Randbemerkungen: Bund der „Lügenparteien“?


„Lügenpartei” stammt von Bruno Frank, dem deutsch-jüdischen Intellektuellen der Zwischenkriegszeit, der am Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 mit seiner Frau Liesl Deutschland verließ und sich nach Stationen in der Schweiz, Österreich England und Frankreich in den USA (Beverly Hills) niederließ. Frank schrieb in der Folge eines 1939 erfolgten Aufrufs von Thomas Mann (2025 ist Thomas-Mann-Jahr!) einen betont propagandistisch gefärbten Essay über Hitler und Hitlerdeutschland. Die 26 Schreibmaschinenseiten erschienen erst 85 Jahre nach ihrem Entstehen, 2024. Der Essay hat jedoch in weiten Teilen und auch im heutigen Kontext eine Frische bewahrt, die ihn zum Weiterempfehlen eignet.

„Lüge als Staatsprinzip“ erleben wir nicht nur bei jeder öffentlichen Stellungnahme unseres Regierungschefs Ion M. Ciolacu, das erleben wir seit mehr als einem Jahr wieder, bedrohlich und lähmend, aus Übersee, wo D.J.T. „Münchhausen“ Brandstifterlanzen schleudert und die antiimperialistischen Karikaturen des nach autoritärer und schrankenfreier Weltherrschaft lechzenden Uncle Sam ins Gedächtnis ruft.

Frank weist nach, dass Hitlers Lebens- und Wirkungsmaxime auf Lügen fußt, was mit den falschen Erwartungen beginnt, die schon der plumpen Täuschung im Namen der Hitlerpartei NSDAP - „sozialistisch“ / „Arbeiterpartei“ - entspringen. Bruno Frank zitiert aus Hitlers „Mein Kampf“ einen Schlüsselsatz zur Legitimierung der Lüge in der Politik, nicht ohne vorher an Machiavelli zu erinnern, der den Wortbruch als politisches Mittel rechtfertigte und für die Post-Renaissance-Welt salonfähig machte: „…in der Größe einer Lüge liegt immer ein gewisser Faktor des Geglaubtwerdens, da die breite Masse eines Volkes bei der primitiven Einfalt ihres Gemüts einer großen Lüge leichter zum Opfer fällt als einer kleinen, da sie selber ja wohl manchmal im Kleinen lügt, jedoch vor zu großen Lügen sich schämen würde… Sie wird an die Möglichkeit einer so ungeheuren Frechheit der infamsten Verdrehung auch bei anderen nicht glauben können.“

Wie oft in 2024, wie oft im kürzlichen Wahlkampf, wie oft wohl noch im angebrochenen und in den kommenden Jahren werden wir an diese – im Grunde nüchterne - Feststellung denken müssen, aufgrund welcher seinerzeit Deutschland (und leider unsere Eltern- und Großelterngeneration mit) in einen Abgrund gerissen wurde und deren Umsetzung die Weltgeschichte für gut ein Dreivierteljahrhundert verändert hat? Es klingt wie eine Abwandlung des hierzulande immer noch zu hörenden Ausspruchs (und tiefster Überzeugung…), wer stiehlt, soll viel stehlen, dann kommt er davon, wenig stehlen bringt dich ins Gefängnis…

Ein weiteres Stichwort, dass sich dir in den Hirnwindungen festhakt, ist „Stickatmosphäre“ („von gemeiner Verleumdung, Erpressung, `giftiger Spitzelei`“), die laut Bruno Frank das „Unerträglichste“ sei, was dich in einem „Lügenstaat“ (eine „Spottgeburt aus Lüge und Rachebrunst“) quält. Diese Atmosphäre schüren die „Schlammexistenzen“, die das Sagen haben.

Den Hitler-Stalin-Pakt vom 22. August 1939 zitiert Bruno Frank als Vorzeigefall für Hitlers politische Philosophie der Lüge, weil dieser, hochstilisiert als „Soldat gegen den Weltbolschewismus“, „plötzlich umarmte, was er am Vortage ausgespieen hatte.“

Wie soll man nicht ans Zustandekommen der „frischen“ Regierungskoalition in Rumänien als Bund der „Lügenparteien“ denken, wenn die Hauptakteure, die einander im Wahlkampf verschweinigten, keine vier Wochen später sich im Machtstall gockelhaft und wohlig nebeneinander suhlen?

Trotz (gewolltem) Unterton der Propaganda liegt uns mit Bruno Franks Versuch zur Tagespolitik an der Schwelle / zum Beginn des Zweiten Weltkriegs ein Buch vor, das leider Gegenwartsgültigkeit hat.

Sand im Planetengetriebe? Steht der Erdball still?