Wort zum Sonntag: Der Glaube verdrängt den Unglauben

Pfr. Gerhard Wagner, Karlsburg

Die Perikope für den 17. Sonntag nach Trinitatis ist Mk. 9,17-27, aber es ist zu empfehlen, 9,14-29 zu lesen, um ein abgerundetes Bild der Begebenheit zu erhalten. Der Vorfall mit dem missglückten Heilungsversuch des epileptischen Knaben durch die Jünger ereignete sich nämlich, während Jesus auf dem Berg Tabor verklärt wurde. Als er vom Berg herabstieg, fand er unten seine Jünger im Streit mit Schriftgelehrten. Die hatten vermutlich die Unfähigkeit der Jünger zum Anlass genommen, sie in einen klassischen theologischen Disput zu verwickeln: wenn man merkt, dass die anderen von der Sache auch nichts verstehen, kann man richtig loslegen mit der eigenen Meinung.

Als Jesus zur Menge kam, entsetzten sich alle. Sehr oft lesen wir in den Evangelien, dass Jesu Erscheinen oder seine Worte bei den Anwesenden Entsetzen hervorriefen. Im vorliegenden Fall kann man das auf die Nachwirkung der Verklärung zurückführen, so wie das auch bei Mose der Fall war, dessen Angesicht glänzte, nachdem er mit Gott geredet hatte, so dass die Menschen Angst hatten,  ihm zu nahen (2. Mose 34,29f). Bei Jesus aber müssen wir annehmen, dass die göttliche Natur fortwährend seine menschliche Erscheinung umleuchtete, wie ja auch seine Lehren von den Kennern als vollmächtig wahrgenommen wurden, so dass nur geistig Blinde und Fühllose in ihm nicht den Messias sahen.

Der Meister wurde zornig, als er vom Unvermögen seiner Jünger hörte. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie Erfolg gehabt hätten, denn daraufhin zielte ja ihre Schulung: Sie sollten  werden wie er, sollten dieselben und noch größere Werke vollbringen als er (Joh. 14,12). Jünger sind eben etwas anderes als Knechte, sie sind Kinder, sie sollen wachsen, sollen ihres Meisters Arbeit fortführen, sollen Erben des Himmels werden. Das ist ja mit den Zwölfen dann auch geschehen; sie haben Jesu Werk fortgeführt mit Lehre, Zeichen und Wunder, so dass das Evangelium die ganze Welt erfasst hat. Ein Problem sind die heutigen Jünger, die sich gar nicht mehr trauen, ein Werk anzufangen, sondern, in Knechtsstellung verharrend, in allem nur noch auf Christus hinweisen: Er wird’s richten, wenn er kommt.

Der verzweifelte Vater bittet Jesus um Hilfe, wenn er denn etwas könne. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“, antwortet ihm Jesus. Damit zeigt er an, wie wichtig bei einer Heilung die Einstellung des Patienten und seiner Angehörigen ist. Darum konnte er auch in Nazareth nicht viele Zeichen tun; wegen ihres Unglaubens. Und später, als die Apostel heilten und Wunder taten, war es immer der Glaube, der für den Erfolg ausschlaggebend war. „Aus Glauben in Glauben“ oder „Aus Glauben zum Glauben“ beschreibt der Apostel Paulus die Art, wie die Kraft Gottes zu uns Menschen kommt. Der Schrei des Vaters zeigt uns, dass der Glaube den Unglauben verdrängen kann, wenn der Mensch es will.
Den Jüngern lässt ihre Niederlage keine Ruhe: „Warum konnten wir ihn nicht austreiben?“,  fragen sie. Jesus antwortet: „Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten und Fasten.“ In jeder Kunst gibt es Feinheiten, deren Notwendigkeit sich erst aus der Praxis erschließt. So erhalten die Jünger jetzt zur rechten Zeit eine Lektion, die sie vorher überhört hätten. Die Heilige Schrift ist gespickt mit diskreten Hinweisen für ein Wachstum im Glauben. Manchmal sind es nur Nebensätze, die die Schultheologie für unwichtig erklärt und ausklammert. Die Kombination von Beten und Fasten gehört dazu. Erklären kann man sie nicht, wer sie aber erprobt, dem wird Gottes Gnade reichlich widerfahren. Amen.