Ungarndeutsche Literatur lebt

Der Verband ungarndeutscher Autoren und Künstler traf sich in Baja

Generalversammlung und Vorstandswahlen: Am 29. September kamen die Mitglieder des Verbandes zur jährlichen Sitzung zusammen.
Foto: Bajtai László/VUdAK

„Es tut doch weh/ Wenn es vorbei ist“, schreibt Koloman Brenner in seinem Gedicht „Nein“. Der Schriftsteller thematisiert häufig in seiner Lyrik die Situation der deutschen Minderheit in Ungarn. Nicht selten sprechen ungarndeutsche Autoren von Identitätsfindung und -erhaltung. Die meisten Autoren – vorwiegend Dichter – schreiben oft von der schweren Vergangenheit der Minderheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Deutschen aus Ungarn vertrieben, enteignet, zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Vor dem Krieg waren sie Opfer der Magyarisierung. Um das Deutsch-tum wurde jahrzehntelang gerungen.

Gänzlich ausgestorben ist die Minderheit nicht. In einigen Regionen hält sich die ungarndeutsche Gemeinschaft noch wacker. Es wird viel in Richtung Kulturarbeit unternommen, um ein mögliches Aussterben zu verhindern. Der Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) fördert seit 20 Jahren ungarndeutsche Literatur und Kunst. Mehrere Generationen sind in dem Verband eingeschrieben, die Zahl der Mitglieder schwindet. Von den schweren Nachkriegsjahren spricht vorwiegend die ältere Generation, bei der jüngeren mischen sich auch modernere Themen dazu. Inzwi-schen stoßen Tradition und Moderne aufeinander. „Die Ungarndeutschen gehören noch nicht ins Museum“, findet die Kunsthistorikerin Borbála Cseh. Gerade darum begrüßt sie eine der jüngsten Initiativen von VUdAK, wodurch ungarndeutsche Schriftsteller zusammen mit ungarndeutschen Künstlern in einem Album vorgestellt werden.

„Die in VUdAK eingeschriebenen bildenden Künstler sind Stars“, meint die Dichterin Angela Korb. Viele Bildhauer und Maler stellten bereits international aus. Früher hätte man von der Kunst noch leben können, seit der Krise nicht mehr richtig, finden die Künstler. Solche Ansprüche stellen die Schriftsteller nicht. Jeder schreibt neben dem Beruf. Christine Arnold arbeitet als Minderheitenjournalistin im Rundfunk, Fernsehen sowie Print. In dem ungarndeutschen Wochenblatt „Neue Zeitung“ veröffentlicht Arnold regelmäßig Artikel. Besonders ihre anekdotenhaften Berichte über ihre drei Kinder werden von Lesern der Zeitung gerne gelesen. Auch sie greift in ihren Gedichten die Problematik der Identitätsfindung der Ungarndeutschen auf. Angela Korb würde die Vergangenheit manchmal gerne ruhen lassen. Man müsste auch andere Themen anreißen, findet die Schriftstellerin. Gleichzeitig fördert Korb die ungarndeutsche Mundartliteratur.

Jahrestreffen  des VUdAK

Ende September fand in der südungarischen Frankenstadt/Baja das jährliche Treffen des Verbandes ungarndeutscher Autoren und Künstler statt. Das neue Album „ZeiTräume“ wurde am Freitag, dem 28. September, im Haus der Nationalitäten vorgestellt. In dem Buch werden jeweils ein Schriftsteller und ein bildender Künstler gemeinsam vorgestellt. Bei der Präsentation des Buches wurde eine kleine Ausstellung mit den im Album veröffentlichten Werken der Künstler veranstaltet sowie eine Lesung gehalten. Am Vormittag des gleichen Tages besuchten die Schriftsteller von VUdAK das ungarndeutsche Bildungszentrum Baja. Über 600 Schüler besuchen hier den Kindergarten, die Grundschule und das Gymnasium. Es ist eine der größten Einrichtungen der deutschen Minderheit in Ungarn. Schüler der Deutsch-Ungarischen Abteilung können gleichzeitig das ungarische und das deutsche Abitur erwerben. Gerade an solchen Schulen, wo die deutsche Sprache und Kultur gefördert wird, müsste man auch die ungarndeutsche Literatur vorstellen, finden die Vertreter von VUdAK. Darum lasen die Autoren den Schülern vor und führten mit ihnen Gespräche über die Geschichte und Tradition der ungarischen Minderheitenliteratur.

