Wort zum Sonntag: Bußtag ist wie Geburtstag

„Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.“ So lautet die erste der fünfundneunzig Thesen, die Martin Luther am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittemberg anschlug. Mitte der 1970er Jahre war ich als junger Student der Theologie völlig begeistert von diesem beherzten Ton, obwohl ich damals mit meinen zwanzig Lebensjahren noch nicht recht wusste, worum es überhaupt ging. Später lernte ich, dass „Buße“ soviel wie „Besserung“ heißt, und dass in dem griechischen Wort „metanoia“ aus dem Urtext immer auch die Bedeutung von „Umdenken“ und „Umkehr“ mitschwingt.

Es hat dann aber noch ein halbes Menschenleben gedauert, bis sich mir das Geheimnis der Buße erschlossen hat: Umkehr und Besserung. In dieser Folge und nicht anders. Zuerst muss die Erkenntnis da sein, dass das Himmelreich nahe ist, dass in Jesus Christus alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen liegen, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, dass niemand zu Gott, dem Vater, kommen kann als durch ihn. Wer das erkannt und bejaht hat, wer es also glaubt, der allein hat Anlass und Aussicht auf Erfolg, den Trugbildern der Welt den Rücken zu kehren und sein Leben auf das Reich Gottes auszurichten. Ein fester Glaube ohne jede Spur von Zweifel ist für eine solche Umkehr unerlässliche Bedingung.

Die Umkehr ist einmalig. Bestünde die Notwendigkeit, sie zu wiederholen, wäre es geradezu verderblich, wie das der Apostel Petrus im zweiten Kapitel seines zweiten Briefes ausführlich darlegt. Ist also die Umkehr vollbracht, kann zum zweiten Teil der Buße geschritten werden: zur Besserung. Hier haben wir viel zu tun, viel Mühe und Plage, meist bis ans Lebensende. Denn keiner von uns ist bloß einem Irrtum aufgesessen; alle sind wir verstrickt in weltliche Lügengespinste und täglich kommen neue hinzu, so dass wir oft nicht mehr wissen, ob wir noch auf dem Weg der Besserung sind oder wieder rückfällig werden. Da rufen uns aber die erfahrenen Athleten der Buße zu: „Halte deine Vernunft in der Hölle und verzage nicht!“

Der Weg der Besserung ist ein sehr persönlicher, weil jeder seine eigenen Fehler korrigieren muss. Tröstlich und ermutigend ist, dass der bekehrte Büßer auf diesem Weg nicht allein bleibt. Hier ist das Bild vom Gehen an der Hand Jesu beheimatet. Durch die finsteren Täler und Nöte leitet unser Erlöser einen jeden besonders und gibt ihm Kraft. Es versuchen sich zu bessern auch solche, die nicht bekehrt sind, die noch der Welt Freundschaft schätzen, doch es gelingt ihnen nicht. Etwas Falsches wird nämlich nicht durch Verbesserung wahr, sondern nur durch Änderung. Ohne Umdenken sitzt der alte Adam mit seinen Sünden und bösen Lüsten noch obenauf und deshalb ist jeder reumütige gute Vorsatz zum Scheitern verurteilt.

Wem die Umkehr gelungen ist, der feiere den Bußtag wie den Geburtstag als Beginn eines neuen Lebens, als Tag der Umkehr von der Lüge zur Wahrheit. Die Sünden werden  uns zwar in der Erinnerung lebenslang begleiten und unsere Natur anzeigen, aber sie bestimmen nicht mehr unsere Gegenwart und noch weniger unsere Zukunft. Denn, wie der Apostel Paulus schreibt, wir haben den alten Menschen mit seinem früheren Wandel abgelegt und den neuen angezogen, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Der kirchlich festgelegte Bußtag macht deutlich, dass Bekehrung und Besserung für Christen wesentliche Prozesse sind und fordert uns auf, sie offen und fröhlich zu durchleben. Amen.