Über Messungen und Maßnahmen

Warum Bukarest unter schmutziger Luft leidet und was dagegen unternommen wird

Bukarest im Smog | Foto: Ecopolis

Das Problem als Ganzes ist abstrakt und doch in seinen Auswirkungen ziemlich konkret – Luftverschmutzung. Manchmal kann man sie riechen, spüren oder sehen, in jedem Fall kann man sie messen. Immer wieder überschreiten in Bukarest die Messungen von bestimmten Schadstoffen in der Luft die zulässigen Höchstwerte. Besonders häufig im Winter.

Ein ziemlich kalter Tag Ende Februar 2025, der Autor schreibt an diesem Artikel. Im staatlichen Monitoring der Luftqualität, betrieben von der Nationalen Umweltschutzbehörde (ANPM), zu verfolgen auf calitateaer.ro, sind über 20 der 30 Messstationen in Bukarest und Ilfov hellrot oder bordeaux-rot eingefärbt. Dort ist die Luft zu diesem Zeitpunkt schlecht oder sehr schlecht.

Die NGO Ecopolis dokumentiert bereits seit 15 Jahren Luftverschmutzung in der Hauptstadt und baute 2019/2020 ein eigenes stadtweites Netz an Sensoren zur Messung der Konzentration verschiedener Schadstoffe in der Luft auf, weil sie das offizielle Monitoring für mangelhaft befand (die Werte sind für jeden öffentlich auf aerlive.ro einzusehen).

Ende letzten Jahres lancierte Ecopolis die Internetseite „Stopsmog!“ und den Bericht „Verbrannte Luft. Heizen ohne Verschmutzung“. Dieser beinhaltet eine Analyse der Feinstaubbelastung (in diesem Fall der feinere PM 2,5, der noch tiefer in die körperlichen Organe vordringen kann als PM10) an drei Orten in Bukarest im Zeitraum November 2023 bis November 2024.

Die Erkenntnisse: An den 3 Messpunkten wurden 31, 35 und 50 Tage mit Überschreitungen des gesetzlichen Grenzwerts verzeichnet. Die Kurven zeigen alle denselben Verlauf: Sobald die Temperaturen unter 10 Grad fallen, steigen die PM 2,5-Werte schnell über die rote Linie, sobald die Heizsaison vorbei ist, liegen sie wieder konstant darunter.

Eine Auswertung aller 44 Messpunkte des Aerlive-Netzes im entsprechenden Zeitraum ergab, dass die Feinstaubbelastung im Winter um 85 Prozent höher lag als im Sommer. Die Erklärung: Das Heizen, insbesondere mit „festen Brennstoffen: Holz, Pellets, diversen Materialien, sogar Abfällen“, – vorwiegend am Stadtrand weiterhin verbreitet – verpestet die Luft und sorgt für Smog.

Laut Cristian Iojă, Professor für Umweltstudien an der Universität Bukarest, hat sich das Problem in den letzten Jahren sogar noch verschärft. Die wirtschaftliche Entwicklung samt Inflation und steigender Preise habe insbesondere ärmere Haushalte getroffen, die häufig „individuell“ heizen. Je knapper das Geld, desto schlechter das Heizmaterial, desto höher die Verschmutzung – so die These, die er im Videogespräch äußert.

Heizen, Verkehr, Müll und natürliche Nachteile

In der kalten Jahreszeit, in der die atmosphärischen Bedingungen zusätzlich die natürliche Zerstreuung von Partikeln hemmen, treffen die durch das Heizen ausgestoßenen Schadstoffe auf ein ohnehin hohes Volumen an Abgasen, für welche der motorisierte Bukarester Verkehr verantwortlich ist. Dieser bleibt auf das ganze Jahr betrachtet die größte Verschmutzungsquelle und nimmt weiter zu, wie man anhand der Zahl der registrierten Autos sieht.

Einen weiteren erheblichen Beitrag leisten illegale Müllverbrennungen durch Firmen im Umland Bukarests, die eigentlich zum „Müllmanagement“ autorisiert sind. Die vielfachen menschengemachten Ursachen der Luftverschmutzung und deren Gewichtung lassen sich in einem Bericht zum „Stand der Umwelt in Bukarest“ nachlesen, den Prof. Iojă 2022 für die „Platforma de Mediu București“ angefertigt hat.

Bukarests geografische Lage ist weder durch größere Luftströmungen geprägt, welche eine Ansammlung von Schadstoffen erschweren würde, noch begünstigt sie das Wachstum von Wäldern bzw. Grünflächen, die diese absorbieren. In dieser ungünstigen Ausgangslage ist die Stadt umso mehr auf einen positiven Einfluss des direkten Umlands angewiesen. Saubere Luft im Gegenzug für Arbeitsplätze und die Vorzüge einer Großstadt in der Nähe sozusagen. Doch dieser Deal funktioniert für Bukarest nicht.

