„Ja“ zum Zensus

Warum Deutschland so verklemmt ist, und was Rumänien für Vorteile vom Zensus hat – Ein Länder- und Mentalitätenvergleich

Zwischen dem 20. und 31. Oktober findet die Volkszählung und Bestandsaufnahme der Wohnungen statt. Wichtig sind dabei auch die Angaben über Muttersprache, Religion und Volkszugehörigkeit.

Ab nächster Woche ist es soweit: Rumänien wird gezählt. Damit folgt das Land einer EU-Verordnung, die besagt, dass ab dem Jahr 2011 jeder Mitgliedsstaat alle zehn Jahre eine Volkszählung durchzuführen hat (wir berichteten). So wurde auch in Deutschland im Frühsommer dieses Jahres ein Zensus durchgeführt. Dabei wurde jedoch nicht wie in Rumänien jeder Bürger befragt, vielmehr wurde ein Verfahren verwendet, das vor allem Registerdaten erfasst und nur noch rund 10 Prozent der Bevölkerung, per Zufall ausgewählt, wurden befragt. Auch der Fragenkatalog in Deutschland war weniger umfangreich als der rumänische. Zu den von der EU vorgeschriebenen Fragen wurden lediglich eine Frage zum „erweiterten Migrationshintergrund“ und zwei freiwillige Angaben zu Kirche und Religion hinzugefügt.

Kritiker, wie der Bevölkerungsforscher Rembrandt Scholz, sehen darin ein großes Problem. „Sich bei so einer teuren Geschichte auf so einen schmalen Datenkranz zu beschränken – wir tun gerade so, als ob wir kein zusätzliches Wissen brauchten!“ Denn schließlich ist der Zensus eine Chance für ein Land. Informiert zu sein über den Status quo verschiedener Bereiche der Bürger ist nützlich für Politik und Wissenschaft. In Deutschland jedoch haben die Durchführenden des Zensus zu viel  Angst vor Protesten von Datenschützern, wie es sie 1983 gab.

Damals hat eine Sammelklage zum Scheitern der Volkszählung in Deutschland und zu einem Grundsatzurteil des Verfassungsgerichts geführt, das wegweisend für den deutschen Datenschutz war und ist. Seither gilt in Deutschland das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Proteste zeigten: Datenschutz und Zensus ist in Deutschland ein sensibels Thema. Im Ausland versteht man da die Deutschen und ihre panische Angst um ihre persönlichen Daten oft nicht.

Rumänien kennt Probleme dieser Art weniger und nutzt die Chancen des Zensuses. Frauen, die hier nach der Anzahl ihrer Kinder gefragt werden, befürchten keine Spionage des Staates, sondern hoffen auf gerechtere Verteilung von Fördergeldern und auf neue Spielplätze in ihrer Region.
Auch bei der Auswertung gibt es Unterschiede in der Vorgehensweise. Wo in Deutschland neue Büros mit Zugangscodes eingerichtet werden, um die Daten sicher zu verschließen, werden in Rumänien lediglich die Angaben, die ein nachträgliches Identifizieren der Person erlauben, kodifiziert und so die Datenmenge anonymisiert.

Wie von deutschen Zensus-Kritikern hervorgebracht, besteht natürlich die Gefahr eines Hacker-Angriffs auf die gesammelten Daten, aber diese Gefahr besteht auch bei Melderegistern, Steuerämtern und dergleichen. Und im Zeitalter von facebook, google und so muss auch der vehementeste deutsche Datenschützer einsehen, dass mit persönliche Angaben immer unvorsichtiger umgegangen wird.

Im Endeffekt waren die Proteste gegen den „zahmen Zensus“ in Deutschland jedoch wesentlich geringer als erwartet. Bleibt nur noch zu hoffen, dass auch in Rumänien die Volkszählung ohne Probleme ablaufen kann und nach Auswertung der Ergebnisse diese auch sinnvoll genutzt werden. Da lauert nämlich schon wieder die nächste Gefahr.