Interkulturalität ist heutzutage nicht nur ein Modewort

Interview mit Professor Dr. Dr. Gerhard Wazel, Leiter des Instituts für Interkulturelle Kommunikation Ansbach-Berlin-Jena

Anfang Oktober hat an der Universität Bukarest die internationale Valorisierungskonferenz des EU-Projekts „Mehrsprachige interkulturelle Geschäftskommunikation für Europa“ stattgefunden. Ziel dieses Projekts zum lebenslangen Lernen ist die Schaffung moderner und motivierender, am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen orientierter Sprachlernmaterialien und Testtechniken für die geschäftssprachliche Kommunikation, wodurch der interkulturelle Dialog in Europa verbessert werden soll. Einzelheiten über dieses Projekt erfahren wir von dem Projektleiter selbst, Professor Dr. Dr. Gerhard Wazel, der nach Abschluss der Konferenz mit Julianne Thois sprach:

Herr Professor Wazel, würden Sie uns bitte das Institut, das Sie leiten, näher vorstellen?
Wir feiern in diesem Jahr zwanzig Jahre Institut für Interkulturelle Kommunikation, haben dazu auch ein entsprechendes Buch geschrieben zu modernen Aspekten des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Zweitsprache. Wir haben damals, also 1991, ein Institut gegründet, um die Dinge, die wir in den Jahrzehnten davor gemacht haben, auch in Zukunft machen zu können. Es war ja 1989 die Wende, und 1991 war eine völlig neue Situation da, wir hatten sehr viel Kompetenz auf unserem Gebiet, aber wir wussten nicht, wie wir diese Tradition dann auch weiter wirksam machen. Wir wollten unsere interkulturelle Kompetenz, unsere vielen Beziehungen ins Ausland auch weiter pflegen. Unser Haupttätigkeitsgebiet war damals der Unterricht für Migranten oder für sogenannte Spätaussiedler, die aus den osteuropäischen Staaten in die Bundesrepublik kamen. Die hatten zwar zum großen Teil deutsche Wurzeln, aber ihr Deutsch war entweder verkümmert, weil sie es nicht sprechen durften, oder sie hatten die Kompetenz überhaupt nicht.

Welches wäre dann die Bilanz nach zwanzig Jahren?
Wir haben zwanzig Jahre überlebt, das ist ja gar nicht so einfach. Weil wir uns finanziell auch selbst tragen müssen, haben wir sehr viele Dinge gemacht, Veranstaltungen, aber auch Forschungen auf unserem Gebiet, wir haben mehrere Bücher geschrieben, wir haben 20 CD-ROMs zum Sprachlernen entwickelt, natürlich nicht nur für Deutsch als Fremdsprache, sondern für verschiedene Sprachen. Wir haben sehr viel getan, dass die internationalen Beziehungen, also die Verbindungen von Deutschland ins Ausland und vom Ausland nach Deutschland stabil gehalten oder verbessert wurden. Auch viele Lehrerfortbildungen haben wir organisiert und wir machen jetzt – auch im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – Lehrerfortbildungen für deutsche Lehrer, die Migranten unterrichten. Unsere Klientel hat sich verändert, es sind nicht mehr nur Spätaussiedler, sondern wir haben jetzt sehr viele ausländische Deutschlerner, die aus aller Welt kommen.

Ist Interkulturalität heutzutage nur ein Modewort?
Es ist ja so, dass etwa zehn bis dreißig Prozent der Betriebe, die ins Ausland verlagert werden, dadurch scheitern, dass die entsandten Mitarbeiter, wenn sie überhaupt die jeweilige Landessprache gelernt haben, sich interkulturell nicht richtig verhalten, sodass die Beziehungen, die sie eigentlich aufbauen sollten, letztendlich scheitern. Es ist also ein ökonomisches Problem, was dahinter steht. Unabhängig davon, dass wir sagen, Europa wächst zusammen, müssen wir die verschiedenen Kulturen gegenseitig kennenlernen und versuchen zu harmonisieren, sodass die anderen nicht frustriert oder vor den Kopf gestoßen werden. Das ist also mehr ein humanitäres oder ja, ein soziales Problem, nicht nur ein knallhartes ökonomisches Problem, das jetzt immer größer wird, weil der Austausch zwischen den europäischen Ländern immer stärker wird. Es gibt echte Migrationsbewegungen, die zurzeit stattfinden.