In diesem Jahr fanden auch Vorstandswahlen statt. Der langjährige Leiter des Verbandes, Johann Schuth, wurde einstimmig von den anwesenden Mitgliedern wiedergewählt. Neben Schuth gibt es noch zwei Beauftragte für die Künstler- und die Literatursektion. Der Vorstand wird satzungsgemäß für fünf Jahre gewählt. Auf der jährlich stattfindenden Generalversammlung wurden, laut den Aussagen der Teilnehmer, die gleichen Punkte aufgegriffen wie im Vorjahr: Eine neue attraktive Webseite soll erstellt werden, um die Tätigkeit des Verbandes und ihrer Mitglieder besser vorzustellen. Dabei fügte Angela Korb hinzu, dass man lieber eine professionelle Agentur mit der Neuausrichtung beauftragen sollte.

Borbála Cseh schlug vor, dass man an Präsentationsfilmen mitsamt DVD arbeiten sollte. Mit Hilfe von Mitgliedern, die im Fernsehen arbeiten, könnte man professionelle Videos produzieren, in denen sowohl die Geschichte des Verbandes, als auch die aktuelle Tätigkeit präsentiert werden. Werbung sei besonders wichtig für den Verband und die Minderheit. Und gerade hier bestünde dringend Nachholbedarf. Besprochen wurde auch der Austragungsort des näch-sten VUdAK-Treffens 2013. Als erster Vorschlag wurde Temeswar genannt. Schließlich musste die rumänische Stadt einer deutschen weichen. Viele bevorzugten die zweite Option, nämlich Stuttgart. Momentan wisse man allerdings noch nicht, ob das Geld dafür ausreichen würde.

Werkstattgespräche und Geschichtsstunde

Jedes Jahr finden auch Werkstattgespräche statt. Dabei kommen die Autoren zusammen, um sich gegenseitig ihre Texte vorzulesen und sie dann in der Runde zu besprechen. Der neue VUdAK-Sektionsleiter für Literatur, Robert Becker, stellte über 60 seiner Gedichte vor, die in den letzten 20 Jahren entstanden sind. Diese Gedichte sollen künftig in einem Band erscheinen. Neben Gedichten wurden auch kurze Prosatexte vorgestellt. Darunter auch einige Sprachexperimente, in denen die Mundart mit eingebaut wurde. Zum Abschluss fand noch eine Ausfahrt in das ungarische Schwabendorf Nadwar/Nemesnádudvar, wo das alljährliche Weinfest organisiert wurde, statt.

Der Demokratische Verband der Deutschen in Ungarn hatte 1972 eine literarische Sektion für ungarndeutsche Autoren gegründet. In der historischen Burg von Petsch-war/ Pécsvárad trat kurz nach der Wende auf der internationalen Konferenz „Die ungarndeutsche Literatur und ihr internationales Umfeld“ der Verband Ungarndeutscher Autoren e. V. zusammen. 1992 wurden in den Verband auch ungarndeutsche Künstler aufgenommen. Seitdem besteht der heutige VUdAK. Am 17. Oktober soll auf der diesjährigen Gemeinschaftsausstellung im Haus der Ungarndeutschen in Budapest auch das 20-jährige Jubiläum des Verbandes gefeiert werden.

Die ungarndeutsche Minderheit hat die gleichen Probleme wie die Rumäniendeutschen. Die Mitglieder werden immer älter und die Jugend rückt nicht nach. Zwischenzeitlich sorgt man sich um den Erhalt der Traditionen und auch um den Erhalt der Sprache. Gerade hier versuchen die ungarndeutschen Schriftsteller die Stellung zu halten und eine deutschsprachige Literatur zu pflegen, die außerhalb des deutschsprachigen Raums bestehen muss.