WORT ZUM SONNTAG: Zwischen Morgen- und Abenddämmerung

Viele Menschen, die durch Feinde oder leidensvolle Ereignisse große Enttäuschungen erlebt haben, halten die Welt nicht mehr für „lebenswert“. Sie werden in ihrer Überzeugung noch durch die Möglichkeit eines alles zerstörenden Atomkriegs bestärkt. Stürzt doch schon der Coronavirus unsere moderne, superorganisierte, automatisierte Welt in ein weltweites Chaos. So stimmen viele dem Herold des Pessimismus Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) zu: „Die Welt, in der wir leben, ist die schlechteste aller möglichen Welten!“ Über den Wert des Lebens urteilte er: „Es ist ein Geschäft, das die Kosten nicht deckt. Deshalb wäre es besser, wenn wir nicht wären!“

Wer von diesem Pessimismus angesteckt wird, sieht nur das Negative in der Welt. Das bestärkt ihn in seiner Überzeugung. Schwarz ist die Lieblingsfarbe des Pessimisten. Deshalb sieht er die Welt so: „Die Welt ist außen lieblich; ist weiß und grün und rot; doch innen schwarz von Farbe und finster wie der Tod!“ Von dieser pessimistischen Lebenshaltung angesteckt, dichtete Nikolaus Lenau: „Ob jeder Freude seh´ ich schweben, der Geier bald, der sie bedroht! Was du gesucht, geliebt im Leben, bald ist´s verloren oder tot!“ Soll das der „Weisheit letzter Schluss“ sein?

Der Universalgelehrte Gottfried W. Leibniz (1646 - 1716) kam in seiner gelehrten Weltanschauung zum krassen gegenteiligen Schluss: „Gott hätte die Welt nicht geschaffen, wenn sie nicht unter allen möglichen die beste wäre.“ Er ist der Vater des Optimismus. Wer in seine Fußstapfen tritt, sucht in allen Dingen der Welt, was froh macht. In diesem Sinne klingt folgendes Lied wie eine Hymne: „Und heißt die Welt ein Jammertal und doch ist sie so schön! Hat Freuden ohne Maß und Zahl, ist lieblich anzusehn. Das Vögelein, das Bienelein, sie dürfen sich des Maien freun!“ Der Optimist sieht alles „rosarot“.

Was sagen wir Christen dazu? Die Welt ist weder kohlenschwarz noch superrosarot. Sie ist ein farbiges Buntgemisch aus Freud und Leid, aus Lust und Schmerz, aus Alleluja und Auweh. Sie ist weder ein Unterhaltungssaal, noch eine Folterbank. Für uns Christen ist die Welt ein Bewährungsfeld.

Goethe hat in seinem „Faust“ Recht: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!“ Wir sind hier auf Erden im Kampf zwischen Gut und Böse. Siegt das Böse in uns, werden wir zu Pessimisten, siegt aber das Gute in uns, so werden wir zu Optimisten.

Die zwei Jünger Jesu, die nach seiner Kreuzigung von Jerusalem nach Emmaus gingen, sind für uns symbolisch. Sie hatten sich dem wortgewaltigen Wundertäter angeschlossen und hofften voller Optimismus, in seinem Messiasreich, einflussreiche Posten zu erhalten. Sie sahen die Zukunft „rosarot“. Da brach die Katastrophe von Golgota herein. Nun waren sie am Boden zerstört. Die rosarote Farbe war schwarz geworden. Doch das änderte sich schlagartig, als sie vom unerkannten Christus aufgeklärt wurden und für einige Augenblicke den Auferstandenen sehen durften. Sie sagten: „Brannte nicht das Herz in uns, als er uns die Schrift erschloss?“

Auch uns wurde die Schrift vom gekreuzigten und auferstandenen Christus erschlossen. Diese frohe, rettende Botschaft soll auch unser Herz zum Brennen bringen. Dieses Osterfeuer verbrennt den Pessimismus zu Asche. Der gesunde Optimismus zieht dann in unser Herz ein. Wer an Gott und an den auferstandenen Christus glaubt, kann kein Pessimist werden. Überlegen wir:

Der Ungläubige lebt als Pessimist in der Abenddämmerung. Nur für eine kurze Zeit leuchtet ihm das Licht dieser Welt. Täglich nimmt es ab, erlischt ganz im Tod und er landet, laut Christus, in der „äußersten Finsternis“.

Der gläubige Christ lebt als Optimist in der Morgendämmerung. Noch sieht er vieles unklar. Das zunehmende Licht des Glaubens stärkt seine geistige Sehkraft. So erkennt er, dass der beschwerliche Weg der Botschaft Christi „per crucem ad lucem – vom Kreuz zum Licht“ ihn aus der Morgendämmerung des irdischen Lebens in das „ewige Licht“ führt. Das soll auch an uns wahr werden.