Randbemerkungen: Der Multimilliardär und die Freiheit des Wortes

„Der Bürgerkrieg ist unvermeidbar!“ Mit diesem Satz, geschrieben im Namen der „Freiheit des Wortes“ – mit der er selektiv umgeht – hat es sich Elon Musk (53), der südafrikanisch-kanadisch-amerikanische Multimilliardär und Wiedermal-Fan von Donald Trump, mit der britischen Labour-Regierung verdorben. Die seinen Satz als „fake news“ einstufte, aber auch als Hetze deutete (Ziel: Anfachen der Straßenkämpfe zu einem Bürgerkrieg).

Die Rufe nach einer gesetzlichen Regelung des Vorgehens gegen solcherart Posts von einflussreichen Persönlichkeiten und/oder „Influencern“ in virtuellen Medien wurden fieberhafter. „Politico“ dämpfte diese Rufe: die rechtliche Lösung gibt es. Ist zwar nicht perfekt, aber anwendbar. Muss also bloß umgesetzt werden…

Dafür sei aber Regierungswillen nötig, die volle Unterstützung für die britische Medien-Kontroll- und -Regelungsinstitution Ofcom. Ofcom hat sich bereits aus der Schlinge gewunden: Die sozialen Netzwerke brauchen keinen zusätzlichen gesetzlichen Regelmechanismus, um sicherzugehen, dass die Nutzer sich den Nutzungs-Regeln beugen, wenigstens in jenem Minimalmaß, das sichert, dass Dialoge nicht ausarten und zur Drohung und öffentlichen Bedrohung werden.

Musks Behauptung vom Bürgerkrieg muss erstens auch gesehen werden als Meinung eines der erfolgreichsten (und vom Glück großzügig begünstigten) Unternehmer der Welt, der schon allein deswegen in dieser konkurrenzbetonten Welt als Leithammel gilt. Und zweitens als Post jenes reichen politischen Wendehalses, der einerseits aus Trumps Regierung als Berater ausstieg, nachdem der Lügenbaron des Weißen Hauses die Pariser Umweltschutzverträge gekündigt und die USA daraus aussteigen ließ, andererseits – nachdem ein Attentäter Trump ein Stückchen des rechten Ohrs weggeschossen hatte – als treuer Parteigänger Trumps auftritt und lauthals verkündet, den Lügner zum Präsidenten machen zu wollen.

Für uns interessant bleibt die Diskussion zur Rolle der sozialen Netzwerke bei Straßenbewegungen. Neu ist sie nicht. Von Facebook hieß es, es habe den Völkermord in Myanmar beflügelt. TikTok klebt der Ruf an, betont anti-westlich zu sein, ausgesprochen pro-chinesisch und pro-russisch. WhatsApp wird laufend als Aufrufplattform bei Demos und sozialen Bewegungen genutzt (Gelbwesten, Maidan, Nawalnyi, möglich auch Twitter-Revolution 2009 in Moldawien – ? – und im Iran – ? – …). Dabei wird aber meist vergessen, dass der „Diskurs des Hasses“ viele Ausweichkanäle hat, viel weniger bekannt als obige, aber aktiv und vergiftet, ja giftsprühend – Telegram, Gab, Parler, 4chan, auch Musks X oder Trumps Truth Social usw.

Leider ist es so, dass jedwelcher Versuch, Hetz- und Lügen-Posts in den sozialen Netzwerken zu verbieten, erstens leicht als medialer Maulkorb „enttarnt“ werden kann, zweitens zur Flucht auf ein anderes Netzwerk inspiriert. Musk macht es deswegen so, dass er auf seinem X ihm unliebsame und/oder nicht genehme Botschaften zunehmend ins mediale Abseits weggleiten lässt, bis sie als Winkelbotschaften irrelevant werden.

Dies einerseits. Andererseits haben wir es - seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, aber auch seit der Entfesselung der Hamas-Israel-Gewaltspirale – mit einer eingekesselten öffentlichen Kommunikation zu tun. Die Regel, die ängstlich befolgt wird: Keine Dinge beim Namen nennen, die interpretierbar sind als unhöflich, unkorrekt, beleidigend oder auslösend/wiedererweckend von Traumata. Damit wird die Authentizität weltweiter öffentlicher Debatten erstickt. Keiner will riskieren, in Schubladen öffentlicher Schuldzuweisung, Blamage und Etikettierung zu landen, indem er sich irgendwie „politisch unkorrekt“ artikuliert. So entstehen verfeinerte Formen der öffentlichen Spaltzüngigkeit, Lügen, die als „geschichtliche Wahrheit“ gelten.

Lüge ist nicht mehr Lüge.