Interesse an der Geschichte der Rumäniendeutschen

Zur Fachtagung über politische Parteien und nationale Minderheiten im 20. Jahrhundert

Die Problematik der Minderheiten kam in der Geschichtsforschung der Mehrheitsbevölkerung in den Jahren des Kommunismus kaum vor oder sie wurde fehlerhaft dargestellt. Nach der politischen Wende und dem schrittweise Öffnen der Archive änderte sich die Situation, wobei das Interesse an der Geschichte der Deutschen in Rumänien besonders groß ist, stellte Dozent Dr. Vasile Ciobanu fest.

Der Hermannstädter Historiker gehörte zusammen mit Dr. Gudrun-Liane Ittu und Beatrice Ungar zum Podium eines Rundtischgespräches über die Rezeption der Rumäniendeutschen in der Kultur des 20. Jahrhunderts.

Mit der Podiumsdiskussion schloss am Sonntagvormittag die heuer bereits fünfte Auflage des Fachsymposiums zum Thema „Politische Parteien und nationale Minderheiten in Rumänien im 20. Jahrhundert“, das von der Geschichtsfakultät der Lucian-Blaga-Universität in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsinstitut A.D. Xenopol in Jassy/Iaşi und mit der Förderung durch das Departement für interethnische Beziehungen und den Nationalrat für wissenschaftliche Forschung veranstaltet wurde.

Dr. Ciobanu zählte Veröffentlichungen und Autoren auf, die in den letzten 20 Jahren einen Handapparat zur Geschichte der Rumäniendeutschen geschaffen haben. Sein Fazit: Noch ist in diesem Bereich sehr viel zu tun. Und: Es ist die Aufgabe und die Pflicht der rumänischen Historiker, sich dieser Problematik auch weiterhin zu widmen.

Wie heikel die Aufarbeitung der kommunistischen Jahre sein kann, wurde anhand des Beitrages von Dr. Gudrun Ittu vom Hermannstädter Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften deutlich. Sie präsentierte die Kunstszene der Rumäniendeutschen und dabei den fast nahtlosen Übergang von der nationalsozialistischen Ästhetik zum sozialistischen Realismus als Ausdrucksweise. Selbst wenn sich die meisten rumäniendeutschen Künstler – um zu überleben – der offiziellen Kunst verschrieben haben, den Personenkult um Ceau{escu machte keiner mit, so Dr. Ittu.

Die Wirkung des Mediums Film beim Widerspiegeln der Geschehnisse in den 1950er Jahren stellte HZ-Chefredakteurin Beatrice Ungar am Beispiel der von Radu Gabrea gezeichneten Verfilmung des Romans von Eginald Schlattner „Rote Handschuhe“ vor. Auch erwähnte sie die Rezeption der Russlanddeportation dank des Romans „Atemschaukel“ infolge der Nobelpreis-Verleihung an Herta Müller.

Kritisiert hat Ungar die Tendenz, die nationalen Minderheiten weiterhin auf ihre Folklore zu reduzieren – wie das in der kommunistischen Zeit der Fall gewesen ist. Beispiele über die Art und Weise, wie sich das politische System auf die Interpretation, das Repertoire oder die  Schirmherrschaft von Kulturensembles auswirkte, brachten der Archäologe Dr. Zeno Karl Pinter und Marga Grau, letztere im Fall des Hermannstädter Bachchors.    

Ein solches Rundtischgespräch hat bei dieser Konferenzreihe erstmals stattgefunden. Auch heuer eingehalten wurde die Regel, dass der Sammelband mit den im Verlauf der Tagung gehaltenen Vorträgen bei der Veranstaltung vorliegt. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, nach der Präsentation einer Zusammenfassung auf besondere Aspekte der Beiträge einzugehen und Details nachzulesen. Erschienen ist der bereits sechste Band mit dem Titel „Partide politice şi minorităţi naţionale din România în secolul XX“ im Verlag des Instituts für das Studium der Minderheitenproblematik und dem Kriterion Verlag in Klausenburg/Cluj-Napoca.

An der Konferenz teilgenommen haben Historiker aus Rumänien, der Ukraine, der Republik Moldau und erstmals aus Russland. In der Schlussfolgerungsrunde, die dem Rundtischgespräch vorausgegangen war, äußerten sich die Teilnehmer durchwegs positiv über den stattgefundenen Austausch, die Qualität der Vorträge und Debatten.

Das Geheimnis für dieses Gelingen verrieten Dr. Vasile Ciobanu und Dozent Dr. Sorin Radu, der Dekan der Geschichtsfakultät: Es werden nicht alle eingesandten Tagungsbeiträge angenommen und veröffentlicht, sondern nur diejenigen, die thematisch und vom wissenschaftlichen Gehalt entsprechen, und eingeladen werden nur jene Forscher, die sich als ernsthafte Teilnehmer erweisen. Gefördert wird das Argumentieren und die wissenschaftliche Debatte – die leider in manchen Wissenschaftlerkreisen immer noch fehlt – nebst Vermitteln von Kontakten zu Kollegen.    

Ausschließlich der Problematik der deutschen Minderheit widmen sich im diesjährigen Tagungsband drei Beiträge. Peter Moldovan von der Filiale Neumarkt/Tg. Mure{ des Nationalen Historischen Archivs hat sich die dankenswerte Mühe gemacht, alle 22 gesetzlichen Verfügungen aufzulisten, die in den Jahren 1945 – 1948 im Amtsblatt betreffend die CASBI (Casa de Administrare şi Supraveghere a Bunurilor Inamice) erschienen sind, sowie die 13 Erlässe über die Verwaltung des Eigentums der Deutschen Volksgruppe in Rumänien.

Dazu publiziert er die jeweiligen  Durchführungsbestimmungen aus dem damaligen Kreis Großkokeln/Târnava Mare, die er im Fundus dieses Archivs fand. Der Liste vorangestellt ist der Beitrag über die Tätigkeit von CASBI und dem Kommissariat für die Verwaltung und Liquidierung des Volksgruppen-Eigentums. Ihre umfangreichen Forschungsprojekte im Rahmen von postdoktoralen Studien an der Klausenburger Babeş-Bolyai-Universität stellen Dr. Cosmin Budeancă und Dr. Corneliu Pintilescu vor.

Budeancă geht der Rolle der Eliten in der sozio-demografischen Transformation der deutschen Gemeinschaft in Siebenbürgen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach, wozu er sowohl Archivmaterial als auch Interviews mit Zeitzeugen auswerten möchte.

Pintilescu untersucht die politischen Prozesse gegen Angehörige der deutschen Minderheit und als Grundlage dazu die ideologischen Begriffe, die die Securitate nutzte. Alle Bevölkerungsgruppen wurden aufgrund ihrer „Vergangenheit“ etikettiert und die Deutschen eben als „Faschisten“.

Die Zugehörigkeit zu nationalsozialistisch gefärbten Organisationen haftete den Rumäniendeutschen hauptsächlich bis in die 1960er Jahre an, wonach man die „nationalistische“ Tendenz unterstrich, wegen dem Wunsch auszureisen. In der Diskussion wurde festgestellt, dass aufgrund der gescheiterten Entnazifizierung ein tatsächlich mit nationalistischen Elementen durchsetzter Diskurs gepflegt wurde – den die Securitate dann leicht gegen die ins Visier Geratenen nutzen konnte.