Wegweisender Tourismus für Prigor angestrebt

Prigor im Almasch-Tal soll mittels Freiwilliger zum begehrten Touristenziel umgewandelt werden

Blick aufs Gemeindezentrum von Briger/Prigor/Nérahalmos (wie die rein rumänische Ortschaft zwischen 1871 und 1923 hieß).
Fotos: Acasă în Banat

Im Vordergrund Weideland, Heu- und Streuobstwiesen (vorwiegend Pflaumen- und Apfelbäume alter Sorten), im Hintergrund die Buchenwälder am Nordwesthang des Almascher Gebirgszugs, der die Senke vom Donautal trennt.

Ein mehr als 200 Jahre altes Grenzerhaus in der Gemeinde Prigor. Die Initiatoren haben vor, wenigstens eines dieser verfallsbedrohten Häuser zu renovieren, eventuell museal umzugestalten

Alte, nicht mehr genutzte Wassermühle bei Prigor. „Im Banat zuhause“ hat bereits Erfahrung im Wiederinstandsetzen solcher kultureller Relikte.

Am Wochenende des 20. bis 22. Mai soll in einem ersten Einsatz (von insgesamt drei) in der Organisierung des Vereins „Acas² în Banat“ (Im Banat zuhause) und des Rathauses der Gemeinde Prigor/Briger (Bürgermeisterin Simona Micl²u, PSD) sowie mit finanzieller und logistisch-personeller Unterstützung der Orange-Stiftung (diese spendet 35.000 Lei und hält ihre Mitarbeiter an, als Freiwillige mitzumachen) eine erste Unterstützungsaktion der Gemeinde stattfinden. Durch die drei  Einsätze dieses Jahres soll letztendlich aus einer der Gemeinden des Banater Berglands mit dem ausgedehntesten Verwaltungsgebiet – die Gemeinde nennt rund 302 Quadratkilometer ihr Eigen, wovon etwa 80 Prozent Wälder, teils unter Schutz gestellte Urwälder, am Südwesthang des Bergstocks des Semenik sind – ein Beispiel für naturnahen, umweltfreundlichen und schonenden Tourismus mit aktiver Einbeziehung der Bevölkerung und Ermutigung und Förderung örtlicher Spezialitäten entstehen.

Prigor soll dabei zum Tourismusmodell für die anderen, ganz speziellen Gemeinden des Alm²j-Tals umgemodelt werden. Ähnliches wurde 2021 mit Rud²ria/Eftimie Murgu gemacht, jetzt sollte die Aktion zumindest auf die benachbarten – die Tschechengemeinde [umi]a/Schumitz oder Schoinitz und Bănia – ausstrahlen.

Dazu der Präsident des Vereins „Im Banat zuhause“, Radu Trifan: „Prigor ist eine Gemeinde mit außergewöhnlich hohem touristischen Potenzial. Hier kann man mehrere Tage mit Wanderungen durch Berge und Täler verbringen, man kann sich zur Geschichte der fünf zur Gemeinde Prigor zusammengeschlossenen Niederlassungen kundig machen, man kann Ortsgeschichten und -legenden erfahren, man kann von den vielfältigen originellen Gerichten der Gegend kosten, einschließlich eines zünftigen Pflaumenschnapses. Leider ist es gegenwärtig noch so, dass ein Tourist, wenn er zufällig in diese Gegend gelangt, hier nicht verweilt, weil er gar nicht weiß, was ihm entgeht. Meist weiß er nicht einmal, wie er hingelangen soll.
Das Jahr 2022 soll nun zum Jahr werden, wo wir alle unsere Kräfte bündeln und – Seite an Seite mit der lokalen Gemeinschaft – zu beweisen versuchen, dass dort ein verantwortungsvoller und spannender Tourismus möglich ist, indem wir gezielt eingreifen, um aus Prigor ein (weiteres) Tourismusbeispiel für die gesamte Almăj-Senke zu machen.“

Menschenschlag Grenzer

Prigor ist erstmals 1550 urkundlich erwähnt, um Ende des 17. Jahrhunderts vom Italiener Luigi Ferdinando Marsigli auf seiner Banat-Karte erfasst zu werden. Als „Briger“ ist Prigor ab 1773 Sitz der dritten Kompanie des 13. Walachisch-Illyrischen Grenzregiments (Regimentssitz: Karansebesch) und macht einen vom Regime der habsburgischen (später k.u.k.-) Grenzregimenter in ihrem Verwaltungsraum vorgeschriebenen (der Bevölkerung zu ihrem Nutzen aufgezwungenen) Zivilisations-, Disziplin- und Mentalitätsprung.

