„In der Schule lernen wir so etwas nicht“

Journalismusworkshop für Jugendliche in der Republik Moldau

Maia Belenchii, Laura Serbianu und Olga Sîrbu beim Journalismus-Workshop in der Stadtbibliothek

Interessiert lauschen die jungen Leute dem zweistündigen Workshop von Alina Radu. | Fotos: Aurelia Brecht

In der Stadtbibliothek von Ungheni im Westen der Republik Moldau finden regelmäßig Workshops und Seminare für Jugendliche zum Thema „Journalismus“ statt. Die Chefredakteurin der Wochenzeitung „Ziarul de Garda“, Alina Radu, leitete einen zweistündigen Workshop, der etwa zwanzig Jugendlichen und jungen Erwachsenen Einblicke in die Medienlandschaft der Republik Moldau gab, auf Fake-News aufmerksam machte und den richtigen Umgang mit Falschinformationen einübte. 

Im Zentrum des Workshops stand außerdem die Frage, wie man Informationen, Medien und Plattformen im Internet richtig auswählt, um sich ausgewogen zu informieren: So lernten die Jugendlichen im Rahmen des Workshops unter anderem die Seite presscheck.md kennen, die verschiedene Medien der Republik Moldau anhand verschiedener Kriterien auf ihre Qualität untersucht und bewertet.

Auch eine Kreativaufgabe, im Rahmen derer die Jugendlichen selbst ausgewählte Themen in Gruppen bearbeiteten, wurde durchgeführt und gemeinsam ausgewertet: Die Jugendlichen lernten dabei, wie sie Themen auswählen und diese für Leserinnen und Leser spannend aufbereiten können.

Darüber hinaus bekamen die Jugendlichen von weiteren Referentinnen in Zusatzpanels Einblicke in die Themenbereiche „Gewalt und Missbrauch gegen Kinder und Jugendliche“, „Gewalt gegen Frauen“, „Bekämpfung von Vorurteilen“ und „Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen“. Im Rahmen der Panels wurde anhand von Fallbeispielen in der Berichterstattung erläutert, wie sensible Themen journalistisch gut recherchiert und aufbereitet werden sollten und wie insbesondere die Persönlichkeitsrechte der Opfer von Missbrauch und Gewalt geschützt werden. Auch Fragen zum Bereich LGBT waren Teil des Programms.

Was denken junge Menschen in der Republik Moldau über das Themenfeld „Journalismus“? Welche Aspekte sind ihnen wichtig? Wie sehen sie ihr Verhältnis zum Journalismus und was treibt sie an, sich in diesem Bereich weiterzubilden? Maia Belenchii (18 Jahre), Laura Serbianu (18 Jahre) und Olga Sîrbu (33 Jahre), die an dem Workshop in Ungheni teilnahmen, gaben Einblicke in ihre Erfahrungen und Interessenfelder.

Wie seid ihr auf den heutigen Workshop aufmerksam geworden?

Olga: Ich habe vorher an einer Veranstaltung über Lokaljournalismus teilgenommen. Danach habe ich eine Reportage über unseren Ort verfasst, die auch veröffentlicht wurde. Daraufhin wurde ich zum heutigen Workshop eingeladen.

Laura: Die Veranstaltung wurde über die Stadtbibliothek beworben. Hier habe ich schon öfter an ähnlichen Formaten teilgenommen. Im Anschluss an den Workshop habe ich einen Artikel geschrieben und an einem Gala-Abschlussabend für jugendliche Journalistinnen und Journalisten teilgenommen.

Maia: Letztes Jahr haben wir hier in einem ähnlichen Workshop gelernt, wie man einen seriösen Artikel von einem Artikel, der Fake-News enthält, unterscheidet und was ein Presseartikel enthalten muss. Als ich erfahren habe, dass dieses Jahr wieder ein ähnliches Format stattfindet, habe ich mich entschieden, wieder teilzunehmen.

Lernt ihr in der Schule etwas über die Inhalte, die heute angeboten wurden?

Olga, Laura, Maia: Nein. In der Schule lernen wir so etwas nicht.

Maia: Es gibt auch keine Lerngruppen oder Arbeitsgemeinschaften zum Thema.

Was habt ihr aus dem Workshop mitgenommen?

Olga: Ich habe durch den Workshop nun erstmals verstanden, was echter Journalismus ist. Was in einen Artikel hineingehört, was wichtig ist, wie man den Inhalt gestaltet. Wie man verschiedene Medien oder Seiten im Netz einordnen muss. Und wie man eine Falschnachricht von einer korrekten Nachricht unterscheidet. Auch welchen Seiten im Internet man vertrauen kann und welchen nicht, war Gegenstand des Workshops.