Menschengemachte Verschmutzung in der Umgebung, unter anderem durch Müllverbrennung, trägt zur schlechten Luft in der Metropole bei; städtebauliche Maßnahmen wie die sich ausweitende Bebauung der Stadtränder und Hochhausriegel, welche die Luftfluktuation blockieren, sind Teil des Problems. Umso mehr betont Professor Iojă die Notwendigkeit eines überregionalen Ansatzes zur Verbesserung der Situation.

Ein fehlender Plan und viel Streit

Bleiben wir jedoch zunächst bei Bukarest. Aufgrund der beschriebenen Probleme, die sich in schlechten Messwerten manifestieren, und sich daraus ergebender gesetzlicher Verpflichtungen müsste die Stadt eigentlich einen sogenannten integrierten Plan zur Luftqualität, auf rumänisch abgekürzt PICA, haben. Diesen gibt es jedoch aktuell nicht.

Das Thema hat durchaus eine gewisse politische Brisanz. Über zehn Jahre schlug sich Rumänien mit einem 2010 durch die EU-Kommission angestoßenen Vertragsverletzungsverfahren – in dem es explizit um die Situation in Bukarest ging – wegen mangelhaftem Schutz seiner Bürger vor Luftverschmutzung herum. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigte im April 2020 die Position der Kommission und deren Vorwurf „andauernder und systematischer Nichteinhaltung“ der PM 10–Grenzwerte in den Jahren 2007 bis mindestens 2016, verhängte jedoch keine Sanktionen.

In den letzten Jahren findet der Streit auf nationaler Ebene statt: Die dem Umweltministerium unterstellte Umweltbehörde „Garda de Mediu“ sprach 2024 gegen die Bukarester Stadtverwaltung zwei Geldstrafen in Höhe von insgesamt 200.000 Lei wegen fehlender Maßnahmen gegen die Überschreitung von Feinstaubwerten aus.

Während der Autor an diesem Artikel schreibt, verkündet die „Garda de Mediu“, dass sie „eine neue Kontrollaktion in der Stadtverwaltung durchführt“. Hintergrund seien seitens der Nationalen Umweltschutzbehörde erhaltene  Informationen über „extrem erhöhte Werte der Konzentration von Feinstaub (PM 2,5 und PM 10), registriert an den Tagen 25. und 26.2.2025 sowie seit Jahresbeginn (eine Periode, in der 19 Überschreitungen der Indikatoren für PM 2,5 und PM 10 registriert wurden)“. Zudem bezieht sie sich auf den nach wie vor fehlenden PICA.

Bürgermeister Nicușor Dan warf wiederum der „Garda de Mediu“ bei TVR Info im letzten Jahr vor, selber zu dem Problem beizutragen, in dem sie die illegalen Müllverbrennungen im Umland nicht wirksam kontrollieren würde. Auch die befragten Experten sehen deren Rolle kritisch und stimmen letztlich überein, dass es weniger um den Plan an sich gehe, als um dringend benötigte effektive Maßnahmen.

Verkehrswende, Grünflächen und mehr Monitoring

Nach diesen gefragt legt die Stadtverwaltung bzw. deren Abteilung für Umwelt der ADZ eine beträchtliche Liste vor. Sie spricht im Kontext des PICA – als Grund für dessen Verzögerung werden Probleme genannt, benötigte fachliche Expertise zur Unterstützung zu akquirieren – von „Übergangsmaßnahmen bis zu dessen Realisierung“, welche auch dem Umweltministerium und der EU-Kommission kommuniziert worden seien.

Es handelt sich dabei überwiegend um Maßnahmen, die mittel- bis langfristig wirken, Sofortmaßnahmen sind es eher nicht. Wobei sich die Frage stellt, ob das Bürgermeisteramt dafür  die entsprechende gesetzgeberische Kompetenz besitzt – man denke z. B. an Fahrverbote oder -beschränkungen an Tagen mit hoher Belastung. Immerhin hat es durchgesetzt, dass an den Wochenenden in den wärmeren Monaten die Calea Victoriei und teilweise weitere Hauptstraßen tagsüber für den Autoverkehr gesperrt werden.

Inhaltlich lassen die meisten genannten Maßnahmen sich grob folgenden Kategorien zuordnen: Verkehr, Heizen, Grünflächen und Monitoring. Im ersten Feld geht es darum, eine Veränderung der Art und Weise herbeizuführen, hin zu schadstoffarmen oder -freien Mobilitätsformen. Essentiell ist dabei die Erneuerung und Ausweitung des Öffentlichen Nahverkehrs.

