Roboter haben den Festsaal der deutschen Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar erobert. Es ist Donnerstag, der 10. April, kurz nach 9 Uhr. Zwei Dutzend Teenager warten gespannt darauf, dass ihre Roboter zeigen, was sie können. Oder, besser ausgedrückt, was sie ihnen beigebracht haben, denn die Lego-Roboter, die auf dem Tisch stehen, wurden von den Schülern selbst konstruiert und programmiert. Das von der Deutschen Telekom Stiftung geförderte Projekte „Junior-Ingenieur-Akademie“, kurz JIA, sorgt auch in diesem Jahr dafür, dass Schüler vom Otto-Hahn-Gymnasium aus Bensberg, Deutschland, nach Temeswar reisen, um sich mit Lenau-Schülern auszutauschen.
Das JIA-Projekt, das technisches Verständnis und interkulturellen Dialog miteinander verknüpft, brachte Schülerinnen und Schüler beider Schulen bei gegenseitigen Besuchen zusammen. Im vergangenen Herbst reisten die Lenau-Schüler nach Deutschland, wo sie nicht nur das Otto-Hahn-Gymnasium besuchten, sondern auch tiefere Einblicke in die Welt von Technik und Innovation erhielten. Auf dem Programm standen Besuche bei Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Workshops rund um Robotik und Programmierung sowie gemeinsame Projektarbeit mit den deutschen Partnern. Die Jugendlichen entwickelten kreative technische Lösungen, lernten moderne Fertigungsverfahren kennen und konnten ihre Kenntnisse in realitätsnahen Experimenten anwenden.
„Mir hat das Projekt sehr gut gefallen. Es war ein gelungener Austausch. Sowohl in Deutschland, als auch in Rumänien haben uns die Lehrer sehr schöne Aktivitäten vorbereitet. Das Roboter-Bauen hat uns viel Spaß gemacht – es war eine interessante Woche“, sagt David Peța aus der zehnten Mathematik-Informatik-Klasse an der Lenau-Schule, der später gerne Architektur oder Bauwesen studieren möchte. Adrian Hahne aus Deutschland, den David bei sich zu Hause beherbergte, steckte zusammen mit seinem Kollegen Jan hinter dem Parcours, den die Roboter gehen mussten. Er ist Mitglied in der Lego-AG an ihrer Schule. „Wir haben die Woche vor dem Austausch die Aufgaben während der Schulzeit aufgebaut und uns überlegt und dann musste jeder ein Teil davon mitnehmen“, erklärt er. „Mit unserer Lego AG nehmen wir jedes Jahr an einem Wettbewerb der ´First Lego League´ teil, wo es mehrere und schwierigere Aufgaben gibt, die man innerhalb von zweieinhalb Minuten lösen muss und da bereiten wir uns ein dreiviertel Jahr darauf vor“, sagt er. Das Lego-Set, mit dem die Schüler in Temeswar gearbeitet haben, ist das Lego Spike Prime – die Schüler aus Deutschland haben es extra für diese Gelegenheit ins Banat gebracht. Die Jugendlichen mussten dabei auf ihren Laptops/Computer die Roboter programmieren. Der Aufenthalt in Rumänien fand Adrian, der erstmals in Rumänien war, „sehr interessant, es hat mir Spaß gemacht“.
Auch Henner Papies, der Kunst und Physik am Otto-Hahn-Gymnasium unterrichtet, war das erste Mal in Rumänien. „Die grundlegende Idee dieses Wettbewerbs haben zwei unserer Schüler entwickelt. Das fußt alles darauf, dass wir uns in Bergisch Gladbach seit zwei Jahren mit Bienen beschäftigt haben. Wir digitalisieren einen Bienenstock und die Schüler bauen in diesen Bienenstock Sensorik ein. Das heißt, wir messen, wie warm ist es, welche Luftfeuchtigkeit wir haben, welcher Lautstärkepegel da drin herrscht. Wir haben eine Waage, das heißt, wir können immer relativ grammgenau sehen, wie viel Honig eingetragen wird oder wie viele Bienen morgens rausfliegen. Deswegen haben die Schüler das Robotik-Spiel ein bisschen an dem angelehnt, was Bienen machen“, erklärt der Lehrer, der zugleich auch als Imker tätig ist.