Laura: Ich habe gelernt, dass es darauf ankommt, über welche Medien und Plattformen man sich informiert. Es ist wichtig, diese Informationen auch bei anderen Kindern und Jugendlichen weiter zu verbreiten, denn diese Gruppe ist darüber nicht so informiert.

Maia: Wir haben gelernt, wie man einen Artikel richtig schreibt und sich richtig informiert und dass es kein Qualitätszeichen ist, wenn ein Artikel von einem anderen Medium abgeschrieben wird. Hinter einem richtigen Presseartikel sollte im besten Fall eine richtige Redaktion stehen – also eine Gruppe von Menschen.

Warum wollt ihr Journalistinnen werden?

Olga: Als Journalist reicht es nicht aus, sich einen Namen zu machen. Man muss auch Verantwortung übernehmen können. Was man als Journalist oder Journalistin macht, sollte zur Weiterentwicklung der Gesellschaft, in der man lebt, beitragen. Ich komme aus einem anderen Berufsfeld, aber ich würde in Zukunft gerne auch im Journalismus arbeiten und mein Wissen einbringen.

Laura: Journalismus informiert eine Gesellschaft als Ganzes. Journalisten sind Vermittler. Sie hauchen wichtigen Themen Leben ein – Bilder und Texte werden auf diese Weise weitergegeben und lebendig.

Maia: Mit meinen Artikeln möchte ich die Menschen informieren. Einem richtigen Journalisten muss die Wahrheit am Herzen liegen, nicht irgendwelche Lügen. Um journalistisch zu arbeiten, muss man mit Menschen reden können, die richtigen Fragen stellen, sensibel sein, sich in andere hineinversetzen können. Und man muss Themen behandeln, die nahe an den Menschen, nahe an der Gesellschaft sind. Menschen müssen korrekt informiert und  dürfen nicht durch falsche Informationen in die Irre geführt werden.

Welche Themen interessieren euch?

Olga: Journalismus berührt alle möglichen Themen. Mich interessiert besonders das Thema Inklusion. Kinder mit körperlichen und geistigen Einschränkungen führen in der Gesellschaft ein Schattendasein. Mich interessiert die gesellschaftliche Diskriminierung dieser Gruppen. Natürlich müssen auch die Leser an dieser Art von Themen interessiert sein. Der Inhalt muss spannend sein und sollte Lösungen bereithalten. Es gibt andere Länder in Europa, in denen diese Gruppen mehr geschätzt und nicht so stark diskriminiert werden. Dort zeigt man nicht mit dem Finger auf sie. Vielleicht sind wir da „russifiziert“. Auch Rumänien hinkt in diesem Bereich hinterher, aber dort ist man schon weiter als bei uns, was das betrifft. Bei uns schauen die Leute nur zu, sie helfen diesen Menschen nicht. Als Mutter eines solchen Kindes wurde ich oft gefragt: Ist denn dein zweites Kind jetzt gesund? Das tut weh, weil nicht du selbst schuld daran bist. Insgesamt ist es deswegen wichtig, wie wir Kinder erziehen und aufwachsen lassen. Denn die Kinder von heute sind die Erwachsenen von morgen.

Laura: Mich interessieren vor allem Jugendthemen.

Maia: Ich nehme an vielen Projekten teil. Da gibt es für mich viele interessante Themen, die ich mit meinem Schreiben bearbeiten möchte: Sexualerziehung an Schulen, den Klimawandel, das Schulsystem in der Repu-blik Moldau – hier zum Beispiel das Auswendiglernen von bestimmten Gedichten im Unterricht, das meiner Meinung nach unterbewusst Stereotypen erschafft.

Welche Perspektiven hat euch der Workshop für die Zukunft eröffnet?

Laura: Da ich noch Schülerin bin, habe ich den Eindruck, dass mir ein solcher Workshop ermöglicht, mich selbst und meine Fähigkeiten zu entdecken. Ich kann mein kritisches Denken schulen. Irgendwie wird die Persönlichkeit dadurch geformt, ebenso wie mein zukünftiger Berufsweg.

Maia: Für mich ist die Erfahrung, Artikel selbst zu schreiben, auch ein Ausgangspunkt für meinen weiteren Weg. Bevor ich den Workshop besucht habe, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, vielleicht auch Journalismus zu studieren. Ich hatte davor keine Ahnung, was das überhaupt konkret ist, „Journalismus“. Nach diesem Workshop kann ich mir vorstellen, auch beruflich in Richtung Journalismus zu gehen.

Olga: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich wirklich jemals professionelle Journalistin werde. Sicher ist aber, dass diese Workshops mir geholfen haben und auch in Zukunft helfen werden, gut durchdachte Texte zu schreiben. Es ist mir wichtig, auf diese Weise auf lokaler Ebene einen Teil zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft beizutragen.