Sfântul Stefan - eine kleine orthodoxe Gemeinde in Bukarest

Pfarrer Daniel Benga: „Wir sind nicht reich, auch nicht arm, und wir sagen Gott danke für alles“

Versteckt hinter einem riesigen Plattenbau in der Strada Stirbei-Vodü Nummer 99 steht die rumänisch-orthodoxe Kirche Sfântul Stefan. 1760 errichtet, entging sie 1988 im Zuge des Boulevardbaus unter Ceausescu nur knapp der Zerstörung. Auf Schienen wurde sie damals sechzig Meter nach Süden versetzt, aber erst 1990 wieder eingeweiht. Der jetzige Pfarrer, Dozent Dr. Daniel Benga übernahm die Gemeinde nach seiner Rückkehr aus Deutschland im Jahre 2001. 

Pfarrer Benga, der an der Theologischen Fakultät der Universität Bukarest Kirchengeschichte und Ökumene unterrichtet, stammt ursprünglich aus Fogarasch/Fãgãras in Siebenbürgen und studierte selbst Theologie in Bukarest. Während er an seiner ersten Doktorarbeit über die lutherisch-orthodoxen Beziehungen im 16. Jahrhundert arbeitete, hatte er feststellen müssen, dass er ohne Deutschkenntnisse kaum weiterkam. Nach einem mehrjährigen Deutschlandaufenthalt spricht der Vater dreier Kinder heute fließend Deutsch, im Rahmen eines Stipendiums des Diakonischen Werkes schrieb er an der Theologischen Fakultät in Erlangen seine zweite Doktorarbeit über den Rostocker Reformator David Chytraeus.

Die Bukarester Kirche, die Pfarrer Benga nach seiner Rückkehr aus Deutschland übernahm, weil der vorherige Pfarrer nach Amerika ausgewandert war, befand sich 2001 in einem beklagenswerten Zustand. Die Renovierungsarbeiten begannen zunächst an der undichten Kuppel und dauerten mehrere Jahre, unter anderem musste die komplette Elektrik erneuert werden. Voraussichtlich Ende Mai kann nun in diesem Jahr die Neueinweihung gefeiert werden. Obwohl die Gemeinde zu den kleinsten und finanziell am schlechtesten aufgestellten Gemeinden Bukarests gehört, konnte sie die Renovierungsarbeiten, für die der Pfarrer ursprünglich mehr als das Doppelte der Zeit veranschlagt hatte, mit Hilfe von Spenden, Unterstützung der Stadt und europäischen Geldern in nur zehn Jahren abschließen. „Wenn man etwas mit Liebe macht und sich einsetzt und kämpft, arbeitet auch Gott mit uns.”

Pfarrer Bengas Gemeinde umfasst heute circa 600 bis 700 Familien, von denen um die 20 bis 30 Prozent regelmäßig in seine Gottesdienste kommen. Problematisch ist seit langem, dass außer der Kirche keine weiteren Räume als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Beispiel für die Sozialarbeit, zur Verfügung stehen. Im Zuge der Kirchenversetzung wurden die im Kirchenbesitz befindlichen Villen um die Kirche und der angeschlossene große Garten zerstört. Bis heute bemüht sich der Pfarrer vergeblich um eine Entschädigungszahlung, immer wieder werden neue Papiere verlangt und Entscheidungen verschoben. 

Teilweise aus Spenden, teilweise vom Staat finanziert man die circa 1500 Euro für Strom, Heizkosten und die Gehälter Bengas, des zweiten Pfarrers, des Sängers und der Frau, die die Kirchenräume sauber hält und sich auch sonst um vieles kümmert. Zwar ist die ehrenamtliche Mitarbeit laut Pfarrer Benga weniger institutionell organisiert, als das in Deutschland der Fall ist, sie findet aber trotzdem statt. Er kann dabei auch auf seine Studenten zurückgreifen, die zum Beispiel älteren Menschen bei ihren Einkäufen helfen. Aber auch andere bringen sich ein, so zum Beispiel Ärzte der Gemeinde, die kostenlose Untersuchungen durchführen. Fehlende Räume und geringe finanzielle Möglichkeiten verhindern größeres Engagement. Bedauerlich sei vor allem, dass aus diesem Grund kein Sozialarbeiter fest angestellt werden kann. Nichtsdestotrotz zeigt sich der Pfarrer optimistisch: „Wir sind nicht reich, auch nicht arm, und wir sagen Gott danke für alles.”

Nachwuchssorgen kennt die orthodoxe Kirche in Rumänien nicht. Bengas europäische Kollegen werden regelrecht neidisch, wenn er außerhalb Rumäniens von vollen Vorlesungen und Seminaren berichtet. An der Theologischen Fakultät der Universität Bukarest sind derzeit 1600 Studenten eingeschrieben, die später Pfarrer, Religionslehrer oder Sozialarbeiter werden. Das Lehrpensum des Theologen liegt mit vierzehn Stunden pro Woche allerdings weit über dem seiner westeuropäischen Kollegen, sein Gehalt um ein Vielfaches darunter. 

Gelegenheit zum Austausch bietet sich recht oft, häufig vertritt er die Rumänische Orthodoxe Kirche auf Veranstaltungen im Ausland oder hält dort Vorlesungen, im Juni zum Beispiel reist er nach Kiel. Unter anderem ist Daniel Benga auch Mitglied der rumänischen Delegation für den Dialog mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, der seit 1979 stattfindet. Die Rumänische Orthodoxe Kirche bezeichnet er im Vergleich mit anderen orthodoxen Kirchen als sehr offen, auch die zwischenkonfessionellen Beziehungen in seiner Gemeinde seien gut. An Epiphanias zum Beispiel werde er auch von Katholiken empfangen. 

Mit Blick auf seine Gemeinde wünscht sich der Pfarrer nicht unbedingt nur größeren finanziellen Spielraum, sondern vor allem ein noch stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl und nun, da alle Renovierungsarbeiten abgeschlossen sind, eine stärkere Konzentration auf den „Weiterbau der inneren Kirche“: „Das ist das größte Vorhaben, immer besser zu werden im Hinblick auf Menschlichkeit, Liebe, Verständnis, Hingabe. All das ist wichtig und wir müssen es immer wieder neu lernen.”