Wenn der Boden plötzlich wackelt

Erdbeben sind nun auch im Banat ein wichtiges Gesprächsthema

Im Banat finden wöchentlich Erdbeben statt. Die meisten davon registriert aber lediglich der Seismograf. Foto: Adina Rău

Wirtschaftslyzeums gehört der Risikoklasse 1 in Sachen Erdbebengefährdung an. Geplant ist derzeit eine Konsolidierung und Sanierung. Foto: Zoltán Pázmány

Die Allgemeinbildende Schule Nr. 1 in der Temeswarer Fabrikstadt fällt laut Fachexpertise in die Erdbebenrisikoklasse 2. Foto: Astrid Weisz

Wackelnder Boden, zitternde Wände und Fenster – die Erde bewegt sich. Bis man es erfasst, ist es schon vorüber. Ein Erdbeben knapp eine Woche nach den Ereignissen in der Türkei und Syrien – das sorgt für Unruhe unter den Rumänen. Und bevor man die Information verarbeitet hat, geschieht es am darauffolgenden Tag wieder, diesmal sogar stärker. Schon lange hat man in Temeswar und im Banat solche Erdbeben nicht mehr gespürt. Das macht nun den Menschen in Westrumänien bewusst, dass sie in einem Erdbebengebiet leben – die zweitbedeutendste derartige Gegend in Rumänien, nach Vrancea.

„Die seismische Aktivität in Temeswar und im Banat ist beträchtlich, aber die Beben sind von geringer Stärke“, sagt Adina Rău, Forscherin an der Erdbebenwarte in Temeswar und am INFP. „Das Banat und der Donauraum sind durch flache Krustenerdbeben gekennzeichnet. Die Zentren dieser Erdbeben liegen in einer Tiefe von bis zu 25 Kilometern, in seltenen Fällen bis zu 30 Kilometern, und der aktivste Tiefenbereich, in dem Krustenbeben auftreten, liegt zwischen 10 und 20 Kilometern. Die Intensität variiert je nach der im Brennpunkt freigesetzten Energie und hängt von der Stärke ab. Bei einem Erdbeben wie dem im Kreis Gorj erreicht die Intensität in der Epizentralzone, d.h. in der unmittelbaren Nähe des Ereignisses, typischerweise den Wert 5, was bedeutet, dass die lokalen Auswirkungen erheblich sind“, erklärt sie. Und betont dabei: „Wenn man sich vom Epizentrum entfernt, ist es normal, dass die Auswirkungen abnehmen und weniger spürbar sind. Die Stärke hingegen ist ein Maß für die bei dem Ausbruch freigesetzte Energie, und diese ändert sich nicht. So wie die Stärke im Zentrum des Erdbebens war, so wird es auch überall auf der Erde sein, wo wir uns befinden“, erklärt die Temeswarer Forscherin.

Wöchentliche Mikroerdbeben im Banat

In der Bega-Stadt gibt es häufig kleine Erdbeben, die die Menschen gar nicht wahrnehmen, aber die von seismischen Sensoren erfasst werden können. „Jede Woche haben wir Mikroerdbeben im Banat und im Donauraum. Die Stärke beträgt weniger als 2 Grad“, fügt die Seismologin hinzu.

Das stärkste Erdbeben, das jemals im Banat gemessen werden konnte, fand am 12. Juli 1991 in der Temescher Ortschaft Banlok/Banloc statt. „Dieses hatte eine Magnitude von 5,6, war stark, hatte erhebliche Auswirkungen auf das Epizentrum und ihm folgte eine lange Reihe von Nachbeben. Diese seismische Sequenz dauerte in diesem Gebiet etwa zwei Jahre, auch wenn die Ereignisse nicht die gleiche Stärke wie das Hauptbeben hatten“, berichtet Adina Rău.

Zwei Wochen nach den ersten Beben an der türkisch-syrischen Grenze bebte die Erde erneut in der Türkei, am 20. Februar. Das Erdbeben der Stärke 6,4 auf der Richterskala war auch in Syrien, Ägypten und dem Libanon zu spüren und hatte ein Nachbeben der Stärke 5,8. Einen Tag später bebte auch im rumänischen Kreis Gorj die Erde wieder und am 22. Februar auch im Banat. Das Erdbeben mit einer Stärke von 3,6 auf der Richterskala ereignete sich in der Nähe von Banlok. 

Ob es einen Zusammenhang zwischen diesen Erdbeben gibt oder nicht, das untersuchen derzeit die INFP-Forscher. Eigentlich ist das so, dass es nach einem großen Erdbeben einige Zeit dauert, bis sich die Verwerfung beruhigt hat. In dieser Zeit wird es immer wieder zu Nachbeben kommen. „Aber der Trend ist rückläufig. Erdbeben werden immer seltener und sind von geringer Intensität. Ein offizieller Bericht, der die Zusammenhänge zwischen all diesen jüngsten Erdbeben in Europa aufzeigt, wird erst in einigen Monaten erstellt“, sagt die Forscherin. 

