Wie gelingt die nachhaltige Nahrungsmittelversorgung in der Zukunft?

Neue Sattmacher sollen Ernährung der Weltbevölkerung sichern

Die Früchte des widerstandsfähigen Feigenkaktus sind essbar und können den Speiseplan erweitern. | Foto: Wikimedia Commons

Algen könnten in Zukunft zu einem nachhaltigen globalen Grundnahrungsmittel werden. | Foto: Patrick Perkins, www.unsplash.com

Die Wurzelknolle der Maniok-Pflanze nach der Ernte | Foto: Wikimedia Commons

Die Klimakrise, Kriege und instabile Lieferketten erschweren die globale Versorgung mit Grundnahrungsmitteln erheblich. Millionen Menschen droht Hunger, gerade auf dem afrikanischen Kontinent. Wie schafft man eine Zukunft, in der alle satt werden, aber ohne dafür die Umwelt massiv zu belasten?

Viele Nahrungsmittel, die wir täglich konsumieren, sind von der Klimakrise bedroht. Insgesamt nur neun Pflanzenarten ernähren gegenwärtig zwei Drittel der Weltbevölkerung. Dazu gehören Kartoffeln, Zuckerrohr, Sojabohnen, Ölpalmfrüchte, Zuckerrüben, die Wurzelknolle Maniok, Mais, Reis und Weizen. Dazu sorgen fünf Tierarten – Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Hühner – für die globale Produktion von Fleisch, Milch und Eiern. Sie haben sich über Jahrtausende im Wettbewerb um die ertragreichsten Feldfrüchte und Masttiere bewährt. Die Monotonie der Grundnahrungsmittel birgt jedoch große Risiken. Krisen- und klimabedingte Ausfälle können enorme Mengen an Pflanzen und Tieren direkt betreffen. 2021 haben Klimaforscher berechnet, dass 44 Prozent des importierten Kaffees, Kakaos und Getreides in die EU gefährdet sind. Bis 2050 könnte ihr Anbau in den Ursprungsländern massiv einbrechen. Kriege und andere Lieferengpässe wurden dabei nicht mitberücksichtigt. Es stellt sich daher die Frage: Welche Lebensmittel sollen uns 2050 ernähren?

Exotische Pflanzen – Speiseplan von morgen?

Ein Forschungsteam der Königlichen Botanischen Gärten in London um den Ökologen Samuel Pironon sucht Wege für eine nachhaltige Ernährung. Der Lösungsmix versucht erstens, Pflanzen zu züchten, die widerstandsfähig gegen die Klimakrise sind. Darüber hinaus sollen diese Züchtungen mit gentechnischen Veränderungen weiter verbessert werden und es soll nach weiteren Pflanzen gesucht werden, die für Menschen genießbar sind. Letztlich sollen die Entdeckungen unsere Speisepläne erweitern. Das Team hat bereits weltweit einige Pflanzen gefunden, die nachhaltig sind und das Potenzial haben, Milliarden von Menschen zu ernähren.

Es gibt über 1500 Kakteenarten, einige sind sogar essbar. Dazu gehört die süßsäuerliche Frucht des Feigenkaktus. Während einer Dürre in Madagaskar half der Kaktus als Grundnahrungsmittel, so dass viele Gemeinden die Krise überlebten. 

Die nussig schmeckende Foniohirse stammt aus den Savannen Westafrikas und wird lokal auch als Nutzpflanze kultiviert. Sie ist resistent und verträgt lange Zeit auch trockene Bedingungen. Aus den Körnern der Graspflanze lässt sich Brei oder Couscous herstellen. Die Pflanze ist reich an Eisen, Kalzium, Aminosäuren und Vitamin B.

Die Pflanze verträgt mehr Trockenheit als die Milchalternative Soja. Sie ist in der Südsahara beheimatet und gedeiht auch in nährstoffarmen Böden sehr gut. Sie glänzt vor allem mit einem hohen Eiweißgehalt.

