„Lieber Freund der du diese Zeilen findest...“ 

Auch deutschsprachige Zeugnisse sind in den Mauern von Konstanzas Wahrzeichen aufgetaucht

Rechts: Der Brief, den Iulius Marton als Häftling schrieb und der nun, über 70 Jahre später, bei Renovierungsarbeiten aufgetaucht ist.

Oben: Auch diese Zündholzschachtel wurde dabei gefunden - sie und die darin versteckten Gegenstände können seit Donnerstag im Museum für Geschichte und Archäologie in Konstanza besichtigt werden.

Am 7. März 2023 erregte ein neuerlicher Fund eines in den Wänden des Kasinos von Konstanza eingemauerten Häftlingszeugnisses großes öffentliches Interesse. Denn oft bleibt uns, den nachfolgenden Generationen, nur die Möglichkeit, an die Namen der Opfer von Gewalt und Unrecht zu erinnern – auch dieses Minimum an Respekt ist in Ermangelung der Namen nicht immer möglich, so tief waren die Abgründe des braunen und roten Terrors im Europa!

Es bedurfte einiges an Mut, 1952, sein Häftlingsschickaal in einer Zündholzschachtel einer Wand anzuvertrauen – für Überwachung und Verrat sorgte die Securitate schließlich auch unter den Häftlingen! Nun gab der Bürgermeister von Konstanza, Vergil Chițac, die Zeilen des Heltauer Maurers Julius Marton bekannt. Dieser hielt im Februar 1952 das Folgende fest:
„Lieber Freund der du diese Zeilen findest, Gott segne dich! Ich war im Jahre 1951 von 16/VII bis 1952/II hier al Politischer Häftling da ich Maurer und Streicher bin auf arbeit. Ich war auf 3 Jahre verurteilt. Vom 10/I. 1949 mein leben steht in Gottes händen denn frei werde ich noch nicht. Aber Gott ist barmherzig. Mit (?) Grüssen Marton Julius wohnhaft in Heltau-Cisnădie bei Hermannstadt-Sibiu.“

Wie Mariana Iancu auf adevarul.ro unter Heranziehung der Haftunterlagen berichtet, die vom Institut zur Erforschung der Kommunistischen Verbrechen und des Rumänischen Exils aufbewahrt werden, wurde Julius Marton am 7. Mai 1902 in Wallendorf (rum. Unirea, ung. Aldorf) geboren, war verheiratet mit Hermine Marton, geborene König aus Heltau, Vater von fünf Kindern. 

Als Haftgrund erscheint unerlaubter Grenzübertritt. Das Geburtsjahr Martons, 1902, lässt zwei Varianten als Ursache für den illegalen Grenzübertritt zu: Entlassung aus einem Kriegsgefangenenlager oder Rückkehr aus der Deportation in die Sowjetunion via Ostdeutschland. 

Die Sehnsucht Martons nach seiner Familie, seinen Kindern muss enorm gewesen sein! Der menschenverachtende Charakter des kommunistischen Regimes, das aus diesem natürlichen Heimwärtsdrang eine politische Schuld konstruierte ist offenkundig! Offenkundig gerechtfertigt ist es, wenn der rumänische Staat gegenwärtig die Nachfahren der politischen Häftlinge zumindest materiell entschädigt – die zerstörten Kindheitsjahre, das Leid der Eltern lässt sich nicht mehr ändern. Julius Marton ist am 3. Oktober 1971 in Heltau verstorben.
Seit 2020 tauchen übrigens im Kasino von Konstanza eingemauerte Zeugnisse von Häftlingen aus dem Lager Poarta Albă auf, die der Mut zum stillen Protest gegen die politische Haft in einem Unrechtsstaat eint. 

In einem der ersten aufgefundenen Schriftstücke heißt es: 

„An diesem Kasino arbeiten seit dem 31. Dezember 1951 politische Häftlinge geleitet von Architekt Constantin Joja. 

Die Mannschaft der Stuckateure wird angeführt von Rusu A. Ioan, Botoș Dumitru Kreis Arad, Jercan Constantin, Cisc˛u Gheorghe, Coraș Ionel, Voicil˛ Nicolae, Sava Nicolae, Pop Ioan, Vlădescu Ilie, Hosu Petre, Hosu Ghegor, Anastasiu [tefan, Gorbovan Gh., Bamer Fidel und Marton Julius“.