat leistet. Letzteres ist geschehen – ohne dass der Staat einen Finger gerührt hätte, um sein vertraglich eingegangenes Abschreibungsversprechen einzulösen. Wahr ist aber auch, dass die laufenden Schulden von UCMR auf das hin nur bis am 1. September 2009 (also bis einschließlich August 2009) bezahlt wurden“, sagte Dan Obădău der Reschitzaer Lokalpresse.

Damit liegt er gleichauf mit seinem Vorgänger Adrian Chebu]iu, der gebetmühlenartig mindestens einmal im Jahr wiederholt hat, dass es nicht angehe, dass der Staat von UCMR laufend Geld fordert – und, bis zur Einstellung der Zahlungen 2009, auch bekommen hat – ohne, wie schriftlich versprochen, die Altschulden des seinerzeitigen Staatsunternehmens UCMR zu streichen und diese Altschulden dem Werk dauernd zum Vorwurf macht, mit der Folge, das Werk vor Kreditgebern zu diskreditieren.

Dadurch sei man in die absurde Lage geschlittert – darin stimmen Dan Obădău und sein Vorgänger in ihren Aussagen überein –, dass ein durch Privatisierung neu entstandenes Werk (mit allerdings dem selben Namen) mit den Schulden überlastet wurde und wird, die sich der vorangegangene Staatsbetrieb straffrei und folgenlos leisten durfte.

Gegenwärtig nutzen die Steuereintreibungsagentur ANAF und die Agentur für die Verwertung der Staatsaktiva AVAS die Einstellung der Steuer- und Gebührenzahlungen vom September 2009 als Argument, um den Schuldennachlass über 170 Millionen Lei zu verweigern, ohne zuzugeben, dass gerade diese beiden Agenturen es sind, die sich bis 2009 geziert haben, die Verpflichtungen des Staates aus dem Privatisierungsvertrag einzulösen und damit die Zahlungsverweigerungen von UCMR ausgelöst haben.

Denn so ist es nun mal: ein Schuldennachlass – unabhängig ob von „historischen“ oder laufenden Schulden – kann nur durch ein gemeinsames Dokument von ANAF und AVAS geschehen, weil es sich im Grunde um eine Ausnahmemaßnahme der Finanzbehörden des Staates, mit ausdrücklicher  Zustimmung der Regierung, handelt.

Hilfe im Strauchelstadium

Gegenwärtig sei UCMR in Gefahr, geschlossen werden zu müssen, weil ANAF darauf besteht, die 170 Millionen Lei Altschulden zu kassieren, erklärte Dan Obădău. Sein Gegenargument: „Und wenn es allein darum ginge, die Arbeitsplätze der zur Stunde 2400 Arbeitnehmer zu erhalten, so ist das schon Argument genug. Aber Rumänien braucht ein Werk wie das Reschitzaer Maschinenbauwerk UCMR allein zum Erhalt seiner Energiewirtschaft.

Denn dieses Land nutzt noch kaum die Hälfte des Energiepotenzials seiner Wasserkraft. Aber 98 Prozent der hydronergetischen Anlagen, mittels derer die Wasserkraft Rumäniens heute zu Strom wird, kommen von uns, aus Reschitza. Und UCMR sichert verlässlich die Instandhaltung und die Reparaturen der laufenden Wasserkraftwerke. So sind Hidroelectrica und wir unlösbar aneinander gebunden.“

Das äußere sich auch darin, dass Hidroelectrica dem Werk im gegenwärtigen Strauchelstadium entgegenkommt, indem der Energiegigant auch Zwischenzahlungen macht, um UCMR zu ermöglichen, seine Verpflichtungen gegenüber Zulieferern und Arbeitnehmern zu erfüllen. Allerdings werde es zunehmend schwieriger, solche Zahlungen zu machen, da die Steuerbehörde ANAF mit ihren Pfändungen und Kontensperrungen auch auf die Vertragspartner des Maschinenbauwerks übergreift und Kunden des Maschinenbauwerks zwingt, Zahlungen an UCMR einzustellen – bzw. fällige Zahlungen direkt an die Steuerbehörde weiterzuleiten, um den Schuldenberg von UCMR abzubauen.

Überleben zwischen Restriktionen

Dan Obădău: „Wir überleben in den Grenzen der geringen Möglichkeiten, welche die Sperrungen von ANAF noch zulassen bei Kunden, die von den ANAF-Sperrungen noch nicht betroffen sind.“

Unter solchen Bedingungen appelliert Dan Obădău „an die politische Klasse Rumäniens und an die Regierung“: „Dieses Werk darf nicht geschlossen werden, bloß weil ANAF Schulden eintreiben will, die es nach unserer Auffassung gar nicht mehr geben dürfte. Ich fordere die rumänische politische Klasse und die Regierung auf, zum Kern des Problems vorzudringen, sich den Wert von UCM Reschitza voll und ganz bewusst zu machen, die Bedeutung des Werks für das rumänische energetische System anzuerkennen und uns zu helfen. Die Tore dieses Werks dürfen nicht geschlossen werden!“

Der Schuldenberg des Reschitzaer Maschinenbauwerks ist höher als die 170 Millionen Lei Altschulden. Weitere 80-90 Millionen Lei machen die Zahlungsausstände bei Banken und Zulieferern aus. Trotzdem hat es bislang bei den Arbeitnehmern keinen einzigen ausgefallenen Lohn gegeben – wobei aber auch gesagt werden muss, dass die Löhne nicht überwältigend hoch sind.
Dan Obădău hofft, dass UCMR seine Liefertermine für 2011, 2012 und 2013 (die langen Produktionszeiten sind eines der Probleme der Produktion und der für UCM Reschitza spezifischen Produkte) trotz allen Trubels einhalten kann. Die Vertragsverpflichtungen belaufen sich auf gegenwärtig rund 75 Millionen Euro.

Nur: Es fehlt schmerzlich an Arbeitskapital, an dem Kapital für die Finanzierung der laufenden Produktion. Die Banken verweigern UCMR Kreditierungen für die Produktion, weil das Werk überall Schulden hat. „Wir brauchen dringend entweder einen Investor, der mit dem Geldbedarf zur Produktionsfinanzierung kommt, oder eine Bank, die bereit ist, sichere Investitionen in die Industrie zu tätigen und uns das Arbeitskapital zur Verfügung stellt. Personalentlassungen haben wir gegenwärtig keine im Auge“, sagte Dan Obădăus Stellvertreter Cosmin Ursoniu der Lokalpresse.