WORT ZUM SONNTAG: Der Perlensucher

Der Historiker der „Weltgeschichte“, Johannes Weiss, berichtet uns folgende Episode: Abd-er-Rahman II., der mächtige Kalif von Cordoba (822-852), beschenkte einmal seine Lieblingssklavin mit einem herrlichen Perlenhalsband. Als seine Wesire davon erfuhren, machten sie ihn darauf aufmerksam, dass eine solche Gabe für eine Sklavin viel zu kostbar sei. Darauf antwortete der Kalif: „Mir scheint, ihr seid vom Glanz dieses Halsbandes geblendet, weil ihr auf den Scheinwert schaut, den diese Perlen in den Augen der Menschen besitzen. Aber sagt selbst: Was ist ein kaltes, lebloses Juwel gegen ein Menschenkind, dessen Zauber das Herz mehr ergreift als alles andere um uns?! Der Mensch ist die schönste Perle, die der allmächtige Gott geschaffen hat!“

Ein wahres Wort. Gott hat in uns Menschen den größten aller irdischen Werte hineingelegt. Er hat uns Menschen als sein „Ebenbild“ erschaffen. Das trifft auf kein anderes Geschöpf zu. Diese „Perlen der Schöpfung“ wollte Christus für Gott erhalten. Darum nahm er Menschengestalt an, um diese Perlen zu gewinnen. Es war ein hoher Preis, den er dafür entrichten musste.

Wie gewann man früher Perlen? Da man damals noch nicht die heutigen Schutzvorrichtungen zum Tauchen im Meer hatte, war das Perlenfischen ein schweres und gefährliches Handwerk. In der Regel wurden Galeerensklaven dazu verwendet. Man verstopfte dem unfreiwilligen Perlensucher Nase und Ohren mit Wachs, band ihm einen schweren Stein an die Hüften und ließ ihn ins Meer hinab. Nach einiger Zeit kam er keuchend ans Licht empor, in der Hand die Perlenmuscheln, die er gefunden hatte. Der erschöpfte Mann musste drei, vier Mal untertauchen, um nach Perlen zu suchen… Viele verloren ihr Leben.

Christus kam in unsere Welt, um die kostbaren Menschenperlen für Gott zu gewinnen. Er war ein rastloser Perlensucher. Der Evangelist Markus berichtet, dass er beim Andrang der Menschen oft nicht Zeit zum Essen fand. Zu seinen Jüngern sagte er: „Lasst uns in die benachbarten Dörfer gehen, damit ich auch dort predige. Dazu bin ich gekommen!“ In einem Gleichnis vergleicht er uns Menschen mit einer kostbaren Perle. Ein Kaufmann, der edle Perlen suchte und die kostbarste aller Perlen fand, verkaufte seine ganze Habe, um diese Perle zu gewinnen. Damit hat Christus sich selbst gemeint. Denn er hat dafür den größtmöglichen Preis bezahlt: sein Blut und Leben!

Was ist unsere Reaktion darauf? Eine Verlobte wurde gefragt: „Ich habe gehört, dass du deine Verlobung gelöst hast. Was ist passiert?“ Sie antwortete: „Meine Gefühle für meinen Bräutigam haben sich verändert. Das ist es.“ Sie wurde weiter gefragt: „Wirst du ihm seinen Verlobungsring zurückgeben?“ Ihre Antwort: „Aber nein. Meine Gefühle gegenüber dem Ring haben sich nicht verändert!“ Trifft das nicht auch auf uns zu? Jesus musste diese bittere Erfahrung machen. In der Bibel heißt es: „Er lehrte wie einer, der Macht hat“, und dennoch musste er bitter klagen: „Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Wenn in Tyrus und Sidon die Wunder geschehen wären, die bei euch geschehen sind, man hätte dort in Sack und Asche Buße getan!“ „Jerusalem, wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt, aber ihr habt nicht gewollt!“

Das darf bei uns nicht geschehen, dass wir die Gaben höher schätzen als den Geber. Leider bringen viele Menschen für die Gaben Gottes, ihr Hab und Gut, mehr Liebe auf als für den Geber dieser Gaben.

Was sollen wir tun? Der „eiserne Reichskanzler“ des Deutschen Reiches, Otto von Bismarck (1815-1898), wählte für sich den Wahlspruch: „Patriae inserviendo consumor! Im Dienst des Vaterlandes verzehr ich mich!“ Wählen wir uns einen bleibenderen Wahlspruch: „Im Dienste des ewigen Vaterlandes verzehre ich mich!“ Dann wird Christus, der eifrige Perlensucher, auch in uns die kostbare Perle erkennen und sie in seinen Besitz einbringen.