Wort zum Sonntag: Frömmigkeit praktisch

Das, was Martin Luther mit „Frömmigkeit“ und „fromm sein“ übersetzt, verdeutschen andere mit „Gerechtigkeit“, „recht handeln“ oder „Gutes tun“. Manche Leute sprechen leicht und gerne über Glauben, Hoffnung, Liebe oder auch Demut, weil das dehnbare Begriffe sind und man dabei so gut phantasieren kann. Die Frömmigkeit aber wird in Predigt und Diskussionen möglichst umgangen, denn sie ist an konkrete, feststellbare Haltungen und Handlungen gebunden. In Matthäus 6,1-18 nennt Jesus die drei Hauptübungen der Frömmigkeit, die uns dazu verhelfen, den Blick frei erheben zu können: Almosengeben, Beten und Fasten. Alle drei benötigen Verborgenheit, um ihr gottgewolltes Ziel zu erreichen: den Lohn im Himmel.
Schon früh haben Christen die Regel befolgt, in freier Entscheidung einen gewissen Teil ihres Einkommens der Nächstenhilfe zu widmen. Bei dieser Methode passiert es häufig, dass man ins Überlegen kommt, ob die begrenzten Mittel nicht vielleicht morgen einem edleren Zweck  gewidmet werden können, als sie heute den verkommenen Gestalten zu überlassen, die vor einem stehen. Das Geben wird dadurch zum Krampf, wie auch, wenn wir die Bettler belehren, was sie mit der Gabe machen sollen. Besser ist, unbekümmert um die Verwendung zu geben, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Und wenn jemand mal nichts zu geben hat oder nicht will, soll er das heiter bekennen; es ist kein Drama. Gott und die Armen verstehen das.

Das Hauptgebet der Christen bleibt das Vaterunser. Keine kirchliche Zusammenkunft und keine Andacht im stillen Kämmerlein soll ohne das Beten desselben abgeschlossen werden. Wir kommen Jesus ganz nahe, wenn wir das von ihm empfohlene Gebet nachsprechen. Viele Worte sollen wir beim Beten nicht machen, denn Gott weiß längst, wie es um uns steht. In  Gethsemane wiederholt Jesus in drei Anbetungen dieselben Worte; warum sollten wir mit   immer neuen Sprachwerken glänzen wollen! Die Gefahr ist, dass, wo viele Worte fallen, sich auch falsche darunter mengen könnten. Scheuen wir uns also nicht, erprobte Gebete zu rezitieren und kurze Bitten ohne Unterlass zu wiederholen. Und achten wir auf den Erfolg.

Jesus stellt das Fasten als eigenständige Frömmigkeitsübung dar. Damit bestätigt er das rituelle Fasten der Juden, darauf sich auch der Pharisäer im Tempel bezogen hatte: „Ich faste zweimal in der Woche.“ In Apostelgeschichte 13,2-3 lesen wir vom Fasten in Kombination mit Gebet für das Gelingen der Vorhaben. Dabei werden die Apostel Mahlzeiten übersprungen haben, während sie dem Herrn dienten. Das Fasten als wochenlanger Verzicht auf gewisse Lebensmittel ist eine spätere Regelung, die oft ihren Zweck verfehlt, weil die erlaubten Fastenspeisen teurer sind und genauso sättigend wie die übliche Kost. Mahlzeiten weglassen, wenn es niemandem auffällt, das ist frommes Fasten, dazu ermuntert uns der Heiland.
Alle diese drei Werke der Frömmigkeit sollen wir laufend praktizieren, so werden sie zur Gewohnheit und wachsen sich zu Tugenden aus, die unser Leben bestimmen. Sicher ist niemand vollkommen und kann in allen dreien jederzeit wandeln: der eine kann dies, der andere kann das besser oder, es gibt Zeiten, da können wir keine Almosen geben, dann sollen wir beten und fasten, und wenn wir nicht beten können, sollen wir barmherzig sein. So können wir immer eine oder zwei Übungen aktiv halten, und mehr verlangt Gott nicht von uns. Nur, dass dies nicht öffentlich geschehe, das ist die Forderung Jesu. Er will, dass unser neues Leben mit ihm verborgen sei in Gott, bis er sich offenbaren wird in Herrlichkeit. Amen.