Raumfüllende „weiße Elefanten“


Der Jubel unter den „prominenten“ Verbrechern dieses Landes ist groß. Das betretene Schweigen in der bürgerlichen Gesellschaft gleichermaßen. Nach vier Jahren des krampfhaften Augenverschließens sämtlicher Politiker der Legislative, der Exekutive, des sich als immer schmieriger erweisenden Justizministeriums und vom Präsidentenamt tritt der Wille des politisch besetzten (und dementsprechend urteilenden) Verfassungsgerichts CCR in Kraft: Hunderte, wenn nicht tausende Strafverfolgungsdossiers der Zeitspanne 2018 bis 2022 kommen als verjährt in den Reißwolf.

In den  vier Jahren des Augenverschließens sämtlicher Politiker der Legislative, der Exekutive, des sich als immer schmieriger erweisenden Justizministeriums und vom Präsidentenamt, während keiner der Genannten einen Finger gerührt hat, war das Verfassungsgericht auf Draht und nutzte auch die politischen Umstände. Der Verdacht liegt nahe, dass alle Obengenannten mit voller Absicht und sehr bewusst nichts getan haben. Denn die wenigen Ausnahmen zur Korrektur des Strafgesetzbuchs (im Juli 2021 hatte der damalige Justizminister Ion Stelian die vom Verfassungsgericht geforderte Novellierung als Gesetzesvorlage eingebracht, doch sein Nachfolger, der jetzige Justizminister C²t²lin Predoiu, ließ die Initiative zur Abänderung von Art. 155 versanden: daraufhin hat das CCR im Mai einen neuen Beschluss veröffentlicht, demgemäß die Entscheidung von 2018 fehl am Platz war, da sie eine Gesetzeslücke schuf, worauf Predoiu am 30. Mai einen Eilbeschluss fassen ließ, der die Dinge nach Forderung des CCR regelt.

Man darf von Feigheit und auch von Komplizenschaft ausgehen, wenn man dem Lauf der Dinge in dieser Sache folgt. Fakt bleibt: Da der Erstbeschluss des CCR vom Juni 2018 nicht gesetzlich umgesetzt wurde, kann das Verfassungsgericht mit einiger Berechtigung am 25. Oktober 2022 von der „Gesetzeslücke“ sprechen – die offensichtlich mit Absicht offengelassen wurde – und alle Strafermittlungsdossiers der Zeitspanne Juni 2018 bis Mai 2022 unters Fragezeichen der Verjährung setzen. Worauf viele – Vergewaltiger, Menschenhändler, Diebe, Drogenhändler usw. – gesetzt hatten, wobei allen Obengenannten die besten Anwälte einfach durch Nichtstun die Straffreiheit gesichert haben. Ob sie wohl dafür auch auf irgendeine Weise bezahlt werden?
Das schöne Bild von Präsident Johannis mit den „weißen Elefanten“ im Raum, mit dem er seinerzeit den Premierminister Sorin Grindeanu zurechtgewiesen hatte, darf nun, abgewandelt, neu benutzt werden: „weiße Elefanten“ haben Moral, Wohlgesittetheit, Gesetzestreue und Zivilisiertheit aus dem politischen Raum Rumäniens vertrieben und dem Paradoxon der Willkür eines Gesetzes, mittels Untätigkeit der für Novellierungen Hochbezahlten, Platz gemacht. Dazu schweigt die bürgerliche Gesellschaft Rumäniens.

Dass es in Rumänien bei solchem Gang der Dinge keine Zufälle gibt, zeigt ein kurzer Rückblick. Zu Zeiten Emil Bocs, 2009, hat der damalige Justizminister C²t²lin Predoiu (DER selbe) das Neue Strafgesetzbuch vom Parlament abnicken lassen. Darin hieß es, dass eine Unterbrechung der Verjährungsfrist möglich sei, wenn der verdächtigten Person die Dokumentation der Vorgänge gegen ihn – das Strafdossier – zur Kenntnis gebracht wird. Dieses Strafgesetzbuch trat 2014 in Kraft. Seither konnten Verjährungsfristen unterbrochen werden. Nirgends war genau festgeschrieben, welche Papiere den Verdächtigten zur Kenntnis gebracht werden mussten, welche nicht. Das Verfassungsgericht forderte 2018, dass das korrigiert wird. Das löste Diskussionen aus, doch keine Vorgänge. Manche der Magistraten wandten zwischenzeitlich die Verfügung des CCR an, andere nicht, nach Gutdünken. Nun sollen vier Jahre Arbeit der Justiz in den Mistkorb der Geschichte.

Wer profitiert, wird bekannt.

Doch wer bezahlt die Rechnung?