Randbemekrungen: Der „fette Staat“

Ex-Präsident Traian B²sescu, heute EU-Parlamentarier und früher Securitate-Spitzel „Petrov“, hatte einen Hang zu kernigen Sprüchen – von denen einige Bestand haben, weil sie den Nagel auf den Kopf treffen. So sprach er vom „fetten Staat“ Rumäniens, der sich auf die Schultern einer Wirtschaft stützt, die auf ziemlich wackeligen Beinen steht. Rumäniens „Politiker“ wird man wohl nie dabei erwischen, dass sie solche Aussagen machen, denn ihre Grundhaltung ist die Zweideutigkeit: „Ich sag nicht und sag nicht so, denn wenn ich so sag oder so, dann heißt es später, ich hätte so oder so gesagt…“

Schiffskapitän B²sescu kümmerte es herzlich wenig, dass er mit seiner Aussage die Sympathie eines guten Teils der Beamtenschaft der öffentlichen Dienste – der wohl stärksten und inzwischen auch gut bezahlten Sozialkaste Rumäniens – verspielt hat. Seine Einschätzung der (Privat-)Wirtschaft stimmte zum Zeitpunkt, als er die Aussage machte, ebenfalls, denn diese durchlief gerade eine der (nicht wenigen) Krisen der Nachwendezeit. 

Nach der Wende von 1989 gab es in Rumänien kaum jemanden im arbeitsfähigen Alter, der sich nicht gewünscht hätte, in der Privatwirtschaft zu arbeiten - oder eine Privatinitiative auszubauen, Unternehmer zu werden. Damals waren fast alle Staatsunternehmen am Straucheln – einige wenige (etwa das Reschitzaer Maschinenbauwerk UCMR) haben sich nie mehr gefangen. Es war die Zeit der akuten finanziellen Krisen, der galoppierenden Inflation und der mächtigen Gewerkschaftsbewegungen (die schließlich ein paar Spitzenwegerkschafter zu Politikern konvertierten). Nur wer nicht konnte verließ damals die Staatsunternehmen nicht – um eine Privatinitiative zu starten, sich in der Privatwirtschaft anstellen zu lassen oder ins Ausland (meist definitiv) auf Arbeit zu gehen.

Die Beamtenschaft – vor allem in den Ministerien und Staats-Agenturen – war praktisch bedeutungslos. Die Wirtschaftsfreiheit, wie sie damals verstanden wurde, hatte Ministerien und öffentliche Institutionen auf Nebengeleise gestellt. Es bestand der Eindruck, dass eine neue, weniger der Regulierung/Bürokratie unterworfene (also staatunabhängigere) Wirtschaft entsteht. 

Mit dem Beginn von Banken- und Firmenpleiten – die Unbarmherzigkeit des Marktes schlug zu – verblasste die Magie des Privatwesens und es keimte der Mythos des „Unterschlupfs beim Staat“, der heute Blüten trägt. Es war auch der Augenblick, wo die Politiker aktiv eingriffen und den Staatsapparat nicht nur konsolidierten, sondern seit der Jahrtausendwende unaufhörlich aufbliesen und -blasen, sodass auch die Bürokratie zu immer neuen Exzessen geführt wird, während in Lippenbekenntnissen von deren Abbau trompetet wird. Der Staat ging in die Mast. Die Politik hatte die Riesenchance entdeckt, persönliche, familiäre, politische und religiöse Schulden auf Kosten des Staates zu bedienen: Staatsdiener wurden „verdiente“ Jungpolitiker, Verwandte und Geliebte der Politiker – oder Kinder und Verwandte der Geliebten - junge Leute ohne Qualifizierung (und Eignung), die sich Politiker zu Trauzeugen gewählt haben („na{“ sein ist eine Ehre, aber auch eine lebenslange Verpflichtung denen gegenüber, für die man als Beistand zur Verfügung stand – es gibt hierzulande Politiker mit bis zu 40-50 jungverheirateten Paaren, deren Trauzeugen sie waren, weswegen man ruhig von einem „Naschismus“ in Rumänien reden kann, mit all seinen Folgen und „Verpflichtungen“) und Verwandte der Verwandten der Verwandten von einflussreichen Politikern. So schwoll die Beamtenblase unaufhörlich an und verschlang immer mehr Haushaltsgeld. Der Staat erfuhr eine Scheinkonsolidierung. 

Aber die Bruchlinie zwischen Staat und Privatwirtschaft vertiefte sich: während heute alle „beim Staat“ arbeiten wollen, will kaum noch jemand in die Privatwirtschaft. Auch wegen des Lohngefälles zum Staat.