„Nicht der Umsatz muss steigen, sondern die Qualität“

Interview mit Tibor Konrad, Eigentümer von New Concept Living

Tibor Konrad setzt auf die Steigerung der Qualität und nicht auf die Erhöhung des Umsatzes. Foto: privat

Der in Heltau/Cisnădie geborene Tibor Konrad leitet die Immobilienagentur New Concept Living in Hermannstadt/Sibiu. Der 38-jährige Unternehmensinhaber studierte Deutsche und Englische Philologie an der Hermannstädter Lucian Blaga-Universität. Zurzeit leitet er eines der führenden Unternehmen auf dem lokalen Immobilienmarkt. Das Unternehmen ist in mehreren Bereichen, etwa als Immobilienagentur, Projektmanagement für Investoren, Land Development u.a. tätig. Tibor Konrad stand ADZ-Redakteur Roger Pârvu für ein Gespräch über den Immobilienmarkt, dessen Tendenzen, aber auch über eigene Projekte und Visionen zur Verfügung
 
In Rumänien haben wir einerseits sogenannte „Magnetstädte“ wie Bukarest, Klausenburg, Hermannstadt usw. und andererseits eine starke Landflucht. Wie erleben Sie den rumänischen Immobilienmarkt in diesem Spannungsfeld?

Ganz zu Beginn muss ich sagen, dass meine Meinung zum Immobilienmarkt sich größtenteils auf Siebenbürgen und vor allem Hermannstadt bezieht. Da jede Stadt ihre spezifischen Merkmale und Besonderheiten aufweist, kann man nicht verallgemeinern.
Die Geschichte lehrt uns, dass es eine Wirtschaftszyklizität gibt. Auf jede Welle des Wachstums folgt eine Welle des Rückgangs. Inte-ressant ist die Tatsache, dass jedes Mal, wenn eine Wachstumswelle sich bildet und wächst, die Konsistenz der Käufer, die diese Welle erzeugen, unterschiedlich ist.

Beispielsweise wurde die Wirtschaftswachstumswelle 2010-2020 in Rumänien durch den großen rumänischen Exodus in Richtung Stadtgebiete unterstützt. Die städtischen Gebiete versprachen ein einfacheres und komfortableres Leben. Somit kann ich behaupten, dass die enorme Entwicklung im Immobilienbereich, die in diesen zehn Jahren in den „Magnetstädten“ stattgefunden hat, zum Großteil dank dieser Migrationswelle aufgebaut wurde. Daher denke ich, dass sich die beiden Komponenten ergänzen.

Allerdings ist diese Welle nun zu Ende. Heute gibt es diesen Trend nicht mehr und die Immobilienentwickler, die ausschließlich diese Art von Kunden adressierten, haben keinen Markt mehr. Heute ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Grundlagen der Käuferstruktur neu definiert werden. Seit März 2020 bis heute waren und sind wir noch in diesem „Leerlauf“ des Markts.

Finden Sie, dass sich der Immobilienmarkt selber reguliert, oder befinden wir uns gerade in einer Blase, was die Immobbilienpreise betrifft? Wie verhalten sich diese gegenüber der tatsächlichen Kaufkraft der rumänischen Bevölkerung?

Nein, wir befinden uns derzeit nicht in einer Blase. Laut  economica.net lag das durchschnittliche Nettogehalt in Rumänien im Jahr 2015 bei 434 Euro, und ein Quadratmeter Wohnfläche in einer Neubau-Immobilie in Sibiu kostete zwischen 700 und 800 Euro. Heute liegt das durchschnittliche Nettogehalt in Rumänien bei 729 Euro, der Quadratmeterpreis in einer Neubau-Immobilie in Sibiu zwischen 1200 und 1300 Euro.

Es ist deutlich sichtbar, dass auf dem Immobilienmarkt keine gravierenden Abweichungen der geforderten Preise auftreten. Wie ich  erwähnt hatte, befinden wir uns in einer Neudefinitionspause, und der Markt ist um rund 60 bis 70 Prozent geschrumpft. Die große Kundenwelle, an die wir uns im Zeitraum 2010-2020 gewöhnt hatten, gibt es nicht mehr. Eine neue Wachstumswelle entsteht gerade, unterstützt durch Westeuropäer, die jetzt, da die Preise noch niedrig sind, beträchtliche Summen in den osteuropäischen Block investieren. Die Immobilien werden nicht zwecks Wiederverkauf erworben, sondern zur Vermietung. Alleine in den vergangenen sechs Monaten haben wir fünf Wohnblöcke an ausländische Investoren zwecks langfristiger Vermietung verkauft.

In Rumänien geht die Tendenz, anders als in westeuropäischen Staaten, noch immer stark in Richtung Eigentumswohnung. Merken Sie bei der jüngeren Generation eine Veränderung?

