Viele Projekte, wenig Handeln

Die Bausubstanz in Kronstadts Innerer Stadt zerfällt mehr und mehr

Innenansicht eines durch den Eigentümer musterhaft restaurierten Hauses in der Purzengasse, kurz vor der Abnahme.

Eingestürzter Dachgiebel eines Hauses am Marktplatz im November 2013.

Nachträglich vor Ort gegossener Fenstersturz aus Beton, darüber frei liegendes Mauerwerk. Der Putz wurde durch Einfrieren des herabfließenden Regenwassers zerstört.

Das Fundament dieses Hauses am Rosenanger/Piaţa Enescu liegt wegen des stetig angehobenen umliegenden Geländes heute viel zu tief. Das feucht gewordene Mauerwerk wurde durch eine eingelegte Noppenfolie abgedichtet.
Fotos: Hans Butmaloiu

Kronstadt/Braşov, behauptet von sich – und das mit gutem Recht –, eine Stadt zu sein, welche auf Urlauber und Touristen wie ein Magnet wirkt. Geworben wird in Prospekten und Reiseführern mit Baudenkmälern wie Altes Rathaus und Schwarze Kirche oder mit der Altstadt, letztere eine irreführende Bezeichnung für die Innere Stadt innerhalb der Stadtmauern. Zur Rettung/Restaurierung/Sanierung der Gebäude in diesem Stadtteil wurden mehrere Initiativen gestartet, Vereine und Verbände gegründet und 2012 auch eine Tagung mit Fachleuten veranstaltet. Davon haben mit Sicherheit viele gehört, doch was bekommt der Spaziergänger durch die Innere Stadt zu sehen und, vor allem, woran liegt es überhaupt, dass so wenig konkrete Maßnahmen bisher wirksam wurden? Dies soll ein bescheidener Versuch sein, auf einige der Fragen – unter Einbeziehung fachmännischer Feststellungen – zu antworten.

Worum geht es?

Die Innere Stadt besteht aus 21 bebauten Flächen, welche je einen Häuserblock bilden und die ein ganz besonderes Merkmal aufweisen: Es sind kompakte Einheiten, in welchen es keinen Freiraum zwischen den Häusern gibt. Diese sind zwar selbstständige Gebäude, doch stützen sie sich alle Wand an Wand. Einige wenige haben auch gemeinsame Keller, welche unter mindestens zwei Häusern durchgehen.
Die heutigen 21 voll bebauten Flächen entstanden nach und nach während der Jahrhunderte und weisen noch Elemente ihrer Bauperiode auf (Stützbögen in den Innenhöfen, Stützpfeiler usw.); sie haben demnach auch ein unterschiedliches Alter. Ganz allgemein: Die ältesten Gebäude finden wir vorwiegend im Bereich um die Schwarze Kirche und entlang der Stadtmauer zur Zinne/Tâmpa, weniger entlang der Fußgängerzone Purzengasse/Str. Republicii oder Klostergasse/Str. Mureşenilor.

Eine vom Bauamt erstellte Karte, in welcher die Gebäude von historischem Wert hervorgehoben sind, stuft diese nach Alter in eine Gruppe ein, deren Häuser älter als 200 Jahre alt sind, in eine zweite mit 150 Jahre alten Gebäuden und eine dritte mit weniger als 100 Jahre alten. Die sehr wenigen neueren Gebäude verändern das Gesamtbild nicht. So gut wie alle wurden im Verlauf der Zeit Änderungen und Anpassungen unterzogen, einerseits wegen technischer Neuerungen wie Strom, Gas, Wasser und Abfluss, andererseits auch weil der Eigentümer eine Neuaufteilung der Räumlichkeiten benötigte. Die Änderungen, Umbauten und Anpassungen der Zeitspanne 1950-1990 stellen eines der Probleme dar: Nur wenige wurden unter Einhaltung der bautechnischen Normen durchgeführt und beeinträchtigen dadurch die Statik der Bauten.

Ein zweites schwerwiegendes Problem ist jenes der natürlichen Alterung der Bausubstanz (Holz, Ziegelsteine aber auch Sandstein). Direkt mit der Alterung verbunden sind auch die etwa fünf Jahrzehnte, als die Bauten mehrheitlich Eigentum des Staates waren und Gebäudepflege oder Wartung ausblieben. Nicht nur Fachleute haben das schon seit sehr langer Zeit entdeckt: Gebäude benötigen regelmäßig Reparaturen. Es mag den Laien wundern, doch im Bauwesen hat der Begriff „Generalüberholung des Gebäudes“ einen zeitlich fest eingeplanten Platz. Das hatte allerdings in der Inneren Stadt von Kronstadt so gut wie keine konkreten Auswirkungen. Und die Folgen sind mit bloßem Auge und ohne Fachwissen für jedermann sichtbar, die Fotos beweisen es.
Sind das Gefahren? Genügend! Fahrzeuge, welche in den engen Gassen der Inneren Stadt geparkt werden, haben durch herabfallende Dachziegel oder Mauerputz oft Schaden genommen. Ebenso wurden auch Passanten verletzt und es gab sogar Todesfälle (der letzte vor drei Jahren in der Langgasse/Str. Lungă, welche allerdings nicht zur Inneren Stadt gehört, doch deren Zustand nicht besser ist). Selbst am Gebäude des Kreisrates empfehlen mehrere Warnschilder den Passanten, die andere Straßenseite zu benutzen. Und Sperren auf Bürgersteigen wegen Dach- oder Fassadenschäden haben wir alle 2-3 Monate.

