WORT ZUM SONNTAG: Krankheit und Heilung

„Hallo! Ich habe dich so lange nicht gesehen! Warst du im Urlaub?“
„Nein“ antwortete sie. „Ich war krank. Zunächst war ich zwei Monate im Krankenhaus, anschließend noch drei Wochen zuhause.“

Ist Ihnen auch schon diese Situation begegnet? Wenn jemand krank wird, so lehrt uns die Erfahrung, sieht man ihn oder sie nicht mehr. Gemeint ist damit natürlich nicht der Ehepartner oder das eigene Kind, sondern eine Freundin oder ein Freund, ein Nachbar, ein Gemeindeglied.

Krankheit betrifft immer den ganzen Menschen. Sie schädigt nicht nur Körper oder Körperteile, sondern betrifft auch die Beziehung des Menschen zu sich selbst, zu anderen Menschen und zu Gott. Krankheit hat mit der Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens zu tun. Sie macht bewusst, wie kostbar das Leben ist. „Geheilt werden“ bedeutet insofern „nicht die unmittelbare Anknüpfung an den Zustand vor der Krankheit.“ (Nancy Bullard-Werner).

Der 19. Sonntag nach Trinitatis hat das ganzheitliche Heilen als Thema. Die Lesungen des Sonntags verdeutlichen, dass der Mensch mehr als nur Leib ist, der Schaden nehmen kann. Wenn Jesus heilt, so zeigt es uns auch das Evangelium des Sonntages „Die Heilung des Gichtbrüchigen“ (Markus 2,1-12), dann heilt er den ganzen Menschen, sodass auch die Seele wieder gesund wird.

Der Predigttext aus dem Jakobusbrief ermöglicht uns einen ganz anderen Zugang zu dieser Fragestellung. Er fragt nach dem Umgang mit Krankheit, einmal im persönlichen Leben, aber auch in der Gemeinde.

Jak 5, 13-16
Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen. 14 Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. 15 Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden. 16 Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.

Der Jakobusbrief verdeutlicht, dass der Glaube Ausdruck und Gestalt im christlichen Leben finden muss. Der christliche Glaube ist in diesem Sinn nicht nur eine Überzeugung, ein Bekenntnis von Glaubenswahrheiten, sondern eine konkrete und bewusste Lebenseinstellung. Diese Einstellung kann und darf sich nicht der gelebten Realität entziehen, sondern muss ihren konkreten Ausdruck im täglichen Leben haben, sie muss in der Begegnung mit Menschen und in der Gemeinschaft fassbar sein.

Beispiel hierfür ist die Aufforderung, so fremd sie uns heute erscheinen mag, dass die Gemeindeverantwortlichen im Krankheitsfall für den Kranken beten und ihm Beistand leisten. So kann der Kranke am Prozess des Lebens in der Gemeinde beteiligt sein. Den Grund für diese Aufgabe nennt Jakobus selbst. Das Gebet wird dem Kranken helfen und ihn aufrichten. Und wenn er gesündigt hat, wird ihm vergeben. Das ist wohl die größte und wichtigste Zusage dieses Textes.

Bezeichnenderweise wird hier Sünde und Schuldbewusstsein mit Krankheit und Heilung verbunden. Die wichtigste Aufgabe des Evangeliums von Jesus Christus ist und bleibt es, Krankheit als direkte Folge von Sünde zu trennen. Wir glauben nicht an einen Gott, der Menschen für ihre Sünden mit Krankheit straft, und wir glauben auch nicht, dass das Gericht Gottes sich vollzieht, indem Sünde sich in Krankheit ausdrückt. Diese immer wiederkehrende Aussage spiegelt sich in den oft von Kranken gestellten Fragen, wie: „Warum gerade ich? Warum jetzt? Was habe ich getan?“

Das Fürbittengebet hilft. So hält der Jakobusbrief die Wirkung des Gebets fest. „Heilung“, also körperliche Genesung, ist dabei immer unverfügbares Zeichen Gottes und nicht direkte Folge von Fürbittengebet. Bleibt die Heilung aus, so steht dies nicht im Widerspruch zum Heil, das Gesunden und Kranken in der Sündenvergebung gleichermaßen durch Jesus Christus geschenkt wird. Das Gebet vergewissert uns der Gegenwart Gottes und lässt uns heil werden in einem umfassenden Sinn, an Leib und Seele.