Korruptionsjägerin Kövesi fahndet noch nach Mitarbeitern für neues EU-Amt

Wie hier in Bukarest findet sich das Portrait von Laura Codruța Kövesi in rumänischen Städten an zahlreiche Wände gesprüht – Zeugnis ihrer großen Beliebtheit. | Foto: Wikimedia

Eigentlich würde Laura Codruța Kövesi sich gerne mit ganzer Kraft der Jagd nach Betrügern widmen. Tatsächlich aber muss die neue EU-Generalstaatsanwältin einen Teil ihrer Mühe darauf verwenden, nach Mitarbeitern zu fahnden: Die erst seit dem 1. Juni operierende Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) ist personell unterbesetzt. 
Dennoch gelang es ihr bereits, in mehr als 350 Ermittlungen Straftatbeständen nachzugehen, deren Schaden für den EU-Haushalt gut viereinhalb Milliarden Euro ausmacht. Darüber – und über ihren Frust bei der Personalsuche – gab die frühere Leiterin der rumänischen Anti-Korruptions-Behörde DNA (Direcția Națională Anticorupție) jetzt vor dem Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments Auskunft.


Arbeit durch mangelnde Ausstattung behindert

Die 48-jährige Ausnahmejuristin (schon mit 33 Jahren wurde sie Generalstaatsanwältin am Obersten Gerichts- und Kassationshof Rumäniens, sie war die erste Frau in diesem Amt) konnte dabei nicht ihren Ärger darüber verhehlen, dass sie die Arbeit ihrer europäischen Ermittlungsbehörde durch unzureichende Personal- und Finanzausstattung behindert sieht. Ihre Hoffnungen richten sich auf den EU-Haushalt für 2022, über den die Verhandlungen gerade beginnen. 

Immer wieder beklagte Kövesi während ihres rund einstündigen Auftritts vor dem Ausschuss, „dass es uns an Personal mangelt“. Unter anderem fehlten noch Finanzanalysten und IT-Spezialisten. Die Europäische Staatsanwaltschaft sei wie ein Auto, dass man nicht mit allen vier Rädern ausgestattet habe. Auch in den 22 EU-Mitgliedsländern, die sich mit so genannten delegierten Staatsanwälten an der Arbeit der Behörde beteiligen, seien viele organisatorische und verwaltungstechnische Probleme noch nicht gelöst. Die Vorsitzende des Ausschusses, die deutsche CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, gab zu Protokoll, ihr fehle „jegliches Verständnis“ für die mangelnde Unterstützung Kövesis. 

Erfahrung mit „Einschüchterungs- und Schikanierungskampagnen“

Die frühere Hermannstädter Staatsanwältin ist Kummer gewohnt. Als unerschrockene Korruptionsbekämpferin legte sie sich in Rumänien mit allerhöchsten Kreisen an. In einem Interview des Informationsdienstes „Euractiv“ erinnerte sie sich: „Der Druck auf die Staatsanwälte in Rumänien im Kampf gegen die Korruption war sehr hoch. Die Einschüchterungs- und Schikanierungskampagnen waren intensiv.“ 

2013 übernahm Kövesi die Leitung der DNA. Unter ihr ermittelte die Antikorruptionsbehörde gegen Bürgermeister, Abgeordnete, Minister, ja sogar gegen einen ehemaligen Ministerpräsidenten. In der rumänischen Bevölkerung verschaffte Kövesi sich damit Anerkennung und hohe Zustimmungswerte – in Teilen der rumänischen Politik nicht. 

Störfeuer aus Bukarest

Ab 2016 versuchte die ins Amt gelangte sozialdemokratisch-liberale Koalition, der DNA mit diversen Gesetzesänderungen einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Der Parteichef der sozialdemokratischen PSD, Liviu Dragnea, versuchte sich selbst dem Zugriff Kövesis zu entziehen. Der Verurteilung zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch entkam er jedoch laut höchstrichterlicher Entscheidung von 2019 letztlich nicht. Er musste gut zwei Jahre absitzen. 

2018 wurde Kövesi aus dem Amt gedrängt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte diese Entlassung als unrechtmäßig. Auch gegen Kövesis Benennung zur EU-Generalstaatsanwältin gab es noch Sperrfeuer aus ihrer eigenen Heimat. 

