Mittel Mord

Hinter der mit dem Kongress nicht abgesprochenen Vorgangsweise des Donald Unberechenbar beim Tötungsbefehl des iranischen Terroristengenerals Qasem Soleimani muss auch eine Manipulationsabsicht des US-Präsidenten gesehen werden: Er lenkte die sich intensivierenden öffentlichen Diskussionen rund um sein Amtsenthebungsverfahren ab auf die internationale Ebene, und er schlug kräftiges Wahlkampfkapital daraus. Amerikanische Präsidenten, die in Wahlkampfjahren Angriffsbefehle gaben, wurden wiedergewählt (Bill Clintons „Monicakrieg“ vom 16. bis 20. Dezember 1998 im Irak, militärischer Codename „Operation Wüstenfuchs“, ist das beste Beispiel dafür).

Damit scheint Trump (typisch für diesen Egomanen an den Schalthebeln der Weltgeschichte) mit einem Schlag – indem er den Weltfrieden aufs Spiel setzte – für sich selbst mindestens zwei Vorteile herausgeschlagen zu haben: Gegenüber dem Kongress, dessen Meinung er erst gar nicht mehr einholte, und gegenüber seinem gefährlichsten Rivalen Joe Biden, den alle für einen Fachmann im Weltpolitischen halten. Dass Biden seit dem 3. Januar abgetaucht scheint, kann kein Zufall sein.

Mit dem Beginn der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts ist durch die Selbstrettungsgeste des US-Präsidenten ein Dritter Weltkrieg möglich geworden. Auch das Versagen der Politik wurde offensichtlich. Ab nun gelten die Worte Carl von Clausewitz´, Krieg sei die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln.

So gesehen ist die Ermordung (jede ErMORDung ist ein VERBRECHEN) Soleimanis die Folge und Fortsetzung der amerikanischen Innenpolitik. Aber es ist auch eine Beugung der internationalen Politik. Denn Trump zwingt seine europäischen Verbündeten – so wenig er, all seinen Erklärungen zufolge, von ihnen hält – und auch seine europäischen (selbst wenn Russland nur bedingt europäisch ist) und außereuropäischen Gegenspieler dazu, sich auf Positionen festzulegen. Alles in allem: Vom ganz persönlichen Standpunkt des Donald Trump aus – und offensichtlich ist bei ihm der hinausposaunte Patriotismus bloß Mache, in Wirklichkeit gilt nur sein ICH – war sein möglicherweise einen Krieg auslösender Tötungsbefehl, egal wie groß die Verbrechen Soleimanis als Kommandant der al-Quds (=arabisch und persisch für „Jerusalem“) -Brigaden waren, eine Geste der Selbstverteidigung durch Angriff. Trump hat bedenkenlos auch den demokratischen Protestbewegungen im Iran geschadet und diese zu „Patriotismus“ gezwungen. Er tat genau das, was er beim Vorgängerregenten 2011 und 2013 vehement kritisiert hatte (Trump: Barack Obama will Krieg, um von seiner Unfähigkeit abzulenken).

Unabhängig davon, ob Trumps Geste in einem effektiven Krieg ausartet (zum Zeitpunkt, als dieser Kommentar entstand, wurde die Verhaftung des US-Botschafters in Teheran gemeldet) oder nicht: Die im Mittleren Osten neu entstandene Lage wird politische, soziale und wirtschaftliche Folgen für den ganzen Erdball haben. Doch kaum direkt für Amerika: Die USA sind inzwischen vom arabischen Erdöl unabhängig.
Trump dürfte kaum Carl Schmitt (1888-1985) gelesen haben. Dessen Postulat, Politik stehe über dem Recht, und die Theorie vom tiefen Spalt zwischen Freund und Feind in der Politik, die sich bei Trump in der primitiven Unversöhnlichkeit von „Patrioten“ (wie er selber…) und „Anti-Amerikanern“ (wie alle, die Trump, den Super-US-Boy, nicht wählen…) äußert, passt zur politischen Philosophie des Nazi-Sympathisanten und erzkonservativen Denkers. Trump, in eigenen Augen die Verkörperung Amerikas, illustriert Schmitts Ansicht: Die politische Ordnung steht und fällt unabhängig von den Rechtsprinzipien. Das ist die Grundlage des autokratischen Denkens des Donald Unberechenbar, der sich als unfehlbar darstellt, indem er sämtliche Fehler vertuscht.

Fakt ist, dass Trump nun mit vollem Recht der Überzeugung ist, die strategische Initiative im In- und Ausland an sich gerissen zu haben.