Randbemerkungen: Torkelkurs

Die bedrohliche Neuaufspaltung der Welt in sich belauernde Lager, von uns tatenlos und wortreich registriert, fordert auch seitens der Regierung Rumäniens eine klarere Positionierung als je in der Geschichte dieses Landes üblich. Das Herumtorkeln zwischen Orient und Okzident war Markenzeichen der Außenbeziehungen der Donaufürstentümer seit dem späten Mittelalter (auch der Rumänen nördlich und westlich der Karpaten). Nach dem Ersten Weltkrieg bekam es neue Akzente und wird von allen Regierungen bis heute fortgesetzt.
Die jüngste, völlig „normal“ akzentuierte Aussage von Premierminister Ion Marcel Ciolacu, man baue den Haushalt 2024 auf Investitionen auf, „finanziert von der EU“, ist dafür aufschlussreich. Der Kontrast dazu: die Stimmenthaltung (nicht Ablehnung) der UNO-Resolution, in der die Vorgehensweise Israels im Nahost-Krieg verurteilt wird… Und wieder ein Kontrast: der umgehend erfolgte „Solidaritätsbesuch“ von I. M. Ciolacu in Israel nach dem 7. Oktober. 

Aufgrund (auch) solcher Aussagen – und Hoffnungen – der Regierenden wundert´s nicht, wenn Rumänien in seinen offiziellen Stellungnahmen sich „fest“ an Seiten von EU und NATO positioniert und (bei Vernachlässigung des Militärischen zum Schutz des Landesinnern – siehe das Herumstottern der Verantwortlichen im Falle russischer Bombendrohnen, die im Donaudelta krepiert sind) keinerlei Zögern bezüglich der Unterstützung der sich verzweifelt vor der gierigen Kriegswalze der Russen verteidigenden Ukraine zeigt. 

Trotzdem im Fokus: Neben einer durch Umfragen belegten klar positiven Haltung der Bevölkerung zu dieser Außenpolitik gibt es eine keineswegs zu unterschätzende, größer werdende Masse an Zweiflern und Bekrittlern (teils aus den Reihen der rumänischen orthodoxen Kirche, seitens der Neolegionäre, aus den Reihen der Ultranationalisten von AUR).

So chauvinistisch und ultranationalistisch diese in ihrer Grundhaltung sind, stehen sie unserem Nachbarn Viktor Orbán und dessen nordwestlichen Gesinnungsgenossen Robert Fico oder dem Türken Erdogan näher als Westeuropäern oder Westeuropasympathisanten. Der „Neo-Sultan“ vom Bosporus spielt durch sein Lavrieren zwischen Washington und Moskau, zwischen Sehnsucht nach Aufnahme/Akzeptanz in Okzident/EU und Affinität zum Islam, zwischen Verpflichtungen als NATO-Mitglied und Handeln als neukonvertierter Islamist (siehe seine klare Positionierung an Seiten der Hamas im tobenden Israelkrieg) eine Vorbildrolle für dieses Segment der sich lautstark äußernden rumänischen Öffentlichkeit. Rund um die AUr scharen sich schreihälsige Kleinparteien, deren meinungsbildende Rolle nicht unterschätzt werden kann (siehe auch den jüngsten, lächerlichen, doch besorgniserregenden „Prozess“ vor den Toren der Festung Alba Iulia, wo das Habsburgerreich für die Hinrichtung von Horia, Clo{ca und Cri{an Ende des 18. Jahrhunderts „verurteilt“ wurde… Auf dem „Tisch“ der „Richter“ – unter ihnen der Ex-Bürgermeister von Klausenburg, Gheorghe Funar – lag eine Trikolore.)

Eine Krone setzte jetzt dem Ganzen der sich zunehmend als Nationalist entpuppende Präsident der Rumänischen Akademie der Wissenschaften, der aus Siebenbürgen kommende Historiker Ioan-Aurel Pop, auf. Unter seiner Ägide wurde als korrespondierendes Mitglied der Akademieabteilung für Philosophie, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Vorstand: Mircea Dumitru) ein gewisser Drago{-Paul Aligic˛ (Jahrgang 1966) gewählt, der vor allem im Bereich der politischen Ökonomie veröffentlichte. Er fällt zunehmend auf Facebook auf mit wortreich-konfusen Verurteilungen rumänischer Intellektueller, die er „Propagandisten des Abendlands“, und „neolovinescieni pe pilot automat“(„auf Autopilot geschaltete Neo-Lovinescianer“) nennt. Er selber definiert sich als „neo-nationalistisch“, „neutralistisch“.
Typisch, diese (un-)„gewisse Neutralität“ rumänischer Persönlichkeiten.