Wie ist das Projekt zur mehrsprachigen interkulturellen Geschäftskommunikation entstanden?
Als wir das Projekt vorbereiteten und in der Europäischen Kommission einreichten, haben wir Partner von den sogenannten kleinen, seltener gesprochenen und gelernten Sprachen gesucht, und dazu gehört das Rumänische gerade noch, obwohl Rumänien ja eigentlich ein relativ großes Land ist. Das war eigentlich der Hauptgrund. Außer der Bundesrepublik Deutschland sind es, wenn ich von Norden nach Süden gehe, Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, die Tschechische Republik, Slowenien, Ungarn und eben, last but not least, Rumänien, also insgesamt neun Länder. Ein weiterer Grund hat sich jetzt seit dem 1. Juli ergeben, dass genau die Länder, die wir in unserem Projekt haben, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit betroffen sind.

Das Projekt nähert sich nun langsam dem Ende. Wie würden Sie das Ergebnis einschätzen?
Wir haben es in der sehr gut vorbereiteten und durchgeführten Valorisierungskonferenz an der Universität Bukarest gesehen oder gehört, wir sind eigentlich sehr zufrieden damit. Wir haben noch mehr geschafft, als wir eigentlich geplant hatten. Wir haben jetzt einen Blended-Learning-Kurs fertig, der aus zwei wichtigen Bestandteilen besteht: nämlich erstens einmal aus der entsprechenden Projekt-Webseite, auf der alle wichtigen Informationen und Materialien zu finden sind, die unseren Kurs betreffen, inklusive Web 2.0-Technologien. Wir werden gegen Ende des Projekts auch neun CD-ROMs oder DVDs haben, mit denen man dann auch individuell Zuhause die Geschäftssprache des jeweiligen Landes erlernen kann. Das ist etwas ganz Besonderes und Neues, weil es in diesen Sprachen keine modernen Lehrmaterialien für Geschäftssprache gibt. Wir haben auch die Vorarbeiten dafür geschaffen, dass dieser Geschäftskommunikationskurs in den verschiedenen Ländern auch mit einem überregionalen sogenannten ECL-Test abgeschlossen werden kann. Das sind, im Grunde genommen, drei wichtige Produkte, die wir vorstellen können.

Sind Sie zum ersten Mal in Rumänien?
Nein, ich bin schon zweimal vorher in Rumänien gewesen. Ich bin das letzte Mal hier gewesen, als der Vulkan in Island unsere rumänischen Kolleginnen und Kollegen gehindert hat, zu unserem Treffen in Ceské Budejovice zu kommen, und ich bin damals, auch im Hinblick auf das Kennenlernen des rumänischen Teams, hierher gekommen.

Wie finden Sie unsere Hauptstadt?
Das ist natürlich eine sehr interessante, sich schnell entwickelnde Stadt. Es hat sich in einem Jahr schon sehr viel getan. Ich bin sehr beeindruckt. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben sich große Mühe gegeben, uns einen Einblick in die ganze Stadt zu geben: Wir sind mit dem Sightseeing-Bus gefahren, wir haben interessante Gaststätten kennengelernt, mehrere Museen und auch die Umgebung von Bukarest besucht.

Was können Sie uns über Ihre Zukunftspläne sagen? Weitere Projekte?
Ja, ganz bestimmt möchten wir weitere Projekte machen, aber wir überlegen eben im Moment, wie wir es schaffen können, dass wir diese Produkte, die wir jetzt vorgelegt haben, noch besser disseminieren können – wie es heute heißt – damit sehr viele Lernende in aller Welt mit diesen Materialien arbeiten können. Wir haben deshalb beschlossen, dass wir die jeweiligen Projekt-Webseiten auch in Zukunft weiterführen, denn wir haben die überraschende Erfahrung gemacht, dass diese Webseiten ausgesprochen intensiv besucht und von den Lernenden genutzt werden. Wir sind im Verlaufe des Projekts darauf gekommen, dass die Speicherung dieser Materialien auf der Webseite wichtiger ist als auf einer CD-ROM, zumal wir eben auch an anderen professionellen Projekten von Verlagen sehen, dass vieles eher auf USB-Sticks gespeichert wird, was natürlich möglich macht, dass man auch mit modernen Geräten, zum Beispiel Netbook oder iPod, damit arbeiten kann. Und natürlich möchten wir Folgeprojekte zu diesen interessanten Lehr- und Lernmaterialien machen.

Ich bedanke mich ganz herzlich für das Interview und wünsche Ihnen viel Erfolg.

Die Internet-Adresse des EU-Projekts MIG-KOMM-EU „Mehrsprachige interkulturelle Geschäftskommunikation für Europa“ lautet: www.migkomm.eu