Eine weitere trockenheitsresistente Pflanze ist die Maramabohne. Sie ist ein echter Allrounder. Geröstet schmecken ihre Samen wie Cashewnüsse. Die Bohnen können zudem zu Mehl gemahlen, zu Brei verkocht oder für ein kakaoähnliche Getränke verwendet werden. Sie dient auch als Quelle für Öl sowie vegetarischen Butter- und Milchersatz. In Botswana, Namibia und Südafrika gehört sie zu den Grundnahrungsmitteln.

Die Ensete, auch als „falsche Banane“ bezeichnet, wächst in Äthiopien. Sie gilt als Cousine der handelsüblichen Banane. Ihre bananenähnlichen Früchte sind zwar nicht genießbar, dafür aber der Rest der Pflanze. Das Gewebe der Wurzeln und Stängel ist stärkehaltig und lässt sich daher sehr gut zu Brei oder Brot verarbeiten. Die Ensete ist enorm resistent und pflegeleicht. Sie kann jederzeit gesät und geerntet werden und ist dürretolerant, sie kann sogar jahrelang ohne Wasser auskommen. Sie gedeiht am besten bei Temperaturen zwischen 14 bis 25 Grad Celsius. Das entspricht dem Klima in den am meisten besiedelten Weltgebieten.

Kartoffeln könnten sich in naher Zukunft durch Mashua ersetzen lassen. Mashua ist eine Knollenpflanze eines Kapuzinerkresse-Gewächses mit pfeffrigem Aroma, die aus den Anden stammt. Im Gegensatz zur Kartoffel ist sie gegenüber der üblichen Kartoffelfäule resistent. In Streifen geschnitten kann man sie auch zu Pommes frittieren.

Eine weitere hitzebeständige Pflanze ist Maniok. Das Wurzelgemüse aus Südamerika, auch Yuka oder Cassava genannt, kann gekocht, gebacken oder frittiert werden. Je nach Sorte schmeckt sie süßlich, neutral oder auch mal etwas bitter. Die Pflanze toleriert Temperaturen bis zu 40 Grad Celsius. Höhere CO2-Werte in der Atmosphäre steigern ihre Stresstoleranz und können zu höheren Erträgen führen. Maniok ist reich an Anti-oxidantien und Elementen wie Jod. Aus ihr lassen sich beispielsweise hervorragend Puffer als Beilage zubereiten. 

Algen und Seetang für die Küche der Zukunft

Algen finden sich vor allem in Europa immer noch selten auf der Speisekarte. Dies jedoch zu Unrecht. Algen gibt es seit mindestens drei Milliarden Jahren auf unserer Erde. Sie sind besonders nachhaltig, da sie die Fähigkeit haben, aus CO2 Sauerstoff zu machen. Dieser Umstand trägt dazu bei, dass die Erde für uns überhaupt bewohnbar ist. Für sie müssen keine Regenwälder sterben, sie wachsen erheblich schneller als Landpflanzen und können ohne Einsatz von Antibiotika, Düngern und Pestiziden kultiviert werden. Makroalgen (Seetang) sind ein traditionelles Nahrungsmittel aus dem Meer, immer in großen Mengen verfügbar, aber nicht rund um den Globus gleichermaßen geschätzt. In Asien stehen großblättrige Algen oder Seetang als hochwertige Delikatesse schon seit Tausenden von Jahren auf dem Speiseplan. Auch in nordeuropäischen Ländern wie Irland, Schottland oder Island hat der Verzehr großblättriger Algen eine lange Tradition. Dort allerdings mehr als alltägliches Lebensmittel für die Bevölkerung oder sogar als Armenspeise. Erst mit der steigenden Popularität japanischer Sushi-Restaurants eroberten Makroalgen als Bestandteil von Speisen weite Teile der westlichen Welt. Ab etwa der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts avancierten die mit ihnen umhüllten „Röllchen“ und die dazu gereichte Miso-Suppe zur trendigen Delikatesse. 

