Wahlkampfwind, Verdun-Gefühl

RANDBEMERKUNGEN

Kurz nachdem Möchtegern-Zar Putin den Befehl zum Überfall Russlands auf die Ukraine ausgab, im Februar 2022, meinten über 50 Prozent der US-Amerikaner, dass der Krieg eine akute Bedrohung der Vereinigen Staaten darstelle, im Januar 2023 waren nur noch 35 Prozent der Befragten dieser Meinung. Unter den republikanischen und unabhängigen Wählern (tendenziell Republikanern) waren es nur 29 Prozent. 40 Prozent der befragten Republikaner meinten, dass es an der Zeit sei, die militärische Unterstützung für die Ukraine auslaufen zu lassen oder zu begrenzen. Parallel stieg die Zahl der Demokraten, die auch dieser Meinung waren. Auf 15 Prozent…

Der Meinungsschwenk der US-Republikaner wird aufmerksam registriert. Seit den Midterm-Wahlen haben sie eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus, folglich also die Hand auf dem Steuerknüppel der Haushaltsausgaben. Der neue Chef des Repräsentantenhauses, der zum Zweck seiner Wahl zu angeblichen Kompromissen und Zusagen an den rechten Flügel gezwungene Kevin McCarthy, hatte nicht zufällig erklärt, dass es ab nun für die Ukrainehilfen der USA keine Blankochecks mehr gäbe.

Es gibt aber auch Stimmen wie die der überall Verschwörungen witternden und Trump verehrenden Marjorie Taylor Greene, die geiferten, ab nun gäbe es „keinen Cent mehr“ für die Ukraine. Natürlich gibt es neben bizarren Erscheinungen auch vernünftige Republikaner im US-Repräsentantenhaus – zum Beweis: Es gibt noch keine Dellen in der Ukraineunterstützung, sondern auch Zustimmung quer durch die Meinungsvielfalt. Nur: Niemand kann garantieren, dass es so bleibt.

Der Stänkerer im medialen Hintergrund, Donald Unberechenbar, nutzt den Aggressionskrieg Russlands (Originalton Trump: „ein genialer Schachzug von Wladimir Putin“) vorerst als parteiinternes Wahlkampfthema, wohl vorerst mal, bis er von den Republikanern nominiert wird. Neben seinen Warnungen vor einer nuklearen Apokalypse, mit denen er Angst schürt und effiziente Torpedos gegen die US-Militärhilfen für die Ukraine abfeuert – alles im Rahmen seines graubärtigen, aber unverändert brandgefährlichen und massenmobilisierenden Themas „America first!“. Im Moment übt sich Trump in düsteren Prognosen, für die Zeit, wenn die Abrams-Kampfpanzer im Ukrainekrieg eingreifen. Der notorische Prahlhans posaunt immer öfter, wäre er Präsident, würde er den „Frieden binnen 24 Stunden“ auf die Wege bringen. Unter ihm würden die USA nicht mehr „wie die Trottel“ die Hauptlast der Militärhilfen für die Ukraine schultern.

Hingegen hörte man von Trump keine kritische Silbe zu Putin. Ist das gefühlte Kongenialität der Diktatoren?… Andrerseits ist die Zahl der Trumpisten unter Republikanern und US-Wählern in etwa auf demselben Stand geblieben wie vor vier, fünf Jahren. Nichts mehr ist da von der gemäßigten Anti-Russlandhaltung und der bedingungslosen Unterstützung von US-Auslandseinsätzen der Rea-gan-Republikaner. Trumpscher Isolationismus und eine (von Geschäfts- und Weltteilungs-Interessen diktierte?) kniefällige Ehrfurchtsbezeugung vor Putins Russland herrschen vor. Das vielbeschworene Neu-Zusammenrücken der transatlantischen Partnerschaft ist (auch dadurch) erschüttert.

So macht sich die Angst vor einem in unvorhersehbare Länge gezogenen Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine breit. Nicht nur wegen der tröpfchenweise gewährten militärischen Unterstützung für die Ukraine, auch wegen Wahlkampftaktik und Entscheidungshemmungen dies- und jenseits des Atlantik und wegen dem Meinungszwiespalt, der das Abendland teilt: mehr, raschere, durchschlagskräftigere Militärhilfe für die Ukraine oder Deeskalation und Friedensverhandlungen um JEDEN Preis. Das Hin und Her bewirkt einen Status quo, ein Verdun-Gefühl.

Angst vorm atomaren „Befreiungs“-Schlag.