Mit Gottes Hilfe

Oder das Ringen um den göttlichen Beistand bei den kommenden Wahlen

Dass sich der Mensch dem Göttlichen in der Krisenzeit besonders nahe fühlt, ist eine altbekannte Weisheit. Wenn die Zukunft ungewiss ist oder einen bedroht, wendet man sich im Gebet an Gott. Mit gefalteten Händen, im Bußgewand, fleht der „arme, sündige Mensch“ seinen Schöpfer um Beistand und Hilfe an. Klöster und Heiligtümer werden besucht, Reliquien angebetet, Kerzen angezündet und Messen bestellt. Auch die Heiligen werden angerufen, um sich ihre Unterstützung zu sichern.

Am 1. November wendete sich eine Gruppe Abgeordneter und Senatoren mit einem Gesetzesentwurf an das Parlament, um sich die Gnade eines der wichtigsten Heiligen zu sichern. Die 43 Mitglieder der regierenden Partei wollen den 30. November, den Tag des Apostels Andreas, zum nationalen und arbeitsfreien Feiertag erklären. Leider waren die Liberaldemokraten mit der Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer, Roberta Anastase, zu spät.

Bereits am 23. Februar hatten drei Abgeordnete und ein Senator von Seiten der Liberaldemokraten, Nationalliberalen und der Fraktion der nationalen Minderheiten einen ähnlichen Antrag eingereicht. Ihnen folgte am 24. Oktober ein Sozialdemokrat mit demselben Vorschlag. Beide älteren Anträge befinden sich bereits im Senat. Nun sollen die Volksvertreter entscheiden, welcher dieser Eingaben mit gleichem Inhalt stattgegeben wird.

Der heilige Apostel Andreas hat aber die Qual der Wahl, auf welchen dieser Gesetzesentwürfe er gnädig blicken soll. Desgleichen muss er sich für eine Partei entscheiden, die er bei den kommenden Wahlen unterstützen will: Sozialdemokraten, Liberaldemokraten, Nationalliberale oder doch die Vertreter der Minderheiten.

In allen vorliegenden Gesetzesentwürfen wird ein besonderes Gewicht auf die christliche Geschichte Rumäniens gelegt. Man darf eben nicht vergessen, dass Apostel Andreas als Missionar und Schutzheiliger des Landes gilt. Auch die christlichen Werte sind den Antragstellern enorm wichtig.

So beginnen die „43“ ihr Begründungsschreiben mit den Worten: „Wir glauben, dass das rumänische Volk mehr denn je die Einheit und Solidarität braucht und dass die christlichen Werte zu deren Verwirklichung definitiv beitragen.“ Stutzig machte mich der dritte Satz in diesem Schreiben. Die Orthodoxe Kirche Rumäniens (BOR) „forderte mehrmals“ die Erklärung des 30. Novembers zum gesetzlichen Feiertag. Wessen Gnade will man sich also zusichern?

Es ist wahrlich kein Novum, dass die mitgliederstärkste Kirche des Landes von allen Parteien umworben wird. Keiner will sich mit der mächtigen Institution, der die meisten Mitbürger und Wähler vertrauen, überwerfen. Denn immer noch wählen sehr viele gemäß der „Empfehlung“ des unpolitischen Pfarrers. Wohl nach dem Prinzip: „Warum selbst denken, wenn jemand den direkten Draht zu Gott hat?“ Dass diese Verbindung durch bestimmte finanzielle oder andere Gunsterweisungen der einen oder der anderen Partei etwas getrübt werden kann, bleibt den meisten verborgen.

Neben der BOR werden wohl auch die Wähler der Partei dankbar sein, die ihnen einen zusätzlichen Feiertag beschert. Man darf nicht vergessen, dass dem 30. November der 1. Dezember folgt. Im kommenden Jahr fällt aber der Nationalfeiertag sehr ungünstig – es ist ein Samstag. Da werden sich viele freuen, den Freitag davor auch frei zu haben. Dazu könnte noch der 24. Januar – „Tag der Vereinigung“ – zum Feiertag werden. Und wenn man schon beim Feiertag-Erschaffen ist, darf auch der „nationale Tag des Gebets“ nicht fehlen.

Dieser wurde dem US-Amerikanischen „National Day of Prayer“ entliehen, der übrigens im April 2010 von einer Richterin aus Wisconsin für verfassungswidrig erklärt wurde. Zu hoffen bleibt, dass dieser neue freie Tag kein Samstag oder Sonntag wird. Das wäre unfair. Die Amerikaner feiern ihn ja am ersten Donnerstag im Mai und wo kann man zu dieser Jahreszeit zu Gott am besten beten, als in der Natur beim Grillen.

Wenn die Parteien so unsicher sind über den Wahlausgang im kommenden Jahr, schenke ich ihnen einen weiteren Vorschlag. Man könnte dem Heiligen Andreas die Ehrenbürgerschaft verleihen oder ihn zum Ehrenvorsitzenden der Partei machen. Da es bekanntlich viele Heilige gibt, würden sie für alle Parteien reichen.

Die Mitgliederbeiträge könnte dann die Kirche entrichten, mit staatlicher Unterstützung natürlich. Bei den Wahlen kann man dann sehen, welcher Heilige der stärkere ist. Wie zu den guten alten Zeiten des Polytheismus, wo die Götter sich noch persönlich an den Kampfhandlungen beteiligten.