Gefährdete Gebäude 

„Die am stärksten gefährdeten Gebäude sind jene, die in der Zwischenkriegszeit gebaut wurden. Dafür wurden die Berechnungen bei vertikalen Belastungen durchgeführt, während bei Erdbeben eine horizontale Ersatzlast ermittelt werden muss“, sagt Bauingenieur Dr. Radu B²ncil², Gründer der deutschen Abteilung für Bauingenieurwesen an der Technischen Universität „Politehnica“. „Viele der alten Gebäude haben Decken aus Holz, mit niedriger Widerstandsfähigkeit bei Erdbebenlasten. Nach dem Erdbeben 1977 in Rumänien wurden die Entwurfsvorschriften verbessert und die gebauten Immobilien sind widerstandsfähig bei Erdbeben. Die Hauptidee ist, dass die Struktur standhalten muss, auch wenn die Trennwände, Fenster, usw. zerstört werden“, erklärt der Fachmann. Die neuen Bauten seien widerstandsfähiger, zumal ab 2010 die europäischen Bemessungsregeln im Bauwesen und in der Tragwerksplanung, die sogenannten Eurocodes, angewandt werden. 

Im Vergleich seien Gebäude mit Erdgeschoss und bis zu zwei Stockwerken erdbebensicherer als höhere Bauten. „Diese Strukturen mit Betondecken und Ringbalken zeigen bei Erdbebenlasten eine gute Gesamtstabilität des Bauwerks. Rahmentragwerke mit mehreren Tragwerken sind ebenfalls sicher, da diese für Erdbebenlasten bemessen wurden. Ein fragliches Verhalten bei Erdbeben haben Hochhäuser, die in Plattenbauweise gebaut wurden, wo im Falle eines Erdbebens große Schäden erscheinen können – ein Kollaps der ganzen Struktur ist aber wenig wahrscheinlich“, erklärt Radu B²ncil². Ebenfalls fraglich ist das Verhalten von Hochhäusern, die im Parterre verschiedene Geschäfte haben. „Räume für verschiede  Handels- und Geschäftszonen im Erdgeschoss müssen schon im ursprünglichen Projekt vorgesehen werden; jede spätere Änderung bedeutet ganz sicher eine Gefahr für die Struktur des Bauwerks und erfordert eine spezielle Genehmigung aufgrund einer Neuberechnung der gesamten Struktur.“

Erdbebenrisiko: sanierungsbedürftige Schulen

Es ist erst wenige Tage her, seitdem der Temescher Präfekt Mihai Ritivoiu vom Bürgermeisteramt Temeswar ein Verzeichnis der erdbebengefährdeten Gebäude (Risikoklasse 1) gefordert hat. Nachdem die rumänische Regierung am 21. Februar eine Liste von 39 Bildungseinrichtungen in Rumänien veröffentlicht hatte, die in erdbebengefährdeten Immobilien im Betrieb sind, fand sich auch die Allgemeinbildende Schule Nr. 1 in der Fabrikstadt/Cartierul Fabric von Temeswar auf dieser Liste wieder. Dies erwies sich jedoch als Fehler, denn laut der Dokumentation, die für eine künftige Konsolidierung und Sanierung des Gebäudes erstellt werden musste, gehört das Gebäude der Risikoklasse 2 an (ADZ berichtete). Dennoch konnte der Präfekt überraschend he-rausfinden, dass ein anderes Schulgebäude – eines des Wirtschaftslyzeums „Francesco Nitti“ – der Risikoklasse 1 angehöre. 

Der Unterricht für die etwa 300 betroffenen Schüler erfolgt seit Dienstag online, sie sollen in einem anderen Schulgebäude untergebracht werden, oder ab nächster Woche Nachmittagsunterricht haben. Dazu äußerte sich Vizebürgermeister Ruben La]c²u: „Bei ‚Francesco Nitti‘ haben wir ein Ausbauprojekt für eine weitere Etage. Dem zugrunde liegt auch eine technische Expertise, die uns zeigt, wie der technische Zustand dieses Gebäudes ist und welche Interventionen wir vornehmen müssen. Offensichtlich wird eine Konsolidierung fällig sein.“ Am Dienstag wurde das Projekt von den Stadträten genehmigt, es folgen der Entwurf und anschließend die Bauarbeiten vor Ort. „Wenn wir bei den Arbeiten angelangt sind, wird sich auch die Konsolidierung erledigen und somit verschwindet auch das Erdbebenrisiko“, erklärt der Vizebürgermeister. La]c²u hob gleichzeitig hervor, dass der Antrag des Bürgermeisteramtes, den Unterricht an der zu sanierenden „Emanuil Ungureanu“-Schule online zu verlagern, voriges Jahr von Kreisschulamt und Präfektur abgelehnt wurde. „Ich freue mich, dass jetzt diese Maßnahme getroffen wurde. Was nicht für die Kommunalverwaltung möglich war, ist jetzt für die Regierung möglich“, sagt der Vizebürgermeister. Dass politische Gegner alles gegeneinander ausspielen, ist keine Überraschung in Rumänien. 

Doch wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen, ist damit nicht zu spaßen. Schließlich bekommt jeder (zumindest ein wenig) Angst, wenn er ein Erdbeben spürt. Die Seismologin Adina Rău ist der Meinung, dass Selbstbeherrschung in einer solchen Situation äußerst wichtig sei. Sie empfiehlt, die besten Orte zu identifizieren, um im Falle eines Erdbebens Schutz zu suchen – sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz. Eine gute Idee sei es auch, einen Rucksack für Notfälle bereitzuhalten – dieser sollte zumindest Wasser und Medikamente enthalten.