Mit dem Herzen sehen

Ein Missionar wirkte unter den Papuas von Neu-Guinea. Er belehrte sie über Christus, fand aber in der Eingeborenensprache keinen Begriff für „Glauben an Christus“. Die Papuas haben Ausdrücke für jedes Blümchen und Tierchen, nicht aber für geistige Dinge. Da war guter Rat teuer. Wie sollte er das in die Papuasprache übersetzen? Eines Tages fragte ihn ein Eingeborener: „Hast du den Herrn Jesus gesehen?“ „Nein“, lautete die Antwort. Der Mann fragte weiter: „War Jesus in deinem Heimatland?“ „Nein“. „Woher weißt du dann, dass Jesus da ist?“ Da erklärte der Glaubensbote: „Ich weiß es, so wahr die Sonne dort oben am Himmel steht, dass Jesus da ist.“ Der Fragende dachte nach und sagte dann: „Ich verstehe: dein Auge hat Jesus nicht gesehen, aber dein Herz hat ihn gesehen“. „Das ist es!“ rief der Missionar beglückt. Nun hatte er das lang gesuchte Wort für „Glauben“ gefunden: „Ein Herz, das Jesus gesehen hat“. Wir alle sind doch in der gleichen Lage: Unser Auge kann Jesus nicht sehen und dennoch glauben wir, denn „unser Herz sieht ihn“. Apostel Paulus zeichnet im Römerbrief ein ähnliches Bild: „Das Wort ist dir nahe, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen. Gemeint ist das Wort des Glaubens, das wir verkündigen. Wenn du mit deinem Munde bekennst: ‘Jesus ist der Herr’ und in deinem Herzen glaubst: ‘Gott hat ihn von den Toten auferweckt’, so wirst du gerettet werden. Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Munde bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen.” Das Evangelium berichtet von einer Heidin, deren Tochter hoffnungslos krank war. Sie hörte von Jesus und eilte zu ihm. Ihr Auge sah nur einen gütigen Mann, ihr Herz aber erkannte, dass Jesus größer war, als ihre Augen wahrnehmen konnten. Mit  Inbrunst flehte die verzweifelte Mutter Jesus um Hilfe an. Und hatte Erfolg. Jesus sagte: „Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen!“ Das Heilungswunder geschah. Jesus hat viele Wunder gewirkt, die den Leib betreffen. Größer aber sind die Wunder, die er an den Herzen der Menschen wirkt. Anfang des 17. Jahrhunderts gab es in Japan eine blühende katholische Kirchengemeinschaft. Als der Shogun Xogusama eine Gewaltherrschaft errichtete, beflügelt vom Fremdenhass, unterdrückte er vor allem die katholische Kirche grausam. Ein hoher Beamter, Verwalter des Staatsschatzes und Christ, wurde aufgefordert, dem Christenglauben abzuschwören und den alten Göttern zu huldigen. Der Mann erklärte sich bereit, jedoch unter einer Bedingung: Die berühmtesten Lehrer des Landes sollen ihn des Irrtums überführen. Gelänge es ihnen nicht, solle ihm Freiheit und Schutz zugesichert sein. Der Diktator willigte ein. Eine große Anzahl von Bonzen beteiligte sich an der Debatte. Der Christ verteidigte seinen Glauben klar und widerlegte alle Einwände so treffend, dass die Richter ihm den Sieg zugestehen mussten. Doch die Bonzen gaben sich nicht geschlagen. Sie riefen: „Alles nur Wortgefecht, das nichts beweist. Willst du die Wahrheit deines Glaubens beweisen, so zeige uns ein Wunder und wir bekennen uns für besiegt! „Gut“, sprach der Christ, „ich will euch nicht nur ein Wunder zeigen, sondern gleich zwei. Für das erste Wunder frage ich: Meint ihr nicht, dass mir der Wohlstand meines Hauses und meiner Familie ebenso am Herzen liegt wie euch der eure?“ „Selbstverständlich“, war die Antwort. Der Christ erwiderte: „Ich bin bereit, Wohlstand und zeitliches Glück der Meinen um Christi willen zu opfern. Falls auch ihr bereit seid, das Gleiche für eure Götter Xaca, Chamis und Amidas zu tun, so will ich das auch als Wunder anerkennen. Das zweite Wunder soll sein: Ich bin bereit, eher mein Leben zu opfern, als meinen Glauben aufzugeben. Getraut ihr euch, dasselbe für eure Götter zu tun?“ Darauf wussten die Bonzen keine Antwort.
Der Glaube an Christus im Herzen der Menschen hat viele Helden hervorgebracht. Staunend stehen wir vor solch opferbereiten Menschen. Wie lebendig und gesund ist der Glaube in unserem Herzen? Ist er krank geworden, wie die Tochter der Heidin im Evangelium, so ist es höchste Zeit, uns nach Heilung umzusehen. Der Kirchenlehrer Hieronymus mahnt: „Unser Los wäre dem der Tiere gleich, wenn nicht der Glaube an Christus unsern Blick nach oben richtete und unserer Seele ewiges Dasein verhieße!“ Der geistesgroße Augustinus legt noch eins drauf: „Wer ohne Christus lebt, steht obdachlos auf der Straße, sogar vor der Tür des Vaterhauses!“
Vielleicht denken wir: So dachten heilige Männer in früheren Zeiten. Heute ist doch alles anders. Stimmt das? Das Problem unseres ewigen Heils bleibt für alle Zeiten akut. Der Dichter Nikolaus Lenau war alles andere als ein heiliger Mann. Was sagt er dazu? „Ist Christus Traum, dann ist das Leben ein Gang durch Wüsten in der Nacht, wo niemand Antwort uns zu geben als eine Horde Bestien wacht. Geh hin, du Armer, frag nach Troste bei Kunst und Weisheit überall! Geh in den Wald und koste die Rose und die Nachtigall. Sie haben nichts für deine Klagen, kein Strahl versöhnt die schwarze Kluft; sie haben nichts für dein Verzagen und schaudernd sinkst du in die Gruft. Das ist das Leben und Verscheiden, wenn Christus nicht auf Erden kam und auf dem Kreuze Schreck und Leiden dem Leben und dem Tode nahm!“ Paulus drückt diese Wahrheit kürzer aus: „Für mich ist Christus das Leben, und Sterben Gewinn!“