Südtirol wählt – die Spannung steigt

Am 22. Oktober wird der neue Südtiroler Landtag gewählt

Wahlplakat der SVP mit Landeshauptmann Arno Kompatscher: Die bevorstehenden Landtagswahlen in Südtirol sorgen für Spannung. Foto: Dolomiten/Dlife

Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (MIDAS) wurde 2001 auf Vorschlag der Chefredakteure von Tageszeitungen gegründet, die in Minderheiten- oder Regionalsprachen erscheinen. Ziel war es, ihre Strategien zu koordinieren und die Zusammenarbeit in den Bereichen Informationsaustausch, Druck und Marketing zu fördern. Inzwischen haben sich 27 Zeitungen aus 12 verschiedenen Ländern MIDAS angeschlossen. Die derzeitige Präsidentin ist Edita Slezáková.

Der seit 1948 ununterbrochen regierenden Südtiroler Volkspartei (SVP) werden nicht nur weitere Verluste vorausgesagt, ihr stehen auch Herausforderungen bei der Bildung der neuen Landesregierung ins Haus.

Dass die SVP erstmals seit 1948 nicht an einer Südtiroler Landesregierung beteiligt sein könnte, ist auszuschließen. In mehreren Meinungsumfragen werden ihr aber erneut herbe Verluste vorausgesagt. So gaben in einer am 4. Oktober vom Tagblatt „Dolomiten“ veröffentlichen Umfrage 35 Prozent der Befragten an, sie wollten die SVP wählen. Das ist ein Minus von fast sieben Prozentpunkten gegenüber 2018 und zugleich ein Verlust von mindestens zwei Mandaten: Der SVP werden 13 Mandate vorausgesagt, eventuell sogar nur zwölf. Einst hatte sie die absolute Mehrheit gehalten, das ist lange her: 2013 erhielt die SVP nur mehr 17 der insgesamt 35 Landtagsmandate; 2008 waren es 15 Mandate.

Zu den Prognosen für die übrigen Parteien: Die Grünen sehen die Meinungsforscher bei zwölf Prozent; das wäre eine Verdoppelung gegenüber 2018 und würde vier Mandate bedeuten. Das Team K - eine Südtiroler Abspaltung der einstigen italienischen Regierungspartei Fünf Sterne – könnte elf Prozent erhalten; das wären vier Mandate, zwei weniger als 2018.
Dem Koalitionspartner der SVP, der Lega Salvini, droht der Absturz von elf auf vier Prozent; das waren statt vier nur mehr ein bis zwei Mandate. Dafür wird eine Zunahme der rechtsgerichteten Partei Fratelli d’Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni von 1,7 auf sieben Prozent vorausgesagt; das wären zwei bis drei Mandate.

Unter den deutschen Parteien im patriotischen Lager werden den Freiheitlichen sechs Prozent prophezeit. Das wäre ein geringfügiger Verlust und würde ihnen zwei Mandate bringen. Die Süd-Tiroler Freiheit der früheren Heimatbund-Ikone Eva Klotz könnte mit fünf Prozent einen Prozentpunkt verlieren, möglicherweise aber ihre zwei Mandate halten.
Der frühere langjährige Koalitionspartner der SVP, die italienischen Sozialdemokraten (Partito Democratico), war 2018 dramatisch auf nur mehr ein Mandat abgestürzt. Dies kann der PD aller Voraussicht nach nicht korrigieren. Die Fünf Sterne dümpeln bei zwei Prozent.

Ursachen für die erwarteten Verluste der SVP waren einige Skandale, welche die Gerichte beschäftigen. Noch mehr zu schaffen macht der SVP aber ein anderer Vorfall. Bei der Ausschreibung der Buslinien im öffentlichen Nahverkehr war es zu Unregelmäßigkeiten gekommen, die derzeit gerichtlich aufgearbeitet werden. Die Ermittler ließen zahlreiche Politiker, Beamte und Unternehmer abhören. Die Abhörprotokolle wurden an Medien durchgestochen, auch solche, in denen es gar nicht um den Bus-Skandal ging. In einem dieser Gespräche äußerte sich der seinerzeitige Gesundheitslandesrat Thomas Widmann wenig respektvoll über den amtierenden Landeshauptmann Arno Kompatscher – für diesen Grund genug, Widmann als Landesrat zu entlassen. Er blieb aber einfacher Landtagsabgeordneter. Weil die SVP ihn für die Wahl am 22. Oktober nicht auf die Kandidatenliste nahm, tritt Widmann – der früher auch Sekretär der SVP war und für die Partei erfolgreich Wahlkämpfe geschlagen hatte – mit einer eigenen Liste an. Und die kann der SVP sehr wehtun. Fünf Prozent werden der Liste Widmann vorhergesagt, das wären zwei Mandate.

Neben ihren eigenen 13 Mandaten braucht die SVP noch mindestens 5 weitere für eine (äußerst knappe) Mehrheit im Landtag und zur Regierungsbildung. Laut „Dolomiten“-Umfrage schafft keine der anderen Parteien fünf Mandate oder mehr. Es wird also auf eine Dreierkoalition hinauslaufen. Die aber wird nicht einfach zu schmieden sein.

Da ist einmal die im Autonomiestatut festgeschriebene Verpflichtung, auch italienische Abgeordnete gemäß ihrer Vertretung im neugewählten Landtag in die Landesregierung aufzunehmen (das ist der sogenannte Proporz). Bisheriger Koalitionspartner war die Lega Salvini mit ihren vier Mandaten. Ihr droht aber ein heftiger Absturz. Sieger auf italienischer Seite dürften Melonis Fratelli d’Italia sein. Mit ihnen haben allerdings nicht wenige in der SVP großes Bauchweh.

Zwar könnte die SVP theoretisch italienische Abgeordnete von anderen Parteien (Grüne, Team K) in die Landesregierung holen. Es ist aber kaum denkbar, dass die Volkspartei das Votum der italienischen Wähler ignoriert und keine der italienischen Parteien mit ins Boot nimmt.

Nicht leicht tun wird sich die SVP aber mit der Wahl des dritten Koalitionspartners. Gegen die Grünen gibt es innerhalb der Sammelpartei große Widerstände, die aus deren Ausrichtung stammen; in den 1980er Jahren flogen die Fetzen zwischen SVP und Grünen, weil letztere die Sprachgruppenzählung und damit indirekt den Proporz, eine Säule der Südtirol-Demokratie, angegriffen hatten.

Die Grünen wiederum schließen aus, in eine Koalition mit den Fratelli d’Italia zu gehen. 

Es könnte sich also ein Türchen öffnen für die Freiheitlichen, die in letzter Zeit im Ton verbindlicher geworden sind.

Und da wäre noch Ex-SVP-Mann Widmann, aber LH und Parteichef Achammer haben klar geäußert, dass eine Koalition mit dem früheren Parteifreund nicht in Frage kommt.
Die Spannung steigt vor dem Showdown am 22. Oktober. 


Die Dolomiten sind die älteste und meistgelesene deutschsprachige Tageszeitung in Südtirol. Sie gehen zurück auf die 1882 gegründete Zeitschrift „Der Tiroler“. Ihren Namen tragen die „Dolomiten“ seit dem Jahr 1923, als die Zeitung auf Druck der Faschisten umbenannt werden musste. Von den Nazis wurden die „Dolomiten“ 1943 verboten. Nach Kriegsende 1945 konnten sie wieder erscheinen. Der weiteste Leserkreis beträgt über 200.000 Leser.