Telearbeit und Heimarbeit – neue Mode vor allem seit der Pandemie Wieviel Freiheit erlaubt das Gesetz – welche Tretminen und Fallstricke lauern?  

Ein klärendes Gespräch mit Christian Weident, Anwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei STALFORT Legal. Tax. Audit.

Mit der Pandemie haben wir gelernt, dass man viele berufliche Aktivitäten stressfreier, umweltschonender und oft auch effizienter von zu Hause oder gar von unterwegs durchführen kann. Heimarbeit oder – zumindest zeitweise –Telearbeit werden seither von vielen Angestellten als Incentive betrachtet. Und warum sollte, was  im Lockdown zu beiderseitiger Zufriedenheit hervorragend geklappt hat, nicht weiterlaufen können? Doch wieviel Flexibilität erlaubt der Gesetzgeber? Auf welche Tücken muss man achten, damit sich das Verhältnis Arbeitnehmer-Arbeitgeber stressfrei und für beide Seiten rechtlich sicher gestaltet? Was sollte unbedingt vertraglich festgehalten werden, was ist Vereinbarungssache? Wie sieht es mit Kontrolle, Arbeitssicherheit und Arbeitszeitregelung aus? Weil auch die ADZ von diesem Phänomen zunehmend betroffen ist, führte Chefredakteurin Nina May ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitsrecht-Experten Christian Weident von der deutschsprachigen Anwaltskanzlei Stalfort in Bukarest.

Herr Weident, was ist eigentlich der Unterschied von Homeoffice und Telearbeit, wie definiert das der Gesetzgeber?

Heimarbeit gilt als Erbringung der Arbeit von zu Hause aus, man denkt da meist an Dinge wie das Zusammenbauen von Überraschungseiern, das ist aber nicht mehr ganz aktuell und das Gesetz wurde noch nicht an die neue Realität angepasst. 

Was aber inzwischen angepasst ist, ist das Gesetz zur Telearbeit: Telearbeit bedeutet, dass der Mitarbeiter freiwillig und regelmäßig außerhalb des vom Arbeitgeber organisierten Arbeitsplatzes tätig ist und dazu Mittel der Telekommunikation nutzt. Auch, wenn jemand nur von zu Hause mit Mitteln der Telekommunikation arbeitet, leistet er also eigentlich Telearbeit.

Verschiedene Jobs erfordern ein unterschiedliches Maß an Anwesenheit. Aber auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter sind unterschiedlich: Manche möchten hauptsächlich zu Hause arbeiten, andere ein, zweimal die Woche, andere nur gelegentlich, etwa wenn die Kinder Ferien haben oder der Partner das Auto braucht. Wieviel Flexibilität ist da erlaubt?

Mittlerweile viel: Seit dem Telearbeitsgesetz von 2021 muss man im Arbeitsvertrag keinen konkreten Ort als Tele-Arbeitsplatz mehr angeben. Dies wird dahingehend ausgelegt, dass die Arbeit von verschiedenen – auch nicht konkret vereinbarten – Orten ermutigt wird. Dies bedeutet, man arbeitet entweder von zu Hause oder einem anderen Arbeitsplatz aus. Den Ort, oder auch mehrere Orte, sollte man vertraglich festhalten. Es gibt sogar eine Tendenz hin zu einem virtuellen Arbeitsplatz.

Was versteht man unter einem virtuellen Arbeitsplatz?

Es gibt Formen der Arbeit, etwa im Metaverse, wo der Arbeitsplatz physisch gar nicht zu erkennen ist – davon sind wir aber in der Praxis oft noch weit entfernt. Ein virtueller Arbeitsplatz bedeutet, dass die komplette Arbeitsumgebung virtuell eingerichtet ist. Der Arbeitnehmer kann von überall aus arbeiten und gibt sich überhaupt nicht persönlich zu erkennen, sondern als „Avatar/ Skin“ etc. Dies ist zum Großteil noch „Zukunftsmusik“. 

Darf man bei Vereinbarung von „Work from anywhere“ oder im Fall des virtuellen Arbeitsplatzes mit dem Laptop im Park oder Café sitzen?

Ja, das sehe ich so.

Was gilt dann im Falle mehrerer Orte als Arbeitsunfall? Etwa, wenn sich der Mitarbeiter von einem zum anderen Ort bewegt?

Es ist so, dass ein Unfall während der Arbeitszeit grundsätzlich als Arbeitsunfall gilt. Dies muss aber im Einzelfall anhand der Gesetzgebung ermittelt werden.

