Wenn man bei Jubiläumsveranstaltungen an Ereignisse erinnert wird, die im Werdegang eines Ortes, einer Einrichtung, einer Initiative einen Wendepunkt dargestellt haben, denkt man sich, dass man das betreffende Ereignis und die dazugehörende Aufbruchsstimmung gerne als Fliege auf der Wand oder über den Köpfen der Beteiligten umherfliegend miterlebt hätte. So wäre ich, und dabei bin ich sicher nicht der einzige, am 1. April 1995 im Festsaal des Bischofshauses in Hermannstadt/Sibiu gerne mit dabei gewesen. An jenem Tag waren auf Einladung einer kleinen Initiativgruppe bestehend aus Helga Pitters, Ilse Philippi, Sunhild Galter und Gerhild Cosoroabă 111 Frauen zusammengekommen: Kuratorinnen, Presbyterinnen, Kirchenmütter, Vertreterinnen in Konsistorien und der Landeskirchenversammlung. Am Ende des Tages war ein neue Initiative aus der Wiege gehoben worden: die Frauenarbeit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Doch damit war es längst nicht getan. Der Weg hin zu dem, was heute die Frauenarbeit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) verkörpert, war ein gewundener.
Am 22. März 2025 wurde in Hermannstadt ein dreifaches Jubiläum gefeiert: 50 Jahre Weltgebetstag der Frauen in Rumänien, 30 Jahre Frauenarbeit in Rumänien und 25 Jahre seit der Anerkennung derselben als Werk der EKR. „Es heißt ja Frauen – Arbeit. Gleich drei Jubiläen feiern, dass kann nur die Frauenarbeit der EKR, im Jahre des Herrn 2025“, sagte Bischof Reinhart Guib in seiner Ansprache bei den Feierlichkeiten, die im gleichen Saal stattfanden, wo alles begonnen hat. Den Feierlichkeiten war ein Festgottesdienst in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche vorangegangen, der durch seine miteinbeziehende liturgische und musikalische Gestaltung als Statement, was die Frauenarbeit in ihrem Selbstverständnis ist, betrachtet werden kann. Dazu schreibt die Frauenbeauftragte der EKR, Margit Kézdi, im Vorwort der zu diesem Anlass vorgestellten Festschrift: „Bis heute gilt die im ersten Rundbrief der Frauenarbeit veröffentlichte Zusammenfassung der Beratungen und Beschlüsse: Frauenarbeit ist Gemeinschaft und gemeinschaftsfördernd, Brückenfunktion zwischen Generationen und Sprachen, ist Beziehung, durch sie kommen auch Außenstehende in den Raum der Kirche.“
Doch wer von dem Gedanken ausgeht, dass die Frauenarbeit in der Evangelischen Kirche erst mit der erwähnten Initiative begonnen hat, liegt falsch. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es in jeder evangelischen Gemeinde einen Frauenverein. Auch nachdem diese Vereine 1948 offiziell aufgelöst wurden, arbeiteten und wirkten sie weiter. „Dieser quasi illegale Frauenverein“ schreibt Sunhild Galter, amtierende Vorsitzende der Frauenarbeit, in ihrem Grußwort, indem sie als Beispiel den Verein in Jakobsdorf anführt „war in allen Lebensbereichen tätig, natürlich ehrenamtlich, was für alle ganz selbstverständlich war“. Gerhild Rudolf beschreibt die Ausgangssituation treffend: „Es war da nicht nur eine Vorgänger-Organisation, sondern mehrere. (…) Es war da nicht nur eine Frau, sondern es waren viele, die mitdachten und mitmachten. Wir haben Wegbereiterinnen.“
Ein Wendepunkt, an den mehrere Grußworte erinnerten, war die Einführung des Weltgebetstages der Frauen in Rumänien in den 70er Jahren auf Initiative der damaligen Bischofsgattin Maria Klein. 1971 wurde dieser zum ersten Mal in Rumänien von vier Frauen in einer Privatwohnung gefeiert. „Erst später trauten wir uns an die Öffentlichkeit. Vor allem halfen uns die Ökumenischen Gebetswochen, den Weltgebetstag legitim zu machen“, erinnert sich Helga Pitters.
Durch die Auswanderung, die 1990 einsetzte, stellte sich aber die Frage nach einer landesweiten Struktur, was zu dem Konstituierungstreffen 1995 führte. Es sollte aber noch fünf Jahre dauern, Kirchenordnung und staatliche Vorgaben waren unüberwindbare Hürden, bis diese Initiative von dem Landeskonsistorium am 1. August 2000 als Werk der Kirche mit eigener Rechtspersönlichkeit anerkannt wurde. „Zwischen den ersten Anfängen und der offiziellen Anerkennung waren die Frauen – wie wir uns denken können – nicht untätig gewesen. Wir hielten regelmäßige Treffen des gewählten Vorstands (reihum in den Regionen); wir luden ein zu Seniorenfreizeiten, Weltgebetstags-Werkstätten und Studientagen; wir nahmen teil an internationalen Frauentreffen; wir kommunizierten durch die ehrenamtlich erstellten Mitteilungsblätter“, beschreibt Gerhild Rudolf diese Jahre.
Im Rahmen der Feierlichkeiten wurde auch eine Festschrift vorgestellt, die alle eingesandten Grußworte zum Jubiläum umfasst, sowie ein Andachtsbüchlein, das die von Pfarrerin Bettina Kenst in den letzten drei Jahren am Anfang der Sitzungen der Frauenarbeit gehaltenen Andachten beinhaltet. Allen Teilnehmerinnen wurde auch ein Abzeichen, welches symbolisch die Logos der Frauenarbeit und des Weltgebetstages vereint, überreicht.
Rückblickend auf die dreißigjährige Tätigkeit der Frauenarbeit der EKR, aber auch zugleich vorausschauend, hält Margit Kézdi in dem schon zitierten Vorwort fest: „War alles einfach? Oder selbstverständlich? Ganz sicher nicht! Neues zu wagen, vor allem in der Zeit nach der massiven Auswanderungswelle der deutschsprachigen Bevölkerung und implizite dem Großteil der evangelischen Gemeindemitglieder, als sich viele Menschen fragten, ob es sich lohne, ob es überhaupt noch einen Sinn habe, ist eine beeindruckende und bewundernswerte Initiative. Dazu alles im ehrenamtlichen Einsatz anzugehen und im unermüdlichen Engagement über viele Jahre zu stemmen, ist mit Sicherheit nicht selbstverständlich.“