Randbemerkungen: Zweibeiner, federnlos

Der Mensch sei eigentlich ein ungefiederter Zweibeiner, so der Philosoph Platon (428/27 – 348/47 v.Chr.). Diogenes (413 – 323 v.Chr.), Zweifler und Platon-Kontrahent, warf daraufhin ein gerupftes Huhn in die Akademie, wo Platon vor seinen Jüngern seine Weisheiten zelebrierte, mit der Bemerkung: „Da hast du deinen Menschen!“

Erzählt eine antike Anekdote.

Trotzdem: derselbe Platon spricht vom Funken Göttlich- und Ewigkeit, die der Schöpfer dem Menschen vermacht hat. Derselbe Diogenes hatte angeblich auch darauf eine Replik, indem er mit seiner Laterne – oder war´s ein Funzellicht? – durch die Straßen von Athen irrte und erklärte, er suche einen Menschen (eher wohl jenen „Funken im Menschen“…). Ob er den Menschen fand? Muse Klio schweigt.  Vielleicht ist halt das Funzellicht erloschen, hatte Diogenes doch geschworen, in Armut zu leben, hatte also wohl nicht unbegrenzt Mittel, sein Licht mit Öl zu versorgen.

Solcherlei kann einem durch den Kopf gehen, wenn man an die anstehenden Wahlen denkt und überlegt, wer die Wähler-Zweibeiner sind, mit denen die Politiker rechnen, vorausgesetzt, diese suchen die Urnen auf. Man kann diese Wähler jetzt häufig auf den Wahlversammlungen der Kandidaten der Parteien sehen und wird feststellen, dass die Wählerschaft in Stadt und Land sich grundsätzlich immer ähnlicher wird. Die sozio-demographische Walze des Kommunismus, die mit dem primitivsten Konzept der „Urbanisierung“ als Bemessungsgrad des „Fortschritts“ einer Nation operierte, indem sie die Dorfbewohner in Wohnblocks stopfte oder am Land Häuser einriss und Wohnblocks in die Dorfmitte stellte („Systematisierung der Dörfer“), hat auch das Bürgerbewusstsein der Städter gezielt kaputtgemacht (wenn/wo es sowas gab), so dass es hierzulande kaum noch Städte mit bewussten Stadtbewohnern gibt (aus der verklärenden Ferne gesehen könnte etwa – stellvertretend auch für andere Städte des Raums westlich und nördlich des Karpatenbogens - Großwardein noch als „Stadt mit westlichem Gepräge“ angesehen werden).

Die „Stadtbürger der ersten Generation“ leben im Geist weiterhin auf dem Land (wo vor nicht einmal einem Jahrhundert der Dichter-Philosoph Lucian Blaga wähnte, dass die Ewigkeit ihren Ursprung hat), mit all seinem Primitivismus, seiner hochnäsigen Verachtung gegenüber der Stadt (in die sie zogen – und sie benehmen sich dementsprechend: sie haben vor nichts Städtischem Respekt und Achtung – weswegen die Müllabfuhr eine der wichtigsten Institutionen jeder Stadt ist, auch wenn sie die Spucke vom Asphalt nicht entfernen kann…).
„Stadt“ gilt als eine Häufung von Wohnbauten, Plätzen, fehlenden Parkplätzen, chaotischem Verkehr, Malls, Denkmälern, schlechter Luft usw., längst nicht mehr als Gemeinschaft einer Burg – woher das Wort „Bürger“ kommt… - und als Denk- und Lebensstil. „Land“ - die Idylle, von der vor allem die „Stadtbewohner der ersten Generation“ weiterhin träumen – weil sie sich nie vom „Land“, woher die stammen, losrissen, nie Stadt-Bürger wurden.

Auf Wahlversammlungen in der (vorwiegend Klein-)Stadt trägt man dieser Tatsache so Rechnung, indem die Parteien und deren Kandidaten ausgiebig (und laut) Volkmusik aufspielen – als kumpelhaftes Signal: Auch mir gefällt, was dir gefällt! Dieselbe Musik, die durch die dünnen Wände der Fertigteilblocks sämtliche Wohnturm-Mitbewohner „beglückt“.
Die neuen „Burgen“ des Kommunismus konnten ihre „Bürger“ nicht integrieren – die neuen „Bürger“ sich den alten „Burgen“ nie anpassen. 

Die Mehrheit der Wahlbürger, die in diesem Jahr zu den Urnen gehen, passt ins Schema. So könnten die mehr als drei Millionen Rumänen, die im Ausland leben und noch Staats-„Bürger“ Rumäniens sind, zum Zünglein an der Waage werden. Ob auch ihnen Zeit für Anpassung gefehlt hat?

Und die Kandidaten? Sie sind zu 99,99 Prozent das genaue Abbild ihrer Wählerschaft. Ungefiederte Zweibeiner.