Ja, diese Tendenz hat sich verändert. Die letzten zwei Jahre und alle damit verbundenen Herausforderungen haben die Dynamik verändert. Von den gesamten Anfragen in unserer Agentur entfielen 95 Prozent auf Kauf und bloß fünf Prozent auf Miete. Heute haben sich die Prozentsätze umgekehrt. Nur fünf Prozent der einheimischen Bevölkerung entscheiden sich heute für einen Kauf, alle anderen wollen zur Miete wohnen.

Die Rumänen schieben den Kauf auf. Dieser Trend wird allerdings nicht anhalten, denn das Wohnen gehört zu den ersten der fünf Grundbedürfnisse des Menschen. Auf das Wohnen kann man nicht verzichten.

Vergleicht man die von den Banken für Immobilienankauf angebotenen Zinssätze in Rumänien mit denen aus den westeuropäischen Ländern, muss man feststellen, dass diese bei uns viel höher sind. Haben Sie eine Erklärung dafür? Wie finanzieren die Menschen in Rumänien im allgemeinen ihren Wohnungskauf?

Wir sprechen von einem viel stabileren und reiferen Markt in Westeuropa, während die rumänische Wirtschaft immer noch instabil ist und bei uns auf dem letzten Drücker viele Änderungen angekündigt werden. Ein Beispiel hierfür ist das Gesetz betreffend die Vorzugs-MwSt. von fünf Prozent, das sich von Jahr zu Jahr ändert. Ein weiteres Beispiel ist die Tatsache, dass wir in einem Zeitraum von 30 Jahren Mehrwertsteuersätze von 18 Prozent, 22 Prozent, 24 Prozent und 19 Prozent hatten, und es gibt noch viele andere Beispiele.
Die fehlende langfristige Vorhersehbarkeit ist dabei ein entscheidender Faktor. Finanzinstitute und der Rest der Regulierungsbehörden auf dem Markt brauchen Vorhersehbarkeit, um stabil arbeiten zu können.

Im Prinzip lag das Finanzierungsverhältnis beim Wohnungskauf im vergangenen Jahrzehnt bei 50/50. Die Hälfte der Rumänen finanzierten einen Kauf aus Eigenmitteln, die anderen griffen auf einen Kredit zurück. Derzeit verfügen wir über keine klaren Angaben, da die Rumänen eine Kaufpause einlegen.

Was macht den rumänischen Immobilienmarkt für Investoren aus dem In- und Ausland attraktiv? Welche Plus- und Minuspunkte bringt Rumänien als Land mit sich? Dominiert zur zeit das rumänische oder das ausländische Kapital den Markt?

Zunächst möchte ich betonen, dass ich in diesem Interview ausschließlich über den Immobilienmarkt in Sibiu spreche, da dieser sich gänzlich von dem anderer Städte in Rumänien unterscheidet. In Gesprächen mit ausländischen Investoren bezeichnen wir Sibiu oft als „die deutsche Stadt in Rumänien“.

Ich werde Ihnen also sagen, was Sibiu für Investoren attraktiv macht: 1. Die Arbeitslosenquote in Sibiu liegt fast bei Null. 2. Die Einwohnerzahl der Metropolregion Hermannstadt hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt. 3. Jeder dritte Bewohner der Stadt spricht Englisch und/oder Deutsch. 4. Bildungseinrichtungen mit Unterricht auf Deutsch/Englisch als Muttersprache. 5. Der Internationale Flughafen Sibiu. 6. Anbindung zu Westeuropa 100 Prozent über die Autobahn. 7. Die Präsenz stark entwickelter Industrie im Westgebiet (Automotive-Stadt). 8. Gute Preise auf dem Immobilienmarkt (die heutigen Preise in Sibiu sind vergleichbar mit den Preisen in deutschen Großstädten direkt nach der Wiedervereinigung). 9. Das reichhaltige und vielfältige Kulturprogramm zieht jährlich mehrere Hunderttausende von Touristen an. 10. Sibiu war 2007 europäische Kulturhauptstadt und hat uns auf das Radar von Touristen aus aller Welt gebracht. Und diese Liste kann weitergehen.

Derzeit wird der Hermannstädter Immobilienmarkt vom ausländischen Kapital dominiert. Leider sind viele fehlerharfte Artikel erschienen, in denen der Zusammenbruch der Immobilienmärkte und starke Abweichungen der heute praktizierten Preise angekündigt wurde. Seitdem die Menschen auf den „stürzenden Markt“ warten, sind die Preise von 900 Euro/qm auf 1300 Euro/qm gestiegen. Hätten sie sich vor zwei Jahren entschieden, nicht zu warten, sondern zu kaufen, hätten sie mit dem gleichen Budget eine 3-Zimmer- statt der 2-Zimmer-Wohnung erworben.

