„Wichtig ist das Erlebnis des Touristen“

Gespräch mit Thorsten Kirschner, Manager des Karpaten Tourismus Clusters Rumänien

Das Karpaten Tourismus Cluster Rumänien wurde am 1. November 2010 auf Initiative des Vereins für Förderung und Entwicklung des Tourismus im Kreis Kronstadt/Brasov (APDT) sowie des Vereins „Monteoru Renaissance“ für regionale nachhaltige Entwicklung des Tourismus im Kreis Buzãu gegründet. Das Cluster mit Hauptsitz in Kronstadt ist, laut Webseite www.tourism-cluster-romania.com, ein unabhängiges Netzwerk regionaler und nationaler Entscheidungsträger im Bereich Tourismus und das erste überregionale Tourismus-Cluster Rumäniens. Zu den Mitgliedern zählen Tourismusvereine und -verbände, NGOs, Reiseveranstalter, Event-Agenturen, Hotels sowie Zulieferer der Tourismusindustrie. Durch die Erarbeitung von Tourismus-Angeboten und Dienstleistungen, regionale und internationale Kooperation, die Einführung europäischer Standards in der Vermarktung verfolgt das Cluster die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Optimierung der Wertschöpfungskette im Tourismus sowie die nachhaltige regionale Entwicklung der zentralen Karpaten-Regionen Rumäniens. 

Co-Initiator und Manager des jungen und ehrgeizigen Netzwerkes ist Diplomkulturwirt Thorsten Kirschner, der aus Bayern stammt und in den vergangenen Jahren an rumänienbezogenen Projekten, u. a. als Berater für die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Bukarest, tätig war. Seit zwei Jahren lebt er in Rumänien und engagiert sich aktiv im Bereich Tourismus. Mit Thorsten Kirschner führte ADZ-Redakteurin Christine Chiriac folgendes Gespräch.



Herr Kirschner, welches sind für einen Tourismusexperten die Highlights hierzulande? 

Rumänien hat ein einzigartiges Potenzial für den Tourismus, das vielleicht maximal zu 30 Prozent ausgeschöpft ist. An erster Stelle steht für mich der ländliche Tourismus, verbunden mit dem Kulturtourismus – somit Siebenbürgen. In Rumänien sind die Natur, das Donaudelta, die Berge natürlich die großen Themen. Städtetourismus ist ebenfalls ein Highlight, wobei sich dieser Bereich auf vier-fünf Städte konzentriert, die mit Ausnahme von Bukarest alle in Siebenbürgen liegen – ich denke dabei an Kronstadt, Hermannstadt oder Schäßburg. Es gibt aber auch viel Potenzial darüber hinaus. Deshalb haben wir unser Netzwerk „Karpaten Tourismus Cluster“ genannt, weil wir eben nicht nur Siebenbürgen einbinden wollten, sondern den gesamten zentralen Karpatenraum: Prahova, Buzãu, Covasna, Arges, Piatra Neamt.

Es ist andererseits kein Geheimnis, dass Rumäniens Auslandsimage zu wünschen übrig lässt. Woran liegt es? Was müsste sich prioritär ändern? 

Das ist eine sehr schwierige Frage, die ich nicht vollständig beantworten kann. Meiner Meinung nach liegt es zum Teil an den negativen Presseberichten im Ausland. Wenn man in Deutschland über Rumänien oder auch Bulgarien hört, dann sind es oft kritische Berichte, die schon fast klischeehaft klingen. Rumänien müsste sich darauf konzentrieren, positive Nachrichten zu produzieren. Deshalb sind wir auch sehr froh über die neue Tourismus-Strategie Rumäniens, „Entdecke den Garten der Karpaten“ – natürlich kann man darüber diskutieren, aber es ist endlich eine Strategie, die das Potenzial, das Rumänien hat, entsprechend darstellt.

Von dort auch der Name des Clusters?

Nicht unbedingt, die Cluster-Idee ist eigentlich schon viel älter. Ähnlich wie man in Deutschland oder Österreich von den Alpen spricht, betrachten wir die Karpaten als einen zentralen Punkt in Rumänien, um den wir Tourismusprojekte und -produkte entwickeln möchten.

Wie war die Resonanz auf die Gründung des Clusters?

Wir haben seit wenigen Wochen konkret angefangen, um Mitglieder zu werben, und haben auf unsere Pressemitteilung ein Riesenfeedback bekommen, mit dem wir gar nicht gerechnet hatten. Das Entscheidende am Cluster ist, dass wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette arbeiten – im Gegensatz zum Verein oder zum Verband, die reine Interessenvertretungen sind. Das heißt, wir haben Mitglieder aus der gesamten Tourismusindustrie, angefangen vom Käse- und Brotlieferanten, über Hotels und Reiseveranstalter, inklusive der beratenden Unternehmen. Zudem wollen wir auch die Universitäten einbinden, damit wir Input aus der Forschung bekommen und dies in die Praxis umsetzen. Wir sind natürlich auch auf die Unterstützung der öffentlichen Stellen angewiesen, wobei das in Rumänien ein schwieriges Feld ist. Wir setzen mehr auf NGOs, die im Tourismus tätig sind und die wir auch in unsere Projekte einbinden.

Wie werden die Projekte des Clusters finanziert?

