Legenden werden wahr 

Wie Hetzeldorf  zu einem Vorzeigedorf wurde

Die Bergkirche von Hetzeldorf Fotos: Cristian Sencovici

Die Kirchenburg

Singspiel über die tapfere Folen Enn

Altar in der Bergkirche

Es ist allbekannt: die Siebenbürger Sachsen haben immer schon ihre Märchen und Sagen geliebt und gesammelt. Josef Haltrich hat eine Märchensammlung herausgebracht, Friedrich Müller hat sich um die reiche Sagenwelt gekümmert. Doch immer wieder tauchten neue, unbekannte Märchen und Legenden auf, die sich im Volksgedächtnis bewahrt haben. Dazu gehört eine besondere, die nur in Hetzeldorf/Ațel zu Hause ist: die Sage von der Folen Enno, der die einmalige Kirche auf dem Bergfriedhof zu verdanken ist.

Hetzeldorf liegt in einem Seitental der Großen Kokel/Târnava Mare zwischen Mediasch/Mediaș und Schäßburg/Sighișoara und gehört zu den bekanntesten Gemeinden des Weinlandes. Handwerker und Weinbauern brachten den Ort zu Wohlstand, stattliche Häuserzeilen umrahmen eine stolze Kirchenburg, deren Anfänge im 14. Jahrhundert liegen, die aber ständig weiter ausgebaut wurde. Wertvolle Steinmetzarbeiten schmücken das Westportal am Eingangsturm, wiederholen sich an den Pfeilern, Maßfenstern, dem Baldachin und Rippengewölbe im Innern der Kirche; sie werden dem berühmten Hermannstädter Baumeister Andreas Lapicida zugeschrieben. Das Chorgestühl von 1516 erinnert an die Werkstätte des Johannes Reychmut aus Schäßburg, während die Orgel von 1802 Samuel Maetz zu verdanken ist. Große Namen einer großen Zeit! Doch Hetzeldorf hat noch etwas Besonderes, was es in anderen Ortschaften nicht gibt: eine zweite Kirche oben am Bergfriedhof, die den Einheimischen am Herzen liegt, weil ihre Entstehung an eine uralte Legende gebunden ist. Obwohl die Hetzeldorfer inzwischen fern der Heimat leben, tun sie alles, um ihre Baudenkmäler zu bewahren. Verblieben im Ort ist eine einzige sächsische Familie, die sich rührend um Kirche und Friedhof kümmert. 

 Als es darum ging, die Bergkirche auf dem Friedhof vom Verfall zu retten, ging die Heimatortsgemeinschaft (HOG) Hetzeldorf mit ihrer tatkräftigen Leiterin Renate Heilmann an die Arbeit. Alles musste organisiert werden. Sie erhielt Schützenhilfe aus allen Ecken und Enden, Spenden mussten gesammelt werden, Freiwillige ausfindig gemacht und die Bauarbeiten ausgeführt werden. Es war eine Heidenarbeit, von der sie nicht gerne reden. Dass sie es sogar schafften, ein Kulturprogramm auf die Beine zu stellen, war Kati Schmidt zu verdanken, die ein Singspiel mit Schauspielern und Chor zusammenstellte, um die überlieferte Legende nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. 

Am letzten Wochenende im Juli war es dann so weit. Schon am Samstag war das ganze Dorf in Bewegung. In der Obergasse fand eine rumänische Hochzeit statt, auf den Straßen und Gärten rings um die Kirchenburg parkten Wohnwagen und Autos mit ausländischen Nummern, Menschengruppen spazierten durch die Gassen, Kinder flitzten durch die Menge, das noble Pfarrhaus war voll ausgebucht, aus der Küche des Kulturhauses drangen verführerische Düfte, das Fest konnte beginnen. Es wurde ein herrlicher Festtag, wie Hetzeldorf ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte; nur mit Zaungästen hatte man nicht gerechnet, denn die 2oo Angereisten füllten den festlich hergerichteten Kulturheimsaal bis auf den letzten Platz. Zu Beginn wurde allen gedankt, die mitgeholfen hatten, und das waren nicht wenige. Dann durften die Kinder ihr Spiel auf der Bühne darbringen. Gleich danach folgte die erste Premiere: das Singspiel über die tapfere Folen Enno, der es gelungen war, einer Räuberbande ihr Geld zu entwenden, wobei sie nur mit viel Glück dem Verfolger entkam. Als Dank für ihre Rettung spendete sie das ganze Geld für den Bau einer Bergkirche oben auf dem Dorffriedhof. Ein reicher Applaus belohnte die Darsteller und die Singgruppe. Zwischendurch genoss man die herrlichen sächsisch-rumänischen Speisen, die von Baasner Meisterköchen vorbereitet worden waren, und auch die traditionelle Nachspeise mit Grieshanklich und Striezel fand ihre Abnehmer. Es war alles so, wie man es geplant und gewünscht hatte. Ein beliebter Akkordeonspieler und eine Blasmusik spielten danach zum Tanz auf, man unterhielt sich bis spät in die Nacht hinein! 

Die Einweihung der schmucken Bergkirche oben auf dem Friedhof war dann die zweite Premiere am folgenden Sonntag, als eine beträchtliche Anzahl von Ehrengästen rings um Bischof Reinhart Guib am Gottesdienst teilnahmen und die Hetzeldorfer Gemeinschaft beglückwünschten. Es war die Sternstunde eines siebenbürgisch-sächsischen Dorfes, wie man sie nur noch selten erlebt, seit dunkle Gewitterwolken den Himmel der Kirchenburgenlandschaft bedecken. Die Hetzeldorfer haben  bewiesen: die Sonne kommt immer wieder!