Von der „schenkenden“ Gerechtigkeit Gottes

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Matthäus 20, 16: „Die Ersten werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.“

Selbst in dem Erleuchtetsten unter uns bricht sich der weise Gedanke an dem Spektrum der eigenen Wünsche, Vorstellungen und Ideale.
Es fällt immer wieder auf, dass Menschen eher das für gut und korrekt empfinden, was ihnen gerade in „den Kram passt“, als das, was wirklich richtig und gerecht wäre. So hängt man noch am favorisierten Fußballklub, obwohl dessen defizitäres Management ihn bereits in den unendlichen Tiefen der unteren Ligen versenkt hat, oder an der eigenen Partei, obwohl schon lange die Piratenflagge am Signalmast zu erkennen ist. Man vertreibt schon mal gerne schwarzhändige Sri-Lanker, weil sie vom Gefühl her nicht in die eigene Lebenswelt passen, obwohl sie sich ansonsten nichts haben zuschulden kommen lassen.

Auch neigen wir Menschen dazu, uns mit anderen zu vergleichen, und dabei entsteht viel Raum für Neid und Missgunst. Kaum ein anderer Spruch spiegelt das mangelhafte menschliche Gerechtigkeitsempfinden so gut wieder, wie dieser: „Dacă moare capra mea, de ce să nu moară și capra vecinului?” Wenn es mir schon nicht gut geht, dann soll es zumindest dem anderen vergleichsweise schlechter gehen. Ist nicht dieses die Quintessenz allen Ratsches und Tratsches, der doch nur darauf abzielt, andere in ein schlechteres Licht zu stellen, als sich selber? Schon Sřren Kierkegaard schrieb: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“.
So ist es auch jenen Arbeitern im Weinberg des Herrn ergangen, die des ganzen Tages Mühsal und Plage ertragen mussten und nun den gleichen Lohnzettel sahen, wie diejenigen, die erst viel, viel später mit der Arbeit begonnen hatten. „Das kann doch niemals gerecht sein!“, sagen sie sich. „Doch, es kann!“, sagt Jesus. In dem Gleichnis Jesu arbeiten einige Arbeiter bereits in der ersten Stunde, andere aber nur von der dritten, der sechsten, der neunten oder gar der elften Stunde an und erhalten am Ende alle denselben Lohn.

Aus arbeitsrechtlicher Perspektive scheint das Handeln des Weinbergbesitzers tatsächlich dem etablierten Grundsatz der Gleichbehandlung zu widersprechen: In Wahrheit aber verbietet diese Regel zwar eine ungerechte Benachteiligung, nicht aber die großzügige Besserstellung.
Die Gerechtigkeit Gottes ist eine andere, eine „schenkende“ Gerechtigkeit, erzählt Jesus in diesem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Es ist gut und wichtig, dass wir auf diese Weise ein Korrektiv vor Augen haben, welches uns erlaubt, über unser kleinkariertes, emotional überladenes Gerechtigkeitsgefühl hinauszusehen. Wenn wir bereit sind, Gottes geschenkte und vergebende Gnade anzunehmen, müssten wir dann nicht auch bereit sein, anderen zu geben und zu schenken? Müssten wir dann nicht auf unsere Rechthaberei verzichten und anderen mehr zusprechen, als sie verdienen?

Ich erzähle Brautpaaren während der Trauung immer wieder gerne, was ich selber gelernt habe: Wenn man am Ende eines Streites zwar Recht behalten, aber dafür ein bisschen von der Zuneigung und dem Vertrauen seines Ehepartners verloren hat, dann kann man den Streit als verloren ansehen. Das sind dann jene gewonnenen Schlachten, die am Ende dazu führen, dass man den Krieg verliert.

Der dritte Sonntag vor der Passionszeit will uns mit seinem Evangelium und Predigtwort den Blick auf die Güte Gottes lenken, die uns reicher beschenkt, als wir es je verdienen könnten. Jedoch am Ende des Gleichnisses schwingt auch die Warnung mit, dass sich im Hinblick auf das Reich Gottes die Verhältnisse ändern werden. Nicht mehr die weltliche Gerechtigkeit, sondern die göttliche Gerechtigkeit wird von Belang sein: „Die Ersten werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.“ Deshalb gilt es schon jetzt, sich auf diese bessere Gerechtigkeit Gottes einzustimmen und eine schenkende, wohlwollende, zubilligende Gerechtigkeit anderen Menschen gegenüber anzuwenden. 

Amen