Werbung gegen die Werbung

„Hurra, unser Baby pinkelt blau!“, titelte einmal ein deutscher Medienbeobachter in einem Artikel über die Windeln-Werbung. Es muss ein singulärer Fall gewesen sein, denn seitdem schauen ehrgeizige frischgebackene Eltern mehrmals täglich in die Windeln ihrer Babys und haben nichts Außergewöhnliches zu verzeichnen.
In der Werbewelt ist es voll von derartigen singulären Fällen. Interessant sind vor allem die, in denen Menschen vor Freude in die Luft springen. Als Zündstoff benutzen sie lediglich Mineralwasser. Der amerikanische Comedy-Star Jerry Seinfeld hat sich seinerzeit auch darüber lustig gemacht. Er erzählte einmal, wie er, mit Chipskrümeln um den Mund, in einer Fußballspiel-Werbepause aus einer ähnlichen Mineralwasser-Flasche trank wie die fliegenden Menschen auf dem Bildschirm – und trotzdem auf seinem kleinen, roten Sofa sitzen blieb.

Besonders schlimm finde ich aber die Werbespots, die einem schlechtes Gewissen einjagen. Es ist schrecklich, dass Milliarden von Bakterien tagtäglich an meinen Zähnen nagen, und es tut mir ja so leid, dass ich zu viel Salz, Zucker und Fett verzehre! Was mir aber immer wieder schlaflose Nächte bereitet, ist der Horror-Gedanke, dass der Heizstab meiner Waschmaschine vor sich hin verkalkt. Dann packen mich nämlich Visionen von den drei hässlichen Calgon-Männern, die den Wasserschaden in meiner Wohnung dokumentieren. Die Vorstellung, am nächsten Morgen einen Wasserenthärter zu kaufen, wirkt plötzlich beruhigend und befreiend.

Ein Pendant zur Werbung, die einem schlechtes Gewissen einjagt, ist die Werbung, die die Wirklichkeit verharmlost. Wie zum Beispiel die Werbung für ein Brathähnchen, das „puiul fericit“ heißt – ein zwar totes aber zugleich auch „glückliches Hähnchen“, versichern uns die Werbeleute. So glücklich, denkt man sich, wie die Einwohner von Roşia Montană auf den Werbeplakaten von Gabriel Resources. Denn außerhalb der bunten Werbewelt werden Tiere geschlachtet und Landschaften verseucht. So auch das sympathisch lissspelnde Mädchen, das „sssalam ssăsesc” verlangt, als ob Wurstwaren zum Hauptmenü der Kinder gehörten – empfohlen von der Weltgesundheitsorganisation.

Eine Möglichkeit, der Hirnwäsche der Werbung zu entweichen, bestünde darin, sich vorzustellen, wie der Werbespot gedreht wurde. Sich auf die Lichter, die Schminkerinnen, die Tonmänner, den Regisseur usw. zu konzentrieren. Da muss ich immer an Diana denken, eine wunderschöne Schulkollegin, die nebenbei immer gemodelt hat. Einmal musste sie ein Werbespot für Cappucino drehen und als sie danach in die Schule kam, erzählte sie angeekelt: „Wie Erdöl hat das geschmeckt, wie Erdöl!“ Wenn Sie also das nächste Mal im Jakobs-Werbespot sehen, wie sich das Kaffee-Aroma langsam durchs Haus schleicht, schließen Sie die Augen und spüren Sie beim Einatmen den feinen Erdöl-Hauch!