Dazu gehören auch die Kriegszüge, an denen sich die Grenzregimenter beteiligen mussten (man stelle sich vor: Während der Napoleonischen Kriege gelangten die Banater Wehrbauern des 13. Grenzregiments bis an die Atlantikküste... was das für ein Kulturschock gewesen sein muss! Und welche Schlussfolgerungen und Lehren die Wehrbauern daraus ziehen konnten...).
So entstand binnen hundert Jahren Grenzregimenter (1773-1871) in den 93 Niederlassungen, welche vom 13. Romanen-Banater/Walachisch-Illyrischen Grenzregiment verwaltet wurden, ein Menschenschlag, der heute noch auf seine Grenzertradition stolz ist, der heute noch an den „Bunul Împărat“ (Guten Kaiser) Franz Joseph I glaubt und der im Häuserbau (bis vor Kurzem: eindeutig eine Wehrarchitektur), in der Bebauung des Hausgartens und in der Winterversorgung (ein Mastschwein pro Erwachsener, eines pro zwei Kinder...) immer noch die Regeln beachtet, die das Grenzregiment bis vor 150 Jahren vorgeschrieben hatte und mit Stockhieben Zuwiderhandelnde Mores lehrte.

Selbst die vielgepriesene Wassermühlenlandschaft des südlichen Banater Berglands geht auf diese Grenzertraditionen zurück: Die Vielzahl der kleinen Wassermühlen des Raums wird heute noch – ohne Wissen der Bevölkerung – in Grenzertradition genutzt: Durchschnittlich je zehn Familien (entsprach einem Zug einer Kompanie) nutzen und halten eine Wassermühle in Stand, unter der Verantwortung/dem Kommando eines Oberen – entsprechend dem früheren Zugführer, der die Leute zum Mahlen und zu Instandhaltungsarbeiten der gemeinsam genutzten Mühle einteilt. Und die durchschnittlich zehn Familien bildeten eine Dorfgasse...

Nicht zuletzt: Die vielen Blaskapellen, die heute noch im Raum des ehemaligen Grenzregiments existieren, gehen auf den Zwang zurück, eigene Militärmusik zu stellen. Heute spielen die Blaskapellen von Pătaș, Bănia oder Rudăria/Eftimie Murgu Banater Volksmusik. Selbst die Aufforderung seitens der Verantwortlichen, sich an einem für alle nötigen Vorhaben zu beteiligen, wird „ma duc la comanda“ (Ich gehe auf(grund von) Kommando) genannt.

Tourismus und Erhaltung von Kulturgut

„Im Banat zuhause“ und die Orange-Stiftung wollen gemeinsam mit der Gemeindeleitung und den Volontären (man kann sich auf der Internetseite des federführenden Vereins derzeit vormerken lassen) „die Reichtümer der Gemeinde Prigor (und der eingemeindeten Borlovenii Vechi, Borlovenii Noi, P²ta{ und Putna)“ ausschildern und zugänglich machen: „200 Jahre alte Grenzerhäuser, mehr als 20 Wassermühlen (teils renovierungsbedürftig – aber in dem Bereich hat der Verein bereits eine respektable Erfahrung), Wasserfälle und Naturpfade (müssen noch gesäubert und ausgeschildert werden), historische Bauten, Traditionen und urwüchsiges Handwerk“, zählt der Vereinsvorsitzende auf.

Die Volontäre wollen dreimal nach Prigor kommen, das Bett des Nera-Flusses und die Zuleitungskanäle der Wassermühlen säubern, touristische Trassen ausschildern, Wegweiser montieren, Wassermühlen wieder funktionsfähig machen (zumindest zum Schau-mahlen) und Ortsbewohnern das Elementare einer soliden Touristenbetreuung beibringen.

Andrei Amarghioalei, Shop-Manager von Orange Romania, sagt zu dem Vorhaben: „Wir arbeiten nun schon das dritte Jahr in Folge mit dem Verein ‚Im Banat zuhause‘ zusammen. Und wir haben dabei viele ländliche Gemeinschaften des Banater Berglands kennengelernt. Auch haben wir gemeinsam viele Sehenswürdigkeiten des Banater Berglands für Durchschnittstouristen zugänglich gemacht und die Attraktivität dieser Ziele herausgestrichen. Dadurch sind wir zu einen ausgezeichneten gemischten Team geworden, das Freiwillige mobilisiert, Helfer vor Ort anzieht, eigentlich auch die künftigen Touristen heranbildet. Denn viele kommen als Volontäre und gehen als künftige Touristen weg, die wiederkommen möchten.“

„Acas² în Banat“ gibt es seit 2018. Das Ziel des Vereins ist es, das Kulturgut des Banater Berglands in seiner ursprünglichen Form zu bewahren und Touristen zugänglich zu machen. Der Verein ist eines der 500 Mitglieder aus 30 Ländern der Internationalen Mühlengesellschaft TIMS und machte als solcher 2019 die erste vollkommene Bestandsaufnahme (im Auftrag des Kreisrats Karasch-Severin) der im Banat existierenden Wassermühlen. 2020 renovierte der Verein zwölf Wassermühlen in drei Ortschaften des Banater Berglands, 2021 wurde – wie auch jetzt: in drei Etappen – das Projekt „Hai la Rudăria!“ (Komm(t) nach Rud²ria!) realisiert, in der Ortschaft Rudăria/Eftimie Murgu, das bekannteste Wassermühlendorf des Südbanats.

Hier kann man in einem halbstündigen Spazierweg im Rud²ria-Tal die höchste Konzentration an Wassermühlen in Rumänien besichtigen – die meisten noch in Betrieb und mit eigenem Namen, sowie im Ruf stehend, das beste Polenta-/M²m²liga-Mehl, das es überhaupt gibt, zu mahlen.