Zettelwand

Symbolbild: sxc.hu

Unlängst sah ich in einer kleinen Privatschule eine sympathische Pinnwand. Auf unzähligen bunten Zettelchen stand mit krakeliger Kinderhand geschrieben: „Wir malen nicht auf die Tischplatte“. Oder: „Wir essen nicht im Unterricht“. Süß auch das: „Wenn wir rülpsen, sagen wir ‚Pardon!‘“. Dann: „Ich darf nicht am Mikroskop herumspielen“, dazu eine Zeichnung mit zwei Sprechblasen. In der ersten steht: „Ich will doch bloß schauen!“ Die zweite mahnt: „Du machst es noch kaputt!“.

Wie einfach ist doch die Welt der Kinder! Eine lustige Zettelwand, an der alle begeistert mitgebastelt haben, macht Spaß und diszipliniert spielerisch, ganz nebenbei. Wär das nicht auch was für uns Erwachsene? Fangen wir am besten im eigenen Haushalt an: „Ich soll die Essensreste nicht ganz hinten in den Kühlschrank schieben“, würde ich die anderen Familienmitglieder gerne auf ihr Zettelchen schreiben lassen, und sie liebevoll dazu anregen, es mit einem Teller pelzig-verschimmelten Eintopfs zu illustrieren. Denn wie oft hab ich Reste schon aufzutischen vergessen, weil sie außer Sichtweite gerieten. Oder aber: „Wir schrauben die Gasflasche wieder zu, nachdem wir mit dem Herd gespielt haben!“ Sprechblase 1: „Wo sind denn hier die Zünder?“ Sprechblase 2: „WUMMM!“

Wie harmlos würden Streitigkeiten ausfallen, wenn wir uns in allen Situationen statt unüberlegter Worte handgeschriebener, bunter Zettelchen mit witzigen Illustrationen bedienten? Zum Beispiel im Straßenverkehr: „Wir hupen nicht, wenn wir ungeduldig sind“. Sprechblase 1: „Du bist mir aber im Weg!“ Sprechblase 2: „Ich will mir nur in Ruhe die Landschaft angucken.“ Zu welchen Zettelchen man mich wohl ermutigen würde? Vielleicht: „Wir schmeißen nicht das Telefon zu Hause in die Ecke“, Sprechblase 1: „Ist doch Feierabend, wer soll schon anrufen?“ In Sprechblase 2 prangt ein Handybildschirm: „5 verfehlte Anrufe“. Oder: „Wir knicken keine Eselsohren als Lesezeichen in Bücher“. Sprechblase 1: „Die fallen wenigstens nicht raus.“ Sprechblase 2 fällt darauf endlich nichts mehr ein...

Statt Verhaltensrichtlinien und Tadel könnte man aber auch die positive Zettelkommunikation einführen. Stellen Sie sich vor, Sie würden eines morgens folgende Botschaft auf dem Autositz vorfinden: „Gute Fahrt, mein Schatz, pass gut auf dich auf!“ Oder im Büro: „Gratuliere zu dem schönen Artikel.“ Vor meiner Hochzeitsfeier passierte mir tatsächlich etwas Ähnliches. Auf meinem Bildschirm in der Redaktion klebten – wie eine Invasion gelber Schmetterlinge – etwa 20 kleine Post-Its: „Liebe ist die stärkste Kraft“,... so und ähnlich lauteten die Botschaften, die meine Kollegin Aida dort aufgeklebt hatte. Ich pflückte sie vorsichtig ab und sammelte sie in eine Mappe. Unlängst fiel sie mir wieder in die Hände. Und nun schreibe ich selbst kleine Zettelchen. Zuerst für die Schwiegermutter: „Vielen Dank fürs Nüsse Aufschlagen!“ Dann für meinen Mann: „Wie schön, dass es dich gibt!“