Stichwort Arbeitszeit: Was passiert, wenn ein Mitarbeiter außerhalb der klassischen, im Vertrag festgelegten Arbeitszeiten unterwegs ist? Bei uns zum Beispiel muss man ja oft auch auf Abend- oder Wochenendveranstaltungen, etwas recherchieren oder fotografieren gehen, oder der Interviewpartner hat nur nach Dienstschluss Zeit.

Dann wird man prüfen, ob bei der Gelegenheit Arbeitspflichten erfüllt wurden oder nicht. Wenn der Termin im Interesse des Arbeitgebers lag, wird dies eher als Arbeitsunfall gelten. Wenn jemand privat ins Theater geht, dann sicher nicht. Wenn aber z. B. die Kulturredakteurin behauptet, sie wollte über das am Abend besuchte Theaterstück für den Arbeitgeber schreiben, prüft man: Gibt es einen Auftrag in diesem Sinne, liegt das im Rahmen der Stellenbeschreibung? Oder man beurteilt es aus der gelebten Praxis: Hat sie bisher solche Artikel verfasst; lag es üblicherweise in ihrem Aufgabenbereich, für den Arbeitgeber über Kulturereignisse zu berichten?

Welche Konsequenzen hat das für den Arbeitgeber?

Direkte Folgen, in dem Sinne, dass man etwas befürchten muss, hat es nicht, sofern die nötigen Arbeitsschutzunterweisungen bzw. -Maßnahmen erfolgt sind. Aber der Arbeitgeber hat die Pflicht, bei manchen Arbeitsunfällen die Arbeitsinspektion einzuschalten. Das bedeutet viel Schreibarbeit und Bürokratie...

Wieviel Flexibilität erlaubt ein klassischer Arbeitsvertrag mit festgelegten Arbeitszeiten und Arbeitsplatz  – etwa, wenn jemand nur ab und an zu Hause arbeiten will?

Wenn im Vertrag ein fester Arbeitsplatz vorgesehen ist, dann ist dieser einzuhalten. Wenn jemand an einen anderen Ort geschickt wird, um Aufgaben für den Arbeitgeber zu erbringen, gilt das als Abordnung (delegare), das erfolgt durch einseitigen Beschluss des Arbeitgebers. In der Praxis soll das grundsätzlich schriftlich erfolgen; bei kurzfristigen Einsätzen wird dies nicht immer beachtet. Die Flexibilität, den Arbeitsplatz woanders einzurichten, ist aber ohne eine Vereinbarung problematisch, denn Telearbeit hat im Arbeitsvertrag zu erscheinen. Wenn eine Kontrolle seitens der Arbeitsinspektion erfolgt, drohen bei Zuwiderhandlung empfindliche Bußgelder von 10.000 Lei pro Fall.

Wie sieht das mit Zeitausgleich als Kompensation für den Abend- oder Wochenendeinsatz aus?

Zunächst gibt das Gesetz eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden und Ruhezeiten von 48 zusammenhängenden Stunden am Wochenende vor. Bei Nichtbeachtung bzw. Überschreitung muss grundsätzlich ein Freizeitausgleich erfolgen. Das Gesetz definiert alles, was über 40 Wochenstunden hinausgeht, als Überstunden. Diese müssen mit bezahlter Freizeit ausgeglichen oder, wenn nicht möglich, mit einem zusätzlichen Überstundenzuschlag bezahlt werden.

Die Arbeitszeiteinteilung muss aber nicht für alle die gleiche sein. Seit Oktober 2022 gibt es im Bereich Arbeitszeiten auch eine weitere Flexibilisierung. So dürfen Arbeitgeber und Arbeitnehmer flexible Lösungen vereinbaren, d. h. die Möglichkeit, die Arbeitszeiten an ihre Bedürfnisse anzupassen, etwa durch bestimmte Fernarbeitszeiten, individuelle Arbeitszeiteinteilung, gleitende Regelungen, etc. Auch in diesem Fall sind die Grundregeln bzgl. Regelarbeitszeit, Maximalarbeitszeit und Freizeit einzuhalten, die Einteilung der Zeiten ist nur eben flexibler.

Bei altmodischen Arbeitsverträgen mit festen Beginn- und Endzeiten stellt sich schnell die Frage nach Überstunden, die aber in der Praxis gar nicht vorliegen, wenn der Mitarbeiter später angefangen hat.

