Müssen Revolutionen immer laut sein?

Veranstaltung im Goethe-Institut bietet Einblick in die Revolution unserer Zeit

Wenn einem der Begriff Revolution im Alltag begegnet, denken die meisten Menschen wahrscheinlich an Revolutionen, die laut waren, die allen Mitwirkenden präsent waren und die die Grundbausteine einiger heute gängigen Praktiken sowohl in Politik als auch in der Gesellschaft legten. Besonders nach der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts assoziierte man mit dem Begriff vor allem einen gewalttätigen oder sogar blutigen Umsturz, Menschenmassen und politische Forderungen. Vielen Menschen in Rumänien sind die dramatischen Ereignisse der Revolution von 1989 noch sehr lebendig im Bewusstsein.
Doch müssen Revolutionen immer aktiv geführt werden? Muss den Akteuren einer solchen immer bewusst sein, dass sie sich gerade in einer Revolution befinden? Und vor allem: Müssen Revolutionen immer laut sein? 

Die Antwort auf diese Frage ist ebenso kurz wie simpel: Nein, all das müssen sie nicht. Bestes Beispiel dafür ist eine Revolution, die jedem von uns jeden Tag allgegenwärtig ist, die sich vor vielen Jahrzehnten in der Gesellschaft etabliert hat, und die auch nicht den Anschein macht, als würde sie irgendwann „gestoppt“ werden: Die Digitale Revolution. Angefangen mit der Einführung des Arpanets (Vorläufer des Internets) in den frühen siebziger Jahren über erste digitale Kameras und letztendlich die Einführung der Smartphones, lässt uns diese Revolution bis heute nicht los. Tiefgreifend für die Gesellschaft ist sie allemal, auch wenn sie nun schon seit Jahrzehnten eher nebenher läuft und wahrscheinlich nur den wenigstens Menschen bewusst ist, wie sehr diese Revolution den Alltag und das Verhalten der Menschen prägt. 
Um diesen Themenkomplex ging es am 16. September beim Eröffnungstalk der Cultural Management Academy 2019 im Goethe-Institut in Bukarest. Moderiert vom neuen Leiter des Instituts, Joachim Umlauf, wurde unter besonderer Mitwirkung von Patricia Gouveia der Fakultät für Schöne Künste der Universität Lissabon diese Thematik vielseitig beleuchtet.

Besonders die Frage, wie sich Kunst und Kultur im Zeitalter der digitalen Medien entwickeln und wie sie dadurch die Gesellschaft beeinflussen, wurde zum Hauptanliegen der Veranstaltung.
In der Kommunikationswissenschaft gelten Medien als Vermittler zwischen Individuum und Gesellschaft, als Verbindung zwischen Innen und Außen gewissermaßen. Das World Wide Web ist voll von Webseiten und Blogs kunst- und kulturschaffender Personen und Institutionen, die sich so nach außen präsentieren. So ist der eigene Blog eines jeden Künstlers sein „Weg“ in die Gesellschaft, die Tür nach draußen. Patricia Gouveia sieht es gerade in dieser Branche als besonders wichtig an, dass Kunst- und auch Kulturakteure gut mit ihrer Umwelt vernetzt sind. In einer so stark globalisierten Welt, wie wir sie heute erleben, sei es wichtig, ein breites Spektrum an Möglichkeiten zu haben, sich auf andere Dinge einzulassen und Kontakt zu Industrien zu suchen, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht mit der eigenen Arbeit zusammenpassen. 
Ein gutes Beispiel für diese branchenübergreifende Zusammenarbeit wäre hier die Verknüpfung von Design und Ingenieurwesen. Die Integration von dem Einen in das Andere birgt neue Möglichkeiten, gibt Denkanstöße und lässt ganze Themenkomplexe in anderem Licht erscheinen. Neue Technologien und Ideen entstehen und lassen die Kreativwirtschaft und ihre Medien, ihre Verbindung zur Außenwelt, „neu“ aufblühen. 

So ist beispielsweise in dem Bereich der Gamification (von engl. Game: Spiel) im Jahr 2009 ein Konzept veröffentlicht worden, welches darauf abzielte, das Verhalten von Menschen durch die Mitwirkung von Spaß und Witz zu verändern. Innerhalb dieses Projektes gab es verschiedene Situationen, in denen Gamification aktiv angewendet wurde. Etwa wurde ein in der Öffentlichkeit stehender Mülleimer installiert, der einen Ton von sich gab, der ihn bodenlos erscheinen ließ. Dieser Ton des unendlichen Falls eines Gegenstandes und der dumpfe „Aufprall“ am vermeintlichen Boden verleitet tatsächlich Menschen aller Altersgruppen dazu, herumliegendes Plastik und anderen Müll in den Eimer zu schmeißen – weil es ihnen Spaß brachte. Gleiches Prinzip galt den „Piano-Treppen“, wobei eine Treppe mit einer Klaviertastatur präpariert wurde. Deutlich mehr Personen als üblich nutzten während dieser Installation die Treppe statt der Rolltreppe, die direkt daneben war. 

So wird die Gesellschaft praktisch unwissend durch die Gamification dazu verleitet, ihr Verhalten zu verändern. Es geht hierbei vor allem um bürgerliches Engagement, um die indirekte Einführung von spielerischem Design in das alltägliche Leben der Gesellschaft. 
Der kanadische Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan (1911 – 1980) beschäftigte sich seinerzeit ausführlich mit Medien und deren genauen Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft. Zwar waren seine Schriften in Teilen durchaus umstritten, allerdings muss man ihm zuschreiben, dass er in einigen Punkten recht behalten sollte. So empfand er es als entscheidend herauszufinden, wie jedes Medium in spezifischer Weise die menschliche Wahrnehmung und das Denken beeinflusst. Er ging davon aus, dass wir als Gesellschaft die Werkzeuge (die Medien) formen und diese wiederum die Gesellschaft formen und beeinflussen. Diese Annahme in den Kontext der Digitalen Revolution und der Art, wie sie unsere Gesellschaft formt, gestellt, ist es fast offensichtlich, wie sehr diese unser aller Leben beeinflusst. 

Zwar kam die Digitale Revolution und alle mit ihr verknüpften Projekte nicht plötzlich und auch nicht laut, ist nicht gewalttätig oder wird niedergeschlagen, dennoch hatte sie bisher und wird sie auch in Zukunft einen großen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben – und wenn es nur darum geht, Menschen durch einen scheinbar bodenalosen Mülleimer dazu zu bringen, Müll vernünftig zu entsorgen.