Zurzeit koordinieren Sie eines der großen Entwicklungsprojekte im Immobilienbereich in Hermannstadt. Was ist da konkret geplant und welches sind die größten Herausforderungen?

Aktuell entwickeln wir für uns und unsere Partner eine 200.000 qm große Wohnanlage. Ein hohes Maß an Zufriedenheit aufrechtzuerhalten und Rentabilität für sieben ausländische Investoren mit unterschiedlichen Erwartungen und unterschiedlichen Visionen zu erzielen, kann zu einer echten Herausforderung werden.

In der Eigenschaft als Projektmanager muss ich dafür sorgen, dass jeder alles genau versteht, dass alle Beteiligten mit meinen Entscheidungen einverstanden sind, dass ich über ihre uneingeschränkte Unterstützung verfüge, dass ich einen freien Cashflow-Korridor habe und dass ich keine Probleme beim Zugriff auf Fonds habe. Wenn ein einziger Investor die Zahlungen einstellt, müssen die anderen Investoren sie übernehmen, und das wird zu einer Schwierigkeit.

Andererseits hilft mir die Tatsache, dass ich mit ausländischen Investoren arbeite. Sie sind andere Qualitätsstandards gewohnt und erlauben mir, ein wahres Kunstwerk zu gestalten. In der Wohnanlage DaVinci Homes haben wir eine bebaute Fläche von bloß 20 Prozent, 45 Prozent Grünflächen, mit sibirischer Lärche und Naturstein verkleidete Fassaden, Mineralwolldämmung, Sicherheitsglasgeländer, elektrische Außenjalousien, Ausrichtung aller Balkone nach Süden usw. All diese Dinge summieren sich zu einer Halbierung der maximalen Rentabilität, die hätte erzielt werden können. Der Komfort und die Lebensqualität unserer Kunden ist wichtiger.

Sie beschäftigen zurzeit ungefähr 40 Angestellte. Leiden Ihre Projekte und Vorhaben unter dem Mangel an Fachpersonal in Rumänien?

Nein. Ich habe diese Schwierigkeit in dem Unternehmen, das ich leite, noch nie erlebt, weil ich eine sehr klare Geschäftsphilosophie habe. Es gibt vier Parteien, die gleichzeitig von der Tätigkeit eines Unternehmens profitieren müssen, das das Recht hat, in einer Gesellschaft zu funktionieren: 1. Der Kunde. 2. Der Staat 3. Die Angestellten 4. Der Unternehmer. Solange alle Parteien glücklich sind, respektiert und geschätzt werden, folgen gute Dinge als natürliche Auswirkung und meine Projekte und Initiativen haben nicht zu leiden. Ich respektiere meine Angestellten, und das spürt man in allen Poren unseres Unternehmens.

Auf welches Ihrer bisherigen Projekte sind Sie besonders stolz?

Glücklicherweise bin ich mit allen Projekten, die ich bislang entwickelt habe, sehr zufrieden. Eine große Freude bereitet mir die Tatsache, dass ich jeden meiner Kunden unter jedwelchen Umständen treffen, ihm die Hand geben und mit ihm befreundet sein kann. Der größte Erfolg ist dieser Zusammenschluss mit weiteren sieben ausländischen Investoren, mit denen wir gemeinsam das Projekt DaVinci Homes auf einer Fläche von rund 200.000 qm entwickeln.

Wahrscheinlich wird DaVinci Homes in den kommenden Jahren zu meinem Herzensprojekt werden, wo ich die Gelegenheit hatte, meine Vision umzusetzen, der Gemeinschaft ein komfortables und schönes Leben zu bieten.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten zehn Jahren?

Ich wünsche mir, dass alle Mitarbeiter bald nur vier Tage die Woche arbeiten. Ich möchte, dass die Arbeitsprozesse und -systeme schlanker und effizienter werden, sowohl für mich als auch für das Team. Ich wünsche mir keine Erhöhung der Mitarbeiterzahl oder des Umsatzes, sondern ein ruhigeres und gelasseneres Leben für das gesamte Team.

Ich wünsche mir, dass wir der Gesellschaft, in der wir tätig sind, weiterhin auf angenehme, entspannte und vor allem gesunde Weise Mehrwert verleihen.

Nicht der Umsatz muss steigen, sondern die Qualität bei allen Projekten, die wir liefern, denn unsere Verantwortung als Immobilienentwickler ist groß: Wir verkaufen nicht nur gewinnbringende Wohneinheiten, sondern aufgrund der Entscheidungen, die wir während des Baus treffen, werden Dutzende von Generationen gesund leben oder nicht. Das ist meine größte Verpflichtung.