Wie die Arbeitszeiten eingeteilt werden, muss also im Einzelfall vereinbart werden. Wenn das für jeden Mitarbeiter unterschiedlich gehandhabt wird, sollte das auch im Arbeitsvertrag erscheinen.  

Inwiefern müssen Arbeitsstunden nachweisbar sein?

Es gibt eine klare Regelung im Arbeitsgesetzbuch: Wenn jemand einen festen Arbeitsplatz in einer Einrichtung des Arbeitgebers hat, dann muss der Arbeitgeber die Zeiterfassung – unter Angabe von Beginn und Ende – festhalten und im Fall einer Kontrolle vorlegen. Das kann über ein Buch oder elektronisch erfolgen, je nach den vorhandenen Mitteln. Die Arbeitsinspektion ist stark darauf aus, festzustellen, ob Überstunden abgeleistet und abgegolten werden, oder ob irgendwelche Formen der Schwarzarbeit geleistet werden. Das ist auch der Hintergrund, warum die Arbeitszeiterfassung strikt erforderlich ist.

Für die Telearbeit besteht eine Sonderregelung im Telearbeitsgesetz. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer eine schriftliche Vereinbarung über die Arbeitszeiterfassung treffen; es sollte daher im Arbeitsvertrag festgehalten werden, wie die Zeiten erfasst und mitgeteilt werden – und dies am besten täglich. Ein Telearbeitsvertrag muss auch unbedingt eine Überstundenregelung beinhalten, da Überstunden nur mit Zustimmung des Mitarbeiters geleistet werden dürfen. 

Wie sieht es mit Gesundheit am Arbeitsplatz und Arbeitssicherheit aus im Falle von Homeoffice oder Telearbeit?

Der Arbeitgeber hat Verpflichtungen in Verbindung mit dem Schutz von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Er muss Telekommunikation, Ausrüstung und Arbeitsmittel stellen, installieren und prüfen – es sei denn, dies wurde mit dem Mitarbeiter vertraglich anders vereinbart. Darüberhinaus gibt es eine Pflicht des Arbeitgebers zur Unterweisung im Arbeitsschutz – auch für Telearbeitnehmer.

Wie funktioniert das in diesem Fall?

Durch anfängliche und regelmäßige Unterweisungen, die auch dokumentiert werden müssen. Oft wird damit ein externer Dienstleister beauftragt, das sind Spezialisten, die über eine umfangreiche technische Dokumentation verfügen, die der Mitarbeiter zur Kenntnis nimmt und unterzeichnet. Hierbei handelt es sich bei der üblichen Telearbeit meistens um die Unterweisung zur Verwendung von Apparaten mit Bildschirm, allerdings kann dies von Fall zu Fall abweichen.

Bisher galt das bei Telearbeit auch für den Telearbeitsplatz, der feststehen musste, aber die Pflicht ist ja nun weggefallen und die Unterweisung wurde angepasst, sie bezieht sich jetzt inbesondere auf Arbeitsanweisungen für die Geräte, mit denen gearbeitet wird, Bildschirme und ähnliches. 

Es gibt von der EU Richtlinien zu vielen Arbeitsschutzaspekten. In Rumänien werden Standardunterrichtungen verwendet, diese muss allerdings jemand vornehmen, der eine arbeitsschutztechnische Ausbildung hat.

Was passiert, wenn jemand Telearbeit an einem oder mehreren bestimmten Orten ausführt und dann herauskommt, dass der Angestellte sich doch nicht dort befindet?

Wird die Arbeit an anderen als den vereinbarten Orten ausgeübt, kann dies für den Arbeitnehmer zunächst disziplinare Folgen haben. Zusätzlich stellt sich – vor allem bei Unfällen – die Frage, ob der Arbeitgeber ausreichend Aufsicht ausgeübt hat. In dieser Hinsicht gibt es laut unserer Erfahrung aber derzeit weniger Probleme. Ich gehe allerdings davon aus, dass es im Kontext der Telearbeit noch zu Problemen führen wird, wenn Unfälle in Situationen passieren, in denen man nicht einordnen kann, ob es sich um Arbeit handelte oder nicht.

Und wenn der Mitarbeiter in der Arbeitszeit zum Brötchenholen geht?

Das ist normalerweise kein Arbeitsunfall. Ein Arbeitsunfall während der Pause gilt nur an Orten als solcher, die der Arbeitgeber hierfür eingerichtet hat. Der Wortlaut des Gesetzes deckt die Öffentlichkeit in solchen Fällen grundsätzlich nicht ab.