Chlorella oder Spirulina sind Mikroalgen (Einzeller). Sie haben keine vergleichbare Geschichte als Nahrungsmittel, sondern wurden im Lauf der Menschheit nur von wenigen Kulturen angebaut und gegessen. Seit einigen Jahren stehen sie nun schon als sogenanntes „Superfood“ oder Nahrungsergänzungsmittel im Fokus des Interesses. Eine steigende Anzahl neuer Unternehmen im Lebensmittelbereich nutzt den gegenwärtigen Trend zu mehr Gesundheitsbewusstsein. Sie verwenden diese aus Mikroalgen-Zucht gewonnenen Substanzen beispielsweise zur Anreicherung von Getränken, Energieriegeln oder Nudeln mit extra Nährstoffen. Dass die Anzucht des nährstoffreichen Nahrungsmittels auch in Europa an Bedeutung gewinnt und zukunftsfähig ist, zeigen die Produktionszahlen für den Zeitraum 2010 bis 2020. Die Produktion hat sich innerhalb eines Jahrzehnts von 2100 auf 21.800 Tonnen mehr als verzehnfacht. 

Käse und Milchprodukte aus dem Bioreaktor

Der Trend zu veganen Milchprodukten ist bei Weitem nicht neu. Schon seit einigen Jahren finden Konsumenten Milchersatz aus Hafer oder Mandeln in den Regalen. Das belgische Start-up-Unternehmen „Those Vegan Cowboys“ setzt sich zum Ziel, aus einem Hektar Gras mehr Milch zu gewinnen als eine Kuh. Aus dieser Milch soll dann letztlich auch veganer Käse hergestellt werden. In einem 300 Liter fassenden Bioreaktor schwimmen dafür genveränderte Mikroorganismen wie Hefe, die, mit Zucker gefüttert, Milchproteine produzieren. Pflegeleicht ist diese „Stahlkuh“ jedoch nicht. Bei zu viel Stress stellen die Hefen ihre Arbeit ein oder sterben sogar. Die Kontrolle der Geschwindigkeit von Futterzugabe, Temperatur des Wassermediums, pH-Wert und Sauerstoffgehalt mit Rohren, Uhren und Druckmessgeräten ist daher unerlässlich. Machen die Wissenschaftler ihren Job, so werden sie mit Kasein, einer einzigartigen Proteingruppe belohnt, die sonst nur in der Milch von Säugetieren auffindbar ist. Kaseine binden Kalzium und verfügen über einen hohen Nährwert. Sie sind die Grundlage für herzhaften Weich- und Hartkäse. Das Projekt versucht nicht nur, den Geschmack von Käse zu kopieren, vielmehr ist das Ziel, die Herstellung von Milchprodukten nachhaltiger zu gewährleisten. Für die Produktion von einem Kilogramm herkömmlichen Hartkäse bedarf es zehn Liter Kuhmilch. Der CO2-Fußabdruck von Käse ist außerdem wesentlich größer als der von Schweine- oder Hühnerfleisch. In Belgien entwickeln sich die Mikroorganismen in beheizten Bioreaktoren und benötigen dafür Energie, die zukünftig nur aus erneuerbaren Quellen kommen soll. Die Produktion von Milchprodukten nach diesem Verfahren soll fünfmal weniger Wasser, Land und CO2 verbrauchen. Zudem entsteht dabei auch kein Tierleid. Dies wäre somit ein wesentlich nachhaltiger Weg. Das belgische Projekt steckt noch in der Forschungsphase, dennoch gibt es in diesem Bereich durchaus Konkurrenz. Vergleichbare Start-ups aus Deutschland, Israel, USA und Großbritannien arbeiten bereits ebenfalls an Produkten aus Präzisionsfermentation.