Von der Diagnose ausgehend, dass Bukarest grundsätzlich zu wenig Grünflächen hat, beschreibt das Bürgermeisteramt seine Rolle als deren Beschützer. „Eine erste systematische Aggression gegen die Grünflächen erschien in Form der PUZ Planul Urbanistic Zonal, eine Art Flächennutzungsplan) der Sektoren“, durch welche ca. 600 Hektar Grünfläche verschwunden wären. Durch administrative und juristische Maßnahmen habe man die negativen Auswirkungen erheblich abmildern können.

Die Stadtverwaltung verweist zudem auf ein „Monitoringsystem der Luftqualität“, um „spezifische präventive Aktionen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung insgesamt und zum Schutz von sensiblen Gruppen, Kindern im Besonderen festzulegen“. Damit bezieht es sich auf das Anbringen von 44 Sensoren für PM 2,5 und NO2, überwiegend vor Schulen und Krankenhäusern, im Rahmen der Cities4health-Partnerschaft (infoaer.pmb.ro), sowie eigene stichprobenartige Messungen mit einem mobilen Labor, um akute Verschmutzungsquellen aufzudecken und an die Behörden zu melden.

Gesetze und gesellschaftliche Initiative

Doch nicht nur die Stadt bzw. die Region ist gefragt: Der nationale Gesetzgeber hat es in der Hand, die Rahmenbedingungen für bessere Luft zu setzen. Ein Meilenstein sollte dabei das „Gesetz zur nachhaltigen urbanen Mobilität“ von März 2023 sein – ein Bestandteil des rumänischen Aufbau- und Resilienzplans (PNRR), über den auch Bukarest EU-Mittel zur Finanzierung der angestrebten Verkehrswende erhält.

Es sieht unter anderem die Einrichtung von „emissionsreduzierten Zonen“ bis Ende Mai 2025 vor, ähnlich der deutschen Umweltzonen, mit unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Städte. Zu den 13 verpflichteten Städten gehört auch Bukarest. Allerdings ist bisher wenig darüber zu hören, wann und wie die Hauptstadt das Gesetz umsetzen wird. Im parlamentarischen Verfahren befindet sich zudem eine Gesetzesinitiative zur Besteuerung von Gebrauchtwagenimporten. In den letzten Jahren wurden jeweils über 300.000 gebrauchte Fahrzeuge nach Rumänien eingeführt – ein erhebliches Verschmutzungspotenzial.

Einen wesentlichen Beitrag kann auch die Zivilgesellschaft leisten. Oana Neneciu leitet das „Zentrum für nachhaltige Politiken – Ecopolis“. Neben der Dokumentation von Luftverschmutzung in der Hauptstadt, öffentlichkeitswirksamen Kampagnen und politischer Lobbyarbeit versucht ihr Team vor allem Veränderungen im Kleinen anzustoßen, berichtet Neneciu.

Mit der Kampagne „Oprește motorul!“ (Stell den Motor ab!) möchte Ecopolis Autofahrer dazu bewegen, vor Bildungseinrichtungen nicht mehr mit laufendem Motor zu halten. Teilnehmende Schulen und Kindergärten wurden mit Schildern ausgestattet. Aus der lokalen Initiative ist inzwischen ein Gesetzesprojekt geworden, eine Regelung im Verkehrsgesetzbuch, die ab einer Standzeit von 5 Minuten das Laufenlassen des Motors unter Strafe stellt. Das Gesetzesprojekt steht dafür, dass Veränderungen auch von unten angestoßen werden können.

Oana Neneciu ist in diesem Zusammenhang überzeugt davon, dass man das Thema sozusagen aus der Umweltecke herausholen und die gesundheitlichen Folgen in den Mittelpunkt stellen muss. Der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs bzw. Herz-Kreislauferkrankungen ist wissenschaftlich klar belegt. Die Frage ist, ob die Erkenntnis ausreicht, das eigene Verhalten zu ändern.


„Wir wissen wir haben ein Problem mit Luftverschmutzung, das Monitoring zeigt immer wieder rot an, aber es gibt darauf keine Reaktion. Die Behörden wissen, dass Maßnahmen wie Verkehrsbeschränkungen sehr unpopulär sind. Letztlich ist Bukarest eine Auto-Stadt mit Auto-basierter Wirtschaft.“
Prof. Cristian Iojă


„Das Problem ist nicht der Plan. Das Problem ist, dass Luftverschmutzung keine politische Priorität ist. Es ist sehr wichtig, den Leuten zu sagen: Es ist keine Umweltsache, es ist eine Gesundheits- und Wirtschaftsfrage!“ Oana Neneciu