Bei einem reinen Homeoffice oder flexiblen Arbeitszeiten kann sich der Arbeitnehmer zudem die Arbeitszeit meist selber einteilen, damit kann er auch seine Pausen flexibel einteilen: Wie immer ist es aber empfehelnswert, solche Aspekte in den Vertrag aufzunehmen, um sie eindeutig zu klären.

Auch bei Telearbeit hat der Arbeitgeber das Recht, den Arbeitnehmer zu kontrollieren – fällt das dann weg mit der flexiblen Arbeitszeit?

Nein. Der Arbeitgeber hat das Recht, den Arbeitnehmer z. B. mit elekronischen Mitteln zu kontrollieren, er hat aber keine Pflicht dazu. Im Vertrag muss nur geregelt sein, wie und zu welchen Zeiten eine solche Kontrolle erfolgt. Und wenn man als Arbeitgeber das Recht hat, dann sollte man dies in den Vertrag aufnehmen, selbst wenn man es tatsächlich nicht macht.

Was muss man als Arbeitgeber im Fall von Telearbeit noch beachten – gibt es Fallstricke, Tretminen?

Aufpassen muss man v. a. beim Datenschutz. Beim Einsatz von Mitarbeitern außerhalb der Struktur des Arbeitgebers ist das immer schwieriger und immer weniger kontrollierbar. Ein Beispiel: Es gibt öffentliche WLAN-Netze, die von jedermann genutzt werden können, und wenn man im Park oder Cafe mit dem Laptop arbeitet, kann dies datenschutzrechtlich problematisch sein. Hier sind Sicherheitsstandards dringend empfohlen, sonst kann es für den Arbeitgeber zu Problemen wie Datenverlust oder -Diebstahl oder gar zur Haftung gegenüber Dritten kommen.

Ferner ist die Telearbeit mit Auslandsbezug regelmäßig ein Problem. Ob und wie lange man sich in einem anderen Land aufhalten darf, ohne dort besteuert zu werden, ist im Einzelfall unterschiedlich. Es kann sich dabei auch die Frage stellen, ob der Ort, an dem sich der Mitarbeiter aufhält, aus steuerlicher Sicht eine Betriebsstätte des Arbeitgebers ist, was für diesen Steuerpflichten im Ausland auslösen kann.

Wichtig ist auch die Frage der Sozialversicherung: Da gibt es eine europäische Regelung, die sehr streng gehandhabt wird. Versicherungspflichtig ist man grundsätzlich immer am Tätigkeitsort. Dies gilt selbst für kurze Auslandsaufenthalte und auch für normale Angestellte, nicht nur für Telearbeiter. Um eine Pflicht im Tätigkeitsstaat zu verhindern, d. h. um weiterhin in der rumänischen Sozialversicherung zu bleiben, ist das sogenannte A1-Formular nötig. In allen Ländern der EU und des EWR bzw. der Schweiz gibt es die Möglichkeit, solche A1-Formulare einzuholen – in vielen Ländern (leider noch nicht Rumänien) ist dies auch kurzfristig möglich. In der Praxis sollte man unbedingt darauf achten, sonst gibt es Probleme, zum Beispiel wenn Unfälle passieren. In solchen Fällen stellt sich die Frage, welche Krankenversicherung aufkommen muss.

Und wenn jemand länger im Ausland tätig ist, stellt sich schließlich die nicht immer einfache Frage, welches Arbeitsrecht auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.

Wie informiert man sich am besten über laufende Gesetzesänderungen zum Thema? Bietet die Kanzlei Stalfort eine Dokumentation auf Deutsch, gibt es Newsletter oder empfehlenswerte Online-Quellen?

Unsere Kanzlei verfasst seit 15 Jahren wöchentlich Artikel für die ADZ-Rubrik „Recht und Steuern aktuell“. Darüber hinaus stellt sie allen interessierten Personen einen kostenlosen Newsletter in deutscher und rumänischer Sprache zur Verfügung, über den regelmäßig (und in besonderen Fällen durch Sondermeldungen) über relevante rechtliche und steuerliche Aspekte informiert wird. Interessenten werden gebeten, sich per E-Mail an bukarest@stalfort.ro zu wenden oder über unsere Website stalfort.ro den Newsletter zu abonnieren. 

Vielen Dank für das interessante Gespräch!