Unser Lebenswerk

Die Weissagung Jesu vom Ende der Welt und von den Zeichen, die diesem Ende vorausgehen werden, hat schon viele Menschen in ihren Bann geschlagen. Sie lesen aber aus diesen Worten mehr heraus als Christus wirklich mitteilen wollte. Wir sind gerade auf das neugierig, worüber er keine Angabe machte, nämlich über den Zeitpunkt des Weltendes. Fast in allen Jahrhunderten haben sich Pseudopropheten zu Wort gemeldet und das baldige Ende der Welt vorausgesagt. An scheinbaren Zeichen, die als Vorläufer des Weltendes gelten könnten, hat noch nie Mangel geherrscht. Denn immer wieder brachen Naturkatastrophen über große Gebiete und ganze Länder herein: Erdbeben, Unwetter, Überschwemmungen, Dürre und Hungersnot. Dazu gesellten sich die von Menschen verursachten Katastrophen: mörderische Kriege, Zerstörungen, Brandschatzungen und Epidemien, wie Cholera und Pest, die ganze Landstriche entvölkerten. Solche Notzeiten sind seit jeher der günstige Nährboden für Weltuntergangspropheten.

Es ist barer Unsinn, sich von Weltuntergangspropheten in eine Angstpsychose hineinhetzen zu lassen. Wie lange die Welt noch Bestand haben wird, das weiß nur Gott allein, und Er wird es keinem Menschen auf die Nase binden. Für uns, für dich und mich, kommt das Ende der Welt dann, wenn wir im Tode die Augen schließen. Und das wird in nicht allzu ferner Zeit geschehen. Richten wir deshalb unser Interesse lieber auf das, was an uns nach dem Weltende herantreten wird. Wir stehen diesen Ereignissen nicht machtlos gegenüber. Unser ewiges Schicksal wird von dem Lebenswerk bestimmt werden, das wir auf Erden vollbracht haben. Was wird unser Lebenswerk sein?

Die große heilige Hildegard von Bingen (+1179) hatte einmal ein merkwürdiges Gesicht. Sie sah eine Schmiede, darin stand ein Kind. Es hatte ein Schürzlein an und einen kleinen Hammer in der Hand. Mit diesem Werkzeug schlug es emsig auf ein glühendes Eisen. Während es unermüdlich weiterhämmerte, verwandelte es sich in einen Jüngling. Auch dieser hämmerte ohne Unterlass an diesem Eisenstück, allerdings mit einem größeren Hammer und mit wuchtigeren Schlägen. Aus dem Jüngling wurde ein Mann, der pausenlos das Eisenstück bearbeitete. Aus dem Mann wurde ein Greis. Auch er hämmerte unermüdlich weiter. Doch eines Tages legte er den Hammer aus der Hand, nahm das Schurzfell ab und legte sich zum Sterben nieder. Die Seele des Schmiedes schwebte zum Himmel empor. Als sie aber vor das Himmelstor kam, war es mit einem mächtigen Riegel verrammelt. Der Schmied untersuchte den Riegel – und erschrak. Der Riegel war das Eisenstück, an dem er von Kindesbeinen an bis ins hohe Greisenalter gehämmert hatte. Mit seinen kleinen und großen Sünden hatte er als Lebenswerk einen Riegel geschmiedet, der ihm das Himmelstor verschloss.

Jeden von uns hat Gott in die Schmiede des Lebens gestellt. Wir schmieden und hämmern drauflos, eingedenk des Sprichworts: „Jeder ist seines Glückes Schmied!“. Es hängt nun alles davon ab, was wir unter „Glück“ verstehen. Wenn wir es in einem fetten Bankkonto oder in der „freien Liebe“, in Gaumenfreuden und materiellen Gütern auf Kosten des Gottesglaubens, des Gewissens und der Tugend suchen, kurz und klar: Wenn wir das Glück gleichstellen mit einem sündigen Leben – dann wird unser Lebenswerk nur ein selbst geschmiedeter Riegel am Himmelstor sein. Wollen wir Riegelschmiede sein?

Es gibt ein besseres Handwerk. Verlegen wir uns auf das „Schlüsselmachen“. Die nötigen Werkzeuge wurden uns bei der Taufe in die Wiege gelegt: Glaube, Hoffnung und Liebe. Mit dem Hammer des Glaubens schmieden wir auf dem Amboss der Hoffnung unser im Feuer der Gottesliebe glühend gemachtes Erdenleben. Formen wir es zu einem Schlüssel, der in das Himmelstor passt. Das soll unser Lebenswerk werden: Schlüssel zum Himmelstor. Dann ist es für uns belanglos, wann das Ende der Welt kommt. Das sei unser Beruf: statt Riegelschmiedemeister Himmelsschlüssel-Schlosser!