Die Roboter, die die Schüler programmiert haben, müssen nämlich ganz genaue Aufträge erfüllen – dafür gibt es immer nur zehn Minuten Zeit, wobei die anderen Schüler die Art und Weise, wie die Roboter programmiert wurden, benoten müssen. Die Schüler sind mit Begeisterung dem Programmieren nachgegangen und einen Tag vor der Präsentation bis am späten Nachmittag in der Schule geblieben, um an dem Projekt zu arbeiten. „Ich bin nie vorher in Rumänien gewesen, also ist alles in allem spannend. Was mich wirklich am meisten begeistert, ist, wie schnell diese Gruppe zusammengewachsen ist. Das ist total schön zu sehen. Wir haben gestern nur in müde Gesichter geschaut. Die sind teilweise bei der Programmierung am Rechner eingeschlafen, was aber einfach nur ein Super-Zeichen ist, weil die wirklich die ganze Zeit miteinander feiern, Party machen, Sachen unternehmen“, sagt Henner Papies.
Seit fünf Jahren bei dem Projekt dabei ist Johann Dentler, der Technik, Philosophie und Chemie am Otto-Hahn-Gymnasium unterrichtet. „Wir kennen diesen Standardunterricht, der getaktet ist nach 45 Minuten oder 60 Minuten, je nach Modell; und man wechselt nach jeder Stunde ins nächste Fach. Aber sich mit einem Projekt mal für eine Woche ganz tief auseinanderzusetzen und ganz tief in eine Materie wie hier in die Programmierung oder in die Mechanik einzuarbeiten, das gibt es selten im Unterricht. Dabei lernen die Schüler nicht nur einfach das Programmieren, sondern dann kommen so Sachen wie Frustrationstoleranz dazu oder eben auch Teamarbeit und ganz viel Kommunikation, Verantwortungsgefühl für sein eigenes Handeln, weil alle in ihrem Projekt drin sind und versuchen, etwas zu schaffen“, sagt er und hebt dabei die Bedeutung solcher Projekte hervor.
Daria Olărescu aus der zehnten Mathematik-Informatik-Klasse der Lenau-Schule, die in ihrer Freizeit leidenschaftlich gern Volleyball spielt, hat sich viele neue Kenntnisse im Rahmen des JIA-Projekts angeeignet. „Auch wenn Informatik nicht unbedingt mein Fach ist, habe ich sehr viele neue Sachen gelernt, die ich vorher gar nicht wusste. Ich habe gelernt, wie man Roboter baut, wie man programmiert – es war ein interessantes Projekt“, sagt Daria, die vor allem die Arbeit in Gruppen geschätzt hat. „Es war eine der besten Wochen meines Lebens, ich habe viele neue Freundschaften geschlossen“, schlussfolgert die Schülerin, die später mal Medizin studieren möchte.
Seitens der rumänischen Seite sind Physiklehrerin Helene Wolf und Informatiklehrerin Violeta Ruican für das Austauschprojekt zuständig. „Die Deutsche Telekom Stiftung finanziert im Rahmen der ´Junior-Ingenieur-Akademie´ Projekte im Bereich der Naturwissenschaften, der Technik, welche eben diese Fertigkeiten bei Schülern schon von früh auf entwickeln sollen. Bekannterweise arbeiten Schüler auch mit Begeisterung an solchen Projekten. Wir sind eigentlich froh, bei diesem Projekt mitmachen zu dürfen, als Partnerschule des Otto-Hahn-Gymnasiums. Das Projekt läuft bereits seit einigen Jahren und hat verschiedene Themen gehabt. Diesmal geht es um die Wetterbedingungen in einem Bienenstock bzw. wie man Roboter programmiert. Am Otto-Hahn-Gymnasium wurden die Wetterstationen gebaut und es wird auch eine Wetterstation an der Lenau-Schule eingerichtet und programmiert. Die Schüler können an der Lenau-Schule zeigen, wie sie ihre Lego-Roboter programmiert haben und was sie bereits damit machen können“, erklärt Physiklehrerin Helene Wolf.
Doch der deutsch-rumänische Austausch brachte allen weit mehr als nur die Vermittlungen von Kenntnissen im Technikbereich. Die Begegnung förderte internationale Freundschaften und zeigte, wie gemeinsames Forschen über Landesgrenzen hinweg gelingen kann. Das Projekt geht im nächsten Schuljahr weiter – mit neuen Ideen, spannenden Vorhaben und dem gemeinsamen Ziel, die Welt ein Stück technischer und menschlicher zu gestalten.