Das Cluster ist eine Nonprofit-Organisation, wir selbst entwickeln nur Tourismus-Ideen und Tourismus-Projekte, die von privaten Dienstleistern übernommen werden. Wir sind der Überzeugung, dass wir das Cluster an sich selbst finanzieren können. Für die Projekte wollen wir in Zukunft EU-Fonds beantragen. Ende des Jahres soll auf EU-Ebene eine Linie für die Förderung von Clustern eröffnet werden.

Welche Projekte laufen schon? 

„Mobile Cooking Romania“ ist das erste Projekt, an dem das Cluster federführend mitwirkt. Im Konzept „Mobiles Kochen“ geht es darum, an rund zwanzig spektakulären Orten in Rumänien Gourmet-Shows und Kochkurse durchzuführen. Damit wollen wir einheimische kulinarische Spezialitäten mit Touristenattraktionen verknüpfen, wir versuchen also für bestehende Strukturen neue Initiativen zu entwickeln und neue Touristen anzuziehen. Es gab bereits eine Einführungsveranstaltung in Buzãu, wo wir ein „kulinarisches Abenteuer“ mit Trüffelsuche und Kochkurs veranstaltet haben. 

Ab Juni wollen wir die ersten Show-Events durchführen. Wir planen thematische Wochenenden, die an den jeweiligen Ort angepasst sind, in der Törzburg zum Beispiel mittelalterliche Küche, im Donaudelta Fischgerichte, in den Kirchenburgen siebenbürgische-sächsische, ungarische und rumänische Küche. In Deutsch-Weißkirch, Meschendorf oder Honigberg werden die Kochevents im Freien, mit mobiler Kocheinrichtung stattfinden. Natürlich gehört zu den Kochkursen auch das Einkaufen: Wir kaufen nicht im Supermarkt, sondern nur bei lokalen Produzenten, bei Bauern ein. Zum großen Vorteil von Rumänien gehört, dass es noch solche Produzenten gibt. 

Darüber hinaus steht eine ganze Reihe von Initiativen in der Planung. Wir wollen unter anderem den Fahrradtourismus im Karpatenraum und dessen entsprechende Vermarktung im europäischen Ausland fördern. Wir haben eine Arbeitsgruppe gegründet, in der verschiedene Verbände aus mehreren Verwaltungskreisen aktiv sind, sowie passionierte Fahrradfahrer, die die Strecken kennen. 
Im Karpatenraum liegt das größte Potenzial im Bereich des ländlichen Tourismus. Jedoch entspricht manches, was hier als ländlicher Tourismus verkauft wird, nicht unseren Vorstellungen; es gibt noch viel Verbesserungspotenzial. Ein weiterer Punkt sind die Events: Die meisten großen Events, die dieses Jahr in Siebenbürgen oder in Buz²u stattfinden, werden vom Cluster mitorganisiert.

Auf der Webseite kann man lesen, dass auch gemeinsames Einkaufen und die gemeinsame Teilnahme an Messen vorgesehen sind. Wird man in Zukunft sagen können: „Wer nicht im Cluster ist, ist nicht im Tourismus“?

Nein, ich glaube, es wäre vermessen. Wo andere schon sehr gut sind, müssen wir nicht auch noch aktiv werden. Wir versuchen uns mit Branding und mit Marketing zu positionieren, damit das Cluster sichtbar wird und alle Tourismusverantwortlichen im Karpatenraum davon wissen. Gemeinsame Messeauftritte in Rumänien sind vielleicht erst für nächstes Jahr ein Thema. Was Einkauf angeht, versuchen wir lokale oder Bio-Produkte in die Tourismus-Kette einzubinden. 

Das Problem ist, dass es in Rumänien viele Produkte gibt, die den Bio-Standards entsprechen würden, die aber nicht zertifiziert sind. Wir wollen Pensionen, Hotels, Restaurants, Gaststätten dazu einladen, verstärkt lokale Produkte aus dem direkten Umfeld zu verwenden. Es besteht in Rumänien eine große Diskrepanz zwischen der traditionellen Küche und dem, was den Touristen in Restaurants serviert wird. Die Vielfalt an Speisen, die es in der Tradition Rumäniens gibt, findet sich in der Speisekarte der Restaurants nicht wieder. Bisher waren die Restaurants eher auf schnelle Küche ausgerichtet, aber gutes Essen ist ganz wesentlich für zufriedene Touristen.

Gibt es im rumänischen Tourismus ausreichend ausgebildetes Personal oder besteht Verbesserungsbedarf?

Was die fachliche Ausbildung angeht, bin ich kein Spezialist, aber im Bereich Service ist noch viel zu tun. Kleine Verbesserungen – z. B. wie man den Kunden begrüßt – können bereits viel bringen, auch in die Richtung der europäischen Servicestandards. Für mich ist das Zentrum von Bukarest immer ein gutes Beispiel, wo vor wenigen Jahren noch streunende Hunde waren und jetzt topmoderne Cafés und Restaurants entstanden sind. Natürlich sind sie ein wenig teurer als die Kneipen mit Plastikstühlen und -tischen, aber gut besucht sind sie trotzdem. 

Dieses Beispiel kann man auf viele andere Bereiche übertragen. Manche Pensionen meinen, wenn noch eine Pension am Ort entsteht, dann haben sie weniger Kunden. Eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Je mehr gute Pensionen mit gutem Service Werbung machen, desto mehr Touristen kommen. Sicherlich sollte man auch ein Angebot an Führungen, an Ausflügen, an Sportevents, an kulturellen Veranstaltungen haben. Es reicht nicht, Straßen und Pensionen zu bauen. Der zentrale Anknüpfungspunkt ist das Erlebnis des Touristen.