Wie viel der Bausubstanz  ist betroffen?

Um eine umfassende Sanierung einzuleiten, benötigt es außer Geldmitteln (klammern wir aus) und Fachwissen (kann angeeignet werden und ist auch vorhanden) noch ein Konzept, einen gesetzlichen Rahmen (teilweise vorhanden, aber unzulänglich) und eine Übersicht. Überlassen wir das Konzept den Stadtplanern und den gesetzlichen Rahmen dem Gesetzgeber und sehen, was nach den einführend erwähnten Initiativen an Übersicht zustande gekommen ist. Eine Folge der Tagung, welche 2012 Geldgeber, Architekten, Stadtväter und Bürger zusammenbrachte, war der Beschluss, eine Erfassung aller Gebäude in der Inneren Stadt vorzunehmen und diese nach Alter, Verfall, historischem Wert und anderen Kriterien einzuteilen. Der Beschluss wurde gefasst, umgesetzt wurde er (noch) nicht.
Erfasst wurden lediglich 378 Gebäude, deren Eigentümer an die Stadt den Antrag stellten, von Haussteuern befreit zu werden, eben um die finanziellen Mittel für Reparaturen – nicht Sanierung oder Restaurierung – aufbringen zu können. Der Stadtrat bewilligte die Anträge, doch Reparaturen sind keine zu sehen. Auch ist der erwartete Gesamtbetrag – geschätzte 7000 Lei im Jahr – ein Witz, wenn man die Preise der besonderen Baustoffe für diese Art von Arbeiten in Betracht zieht.

Was kann unternommen werden?

Auf diese Frage gibt es keine einheitliche Antwort, doch man kann einige Beispiele anführen, welche positive Ergebnisse gebracht haben: Durch gezielte Initiativen wurden Gebäude in der Inneren Stadt, am Marktplatz, Honterushof oder in der Purzengasse individuell restauriert. Dahinter standen die Honterusgemeinde Kronstadt der Evangelischen Kirche (A.B.), der Kreisrat Kronstadt und einige Erben der Eigentümer von Gebäuden, allerdings mit den notwendigen finanziellen Mitteln. Einige Gastronomiebetreiber und Banken, welche ganze Gebäude als Pächter übernommen haben, können auch gute Ergebnisse vorweisen: Marktplatz, Klostergasse und einige Nebengassen. Jedes Projekt war ein erfolgreiches Musterbeispiel, doch leider nicht auf die erwähnten 378 Bauten übertragbar.
Für diese kommt nur ein finanzkräftiger Investor in Frage, der bereit wäre, von Gutachten bis Sanierung Geldmittel vorzuschießen, um sie dann durch Nutzung wieder einzuholen. Solche sind rar und sie haben natürlich die eigenen Vorteile im Augenmerk. Unterdessen zerfallen Sandsteinfundamente, Ziegelsteine, Mauerwerk und Dachbalken weiter.

Abschließend noch einige fachliche Anmerkungen

Unsachgemäße Behandlung der Bausubstanz ist eine häufig angetroffene Verfallsursache, sie kann sogar bis auf die Erbauungszeit zurückgehen, wenn man z .B. Bausteine falsch – d.h. senkrecht zum Schichtenaufbau – eingesetzt hat. Die Folgen sieht man oft im Sockelbereich der Bauten als Abschiefern der Oberfläche. Feuchteschäden entstehen dort, wo die bebaute Fläche, ein Stadtviertel z. B., „versiegelt“ wurde. Die Bodenfeuchtigkeit muss in die Luft entweichen können und wenn der Grund großflächig betoniert/asphaltiert/wasserdicht gepflastert wurde, steigt diese durch Fundamente in das Mauerwerk. Das Austrocknen der Bausteine ist zwar heute durch verschiedene Verfahren möglich, doch extrem teuer.
Biologische Schadensquellen bestehen meistens in Pflanzenbewuchs. Extrem gefährlich sind Laubbäume durch die Sprengwirkung ihrer Wurzeln. Enorme Schäden verursacht auch das Efeu, das die Gesteinsoberfläche angreift und feuchtigkeitsspeichernd wirkt.

Auch Taubenkot mit seinem Gehalt an Phosphorsäure kann zu einer starken Durchsalzung des Mauerwerks führen und bleibende Schäden verursachen. Starker, schwerer  Straßenverkehr führt zu Vibrationen. Dazu kommen auch Erdbeben, welche – wie bei der erwähnten kompakten Haus-an-Haus Bauweise – manchmal auch eine ganze Stadt zum Einstürzen gebracht haben. Um abschließend die Komplexität von Sanierungsverfahren zu veranschaulichen, sei noch das sogenannte Horizontalschnittverfahren kurz erläutert. Dabei wird mit einer Schwertsäge (bis zu 1,20 m Mauerdicke) oder mit einer Seilsäge ein horizontaler, durchgehender Schnitt in dem Mauerwerk, zwischen Sockelbereich und Mauerwerk geführt. In diesen wird ein Dichtungselement (Blech oder Folie) eingeführt. Es resultiert eine 100-prozentige Sperrwirkung, welche das Mauerwerk vor Feuchtigkeit schützt.