WORT ZUM SONNTAG: Geistliche Mutter vieler Mädchen

Man nennt die Vereinigten Staaten von Amerika das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Dank der freisinnigen Verfassung gewährt das Land geistige, wissenschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Entfaltung. Jeder kann zum Fortschritt des Landes seinen Beitrag einbringen. Das Land bietet auch eine günstige Voraussetzung für das Gedeihen religiöser Gemeinschaften. In Europa galt vor einigen Jahrhunderten als Gesetz: Cuius regio, eius et religio! Wer das Land regiert, bestimmt auch die Religionsgemeinschaft seiner Untertanen! Das war ein Attentat auf die Gewissensfreiheit der Menschen. Auch aus diesem Grunde wanderten viele Europäer nach Amerika aus. Darum gibt es heute in den USA, nach dem Brockhaus-Lexikon, etwa 1200 verschiedene christliche Gemeinschaften. Auch die katholische Kirche hat sich sehr entwickelt und verbreitet. Viele überzeugte Katholiken, Priester und Laien, leisteten ihren Beitrag zu dieser erfreulichen Entwicklung. Zu ihnen gehört auch die selige Elisabeth Seton. Sie wurde 1774 in New York als zweites Kind des protestantischen Arztes Dr. Richard Baylay geboren. Zu dieser Zeit begann der Unabhängigkeitskrieg. Schon mit drei Jahren verlor Elisabeth ihre Mutter durch den Tod. Der Vater bemühte sich nach Kräften, die fehlende Mutter zu ersetzen. Sie war 15 Jahre alt, als George Washington der erste Präsident der USA wurde.

Mit 20 Jahren vermählte sich Elisabeth mit dem Kaufmann William Seton. Es war für sie eine glückliche Zeit. Sie gebar ihrem Gatten fünf Kinder. Elisabeth war in der protestantischen Episkopal-Kirche aufgewachsen, die den Glauben an die Gottheit Christi bewahrt hatte. Sie las fleißig in der Bibel und auch das katholische Buch „Nachfolge Christi“. Danach richtete sie ihr Leben ein. Eine große Sorge bereitete ihr der geliebte Vater. Er tat viel Gutes für seine Mitmenschen, aber sein religiöses Leben beschränkte sich auf eine natürliche Humanität. Im Sommer 1801 brach im Hafen von New York das Gelbe Fieber aus und raffte viele Menschen dahin. Dr. Bayley eilte den Kranken zu Hilfe und wurde selbst angesteckt. Es gab für ihn keine Rettung mehr. Sollte er ohne überzeugten Glauben an Gott und Christus sterben? Elisabeth betete inständig für ihn und bot Gott ihr eigenes Leben und das ihrer einen Tochter für die Bekehrung des Vaters an. Gott nahm das hochherzige Angebot nicht an und half auf seine Weise. Der sterbende Vater wiederholte mit Zeichen des Glaubens und der Liebe den hl. Namen Jesu und starb mit den Worten: „Mein Heiland Jesus, erbarme Dich meiner!“

Ähnliches erlebte Elisabeth noch einmal mit ihrem Ehemann William. Er erlitt große finanzielle Verluste, sodass die Familie zu verarmen drohte. Auch seine Gesundheit litt darunter. Da kam eine Einladung der Familie Felicci aus Livorno in Italien zur rechten Zeit. Das Ehepaar fuhr mit der neunjährigen Tochter Anna Maria nach Italien. Dort angekommen, durften die Passagiere nicht an Land gehen. Sie mussten sich ins Quarantäne-Lazarett begeben. Dort hausten sie zwischen kalten, feuchten Mauern und Brettern wie in einem Gefängnis. Das war für William das Todesurteil. Er hatte inmitten seiner Geschäfte die Religion fast ganz vergessen. Von seiner glaubensstarken Ehefrau lernte er wieder beten und starb mit Gott versöhnt. Elisabeth wurde nach dem Tode ihres Gatten selbst schwer krank. Die Familie Felicci in Livorno nahm sie und ihre Tochter gastlich auf. Hier kam sie in enge Verbindung mit der katholischen Kirche. Die Folge war, dass sie 1805 katholisch wurde.
Als sie als Katholikin nach Amerika zurückkehrte. verschlossen sich für sie viele Türen, die bis dahin für sie offen waren. Elisabeth ließ sich nicht entmutigen und suchte 1808 nach einem Wirkungsplatz. Sie fand ihn in Baltimore im Staate Maryland. Dort gründete sie eine katholische Mädchenschule. Die Mädchen sollten in ihren künftigen Familien den christlich-katholischen Geist weitergeben. Viele Mädchen meldeten sich. Auch Frauen traten ihr als Helferinnen zur Seite. Im Jahre 1813 wurde aus diesem Beginn eine religiöse Gemeinschaft. Die vorbildliche Gattin, Mutter von fünf Kindern und tiefgläubige Konvertitin wurde die geistliche Mutter einer neuen Ordensfamilie, die für die katholische Kirche von Amerika von größter Bedeutung wurde.

Elisabeth starb, erst 47 Jahre alt, im Jahre 1821. Ihr Werk lebt noch heute und zählt über 11.000 Schwestern. Zwei ihrer Töchter traten in den Orden ein, ein Sohn wurde ein bekannte Schriftsteller und der andere sogar Bischof. Auf sie trifft das Wort aus dem „Buch der Weisheit“ zu: „Die Gerechten leben in Ewigkeit!“