Treue ist kein leerer Wahn

Wenn zwei junge Menschen den Ehebund schließen und sich das Jawort geben, versprechen sie, alle Freuden und Leiden gemeinsam zu teilen und einander durchs ganze Leben die Treue zu halten. Wo dieses heilige Versprechen auch von beiden Eheleuten eingehalten wird, verwirklicht sich das Wort der Dichterin Marie Ebner-Eschenbach: „Soweit die Erde Himmel sein kann, ist sie es in einer glücklichen Ehe!“ Leider bringen viele Eheleute es nicht fertig, dieses Versprechen einzuhalten. Das Eheparadies verwandelt sich in ein Ehekreuz. Viele werfen dieses selbstgezimmerte Kreuz ab, um wieder „frei“ zu sein. Andere Ehepartner kämpfen um den Erhalt ihrer Ehe und beweisen damit das Schiller-Wort: „Treue ist kein leerer Wahn!“ Allerdings wird dabei auch das Goethe-Wort wahr: „Gar vieles zu erdulden verbindet ein einziges Jawort!“.

Hier wird eine Frau vorgestellt, die ihr Eheversprechen, trotz aller Untreue ihres Gatten, unverbrüchlich gehalten hat. Es ist die selige Elisabetta Mora.
Sie wurde am 21. November 1774 in Rom als Tochter des adeligen Gutsherrn Tomaso Canori geboren. Schon als Kind zeigte sie sich für alles Religiöse aufgeschlossen. Ihre Ausbildung genoss sie zu Cascia in Umbrien. Man glaubte, sie wolle Ordensfrau werden. Da erkrankte sie an Tuberkulose. Die Eltern nahmen sie nach Hause. Im Schoße der Familie wurde sie wieder gesund und fand als junges Mädchen Gefallen an den „Freuden der Welt“. Elisabetta schmiedete nun Heiratspläne. Sie verliebte sich in den jungen Juristen Cristofero Mora und schloss 1796 mit ihm den Bund der Ehe.

Die ersten Monate glichen immerwährenden Flitterwochen. Cristofero war stolz auf seine junge schöne Gattin und nannte sie seine „kostbare Perle“. Der Ehe entsprossen zwei Mädchen, Marianna und Lucina. Aber das Glück währte nicht lange. Der Ehegatte begann, seine Frau mit einer krankhaften Eifersucht zu überwachen. Er wollte seine Gattin für sich allein haben und betrachtete sie als seinen „Besitz“. Elisabetta litt schwer darunter, ertrug es aber schweigend, denn sie wollte die Harmonie ihrer Ehe um jeden Preis bewahren. Da geschah für sie das schier Unfassbare. Nach einigen Ehejahren schlug bei ihm ganz plötzlich die Liebe in Kälte um. Der Grund: Er war einer anderen Frau verfallen. Er entfernte sich seelisch immer mehr von der Gattin und den Kindern, gab sich dem Vergnügen, der Spielsucht und obskuren Geschäften hin. Die sehr schmerzlichen Folgen dieser Lebensweise waren für Elisabetta und die Kinder, dass bald nicht mehr das nötige Geld für den Lebensunterhalt im Hause war.

Elisabetta verhielt sich in der dramatisch zugespitzten Familiensituation vorbildlich. Sie schloss sich umso inniger dem christlichen Glauben an. Sie opferte Gott ihr Leben für das Seelenheil und die Bekehrung des Gatten. Ihm gegenüber blieb sie verständnisvoll und vergebensbereit. Als ihr Mann schwer erkrankte, verkaufte sie sogar alles, was sie noch besaß, um ihn gesund pflegen zu können und vor dem drohenden Gefängnis wegen seiner großen Schulden zu bewahren.

Ihre Familie und sogar ihr Beichtvater drängten darauf, sie solle sich von ihrem untreuen Gatten trennen. Es war die, vom Kirchenrecht erlaubte, sogenannte Trennung von Tisch und Bett. Doch Elisabetta weigerte sich. Ebenso vorbildlich wie in ihrer ehelichen Treue, war sie in der liebevollen Erziehung ihrer Töchter. Marianna wählte später den Ehestand, Lucina wurde Ordensfrau. Elisabetta wirkte auch viel sozial. Sie widmete sich den Armen und Kranken, sogar den Prostituierten. Dem Trinitarier-Orden trat sie als weltliches Mitglied bei. Dieser Orden machte es sich zur Aufgabe, Christensklaven in Nordafrika loszukaufen.

Als die 50-Jährige ihren Tod nahen fühlte, empfahl sie ihren Töchtern, für die Bekehrung des Vaters innig zu beten. Sie starb zu Rom am 5. Februar 1825. Kurz nach ihrem Tode geschah die wunderbare Gebetserhörung. Ihr Gatte bekehrte sich, wurde Franziskaner und Priester und starb heiligmäßig. Papst Johannes Paul II. sprach diese Heldin ehelicher Treue am 24. April 1994 selig.