Der Slowenische Ministerpräsident als Gegenspieler

Derzeit ist einer ihrer Gegenspieler in der EU der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa, der die Ernennung der Kövesi zugeordneten Staatsanwälte in seinem Land aufhält. Die EU-Top-Juristin zeiht ihn mangelnder Kooperationsbereitschaft und warnte in der Ausschusssitzung vor einem „sehr gefährlichen Präzedenzfall“. 

Etliche EU-Länder machen aber bei der Europäischen Staatsanwaltschaft, zu Englisch „European Public Prosecutor’s Office (EPPO)“, freilich überhaupt nicht mit; Kövesis Arm reicht dort auch nicht hin. Die Europäische Staatsanwaltschaft, die mit derzeit 120 Mitarbeitern in Luxemburg ansässig ist, kann in teilnehmenden Ländern Betrugsfälle mit Schäden für den EU-Haushalt grenzüberschreitend verfolgen. Sie arbeitet mit der EU-Anti-Korruptionsbehörde OLAF, dem Europäischen Rechnungshof und Europol zusammen. Auch zu den italienischen Mafia-Jägern bestehen Kontakte. Im Sommer ehrte Kövesi im sizilianischen Palermo das Andenken italienischer Ermittler, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlten. Auch Kövesi selbst dürfte als hochgradig gefährdet gelten. Bei ihrem Amtsantritt in Luxemburg sagte sie, bei der Korruptionsbekämpfung habe man es mit Gegnern zu tun, die vor extremer Gewalt nicht zurückschreckten.

Brüsseler Corona-Milliarden im Fadenkreuz des organisierten Verbrechens

Über die konkreten Fälle, denen sie nachgeht, blieb die oberste Anklägerin der EU vor dem Ausschuss ausgesprochen schmallippig. Sie gab allerdings zu erkennen, dass es bereits Betrügereien mit den hohen Summen gebe, die die EU für die wirtschaftliche Erholung nach dem Covid-19-Schock bereitstellt. Damit bewahrheiten sich offenbar Befürchtungen, die unter anderem Europol geäußert hat: Für die organisierte Kriminalität sind die Corona-Milliarden ein ebenso lohnendes neues Ziel wie die Mittel für den von Brüssel geplanten „Grünen Deal“, den Umbau unserer Wirtschaft zur Klimaneutralität. Bereits seit Jahrzehnten unter Ganoven beliebt ist ein Klassiker der Geschäftemacherei zulasten des EU-Haushalts: Das so genannte Mehrwertsteuerkarussell. Hier geht es um grenzüberschreitenden Umsatzsteuer-Betrug, dessen Umfang auf jährlich mindestens 50 Milliarden Euro geschätzt wird. Kövesi bestätigte vor dem Ausschuss, dass sich ihre Behörde auch solchen Fällen widmet – wiederum allerdings ohne Nennung von Details. 

Kövesis Leute schlagen schnell zu

Wichtig war es der Generalstaatsanwältin zu betonen, wie schnell ihre Leute zuschlagen können. In den meisten Fällen brächten sie ihre Maßnahmen innerhalb von drei Wochen zum Abschluss: „Geschwindigkeit ist ausschlaggebend bei unserer Arbeit.“ Die Europäische Kommission legte im April ein neues Konzept zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens vor. EU-Vizepräsident Margaritas Schinas bezifferte die angerichteten Schäden auf rund 140 Milliarden Euro pro Jahr, fast ein Prozent des gesamten Nationaleinkommens aller EU-Staaten. „Wir werden dieses Geld jagen“, versprach der Kommissar. 

Kövesi ist eine der ehrgeizigsten Jägerinnen. Noch, so bedauerte sie vor dem Ausschuss, sei sie nicht zufrieden mit den Summen, die zugunsten des EU-Haushalts von Betrügern wieder eingezogen werden könnten. Es darf davon ausgegangen werden, dass die hartnäckige Rumänin alles dafür tun wird, damit sich dies ändert und ihre eigenen Worte vom Amtsantritt im Juni wahr werden: „Wir sind das erste wirklich scharfe Instrument zur Verteidigung des Rechtsstaats in der EU“.