Randbemerkungen: Von der Flexibilisierung des Rückgrats

Der Präsident und „seine“ Regierung hämmern sich mit Fäusten auf die Brust: Es ist ihnen „gelungen“, die EU zu überzeugen, den Überwachungsmechanismus des Einhaltens der Rechtsstaatlichkeit aufzuheben. Dieser „symbolische Sieg“ der Regierungskoalition und ihres Zusammenbastlers soll alle Beobachter darüber hinwegtäuschen, dass Rumänien höchstwahrscheinlich wieder nicht Zugang bekommt zum Schengen-Raum1 – oder nur mit äußerstem Vorbehalt: Angesichts der sich abzeichnenden Krisen innerhalb der EU und global, angesichts der Notwendigkeit eines zusätzlichen Ansporns zum Zusammenhalt innerhalb von EU und Nato, angesichts des sich akutisierenden Grenzstaatenstatus` zum Kriegsgebiet Ukraine usw. 

Andrerseits kann weder der Präsident noch die chronisch verzankte Regierungskoalition viel mit der zerknirschten Trostgeste der EU-Kommission anfangen. Es sind noch keine Wahlen in Aussicht und die Bevölkerung kümmert es immer weniger, wie die EU-Berichte zum Einhalten der Regeln der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien ausfallen, seit jedem klar wurde, dass die Politik in Rumänien zur Großmeisterschaft im Mimen des Erforderlichen wurde, zum Wahren des Scheins, um umso intensiver das Kochen des eigenen Süppchens zu fördern, EU mitsamt ihrem Überwachungsmechanismus hin oder her! 

Unübersehbar ist, dass auch die EU, angesichts der obigen Krisengeneratoren, der Justitia die Augenbinde abgenommen hat, um sie sich selber umzubinden – und so Rumänien von jedwedem Verdacht auf Mauschelei mit der Rechtsstaatlichkeit und der Grenzsicherheit freisprechen zu können. Der geopolitische Kontext will es eben so. Sie könnte sogar recht haben: Mehr als das, als bisher erzielt wurde durch die Anwendung des Überwachungsmechanismus, ist in Rumänien anscheinend beim besten Willen nicht zu erreichen. So hat der amtierende Justizminister Cătălin Predoiu, ein geschmeidiger Diener vieler Herren, es tunlichst vermieden, die der Justiz unter PSD-Dragnea aufoktroyierten Gebrechen auszumerzen oder zumindest abzuschwächen und mit seinen „Novellierungsbestrebungen“  die Politisierung der Justiz aufs Äußerstmögliche geschraubt. Die PNL-Wahlversprechen bezüglich Justiznovellierung und Rechtssanierung erwiesen sich neuerlich als schmierige Demagogie. 

Es bleiben zwar ein paar Bereiche einem Monitoring unterworfen (etwa jene, die direkt etwas mit EU-Subventionen zu tun haben, wie das Nationale Programm für Wiederaufbau und Resilienz PNRR, das Problem der Integrität – ANI – oder das Gesetz zum Schutz von Whistleblowern), doch auf die höheren Sphären der rumänischen Politik wird sich das kaum spürbar auswirken. Die Appetitlosigkeit von hoher Justiz und Politik auf eine real und unabhängig funktionierende Justiz ist so bestens bedient. 

Denn auch innerhalb des Justizsystems gibt es kaum noch Druck, seit man am Klausenburger Reformjuristen Cristi Danileț ein Exempel statuiert hat. Jetzt gibt es im System niemand mehr, der die Spezi-Beziehungen zwischen den hohen Justizbeamten und den Kerbholzpolitikern stören könnte, zumal es dem amtierenden Justizminister auch gelungen zu sein scheint, sich mit erzkonservativen Jasagern zu umgeben – so zumindest der Eindruck der Beobachter, die sich auf diesen Bereich des rumänischen Soziallebens konzentriert haben. Denn es gibt wenige, denen es nicht passt, ihr Rückgrat so zu flexibilisieren, dass ihnen die winkende Riesenrente (ohne Beitragszahlung), die staatliche Übernahme höchster Wohnungsmieten, Anleihen zu Vorzugszinsen für Wohnungskauf und andere Vorzüge ablehnen würden. Man lebt hierzulande mit dem festen Eindruck, dass Richter und Staatsanwälte nur für die Vorteilspackungen da sind, die ihnen der Staat bietet.

Recht kann ihnen schnuppe sein.