Zugebissen: ...aber der Käse kostet Geld


Ganz früh in seinem schulischen Werdegang lernt jeder rumänische Schüler, dass die Volksballade Miori]a, in der es um drei Hirten und ein Schaf geht, nicht nur kulturelles Erbe der Nation, sondern auch ein fester Bestandteil der rumänischen Seele ist. In diesen Tagen erlebt der souveränistische Flügel der rumänischen Politik ein Drama, das in vielen Elementen an die genannte Ballade erinnert.

Nachdem der  Hauptheld, der Hirte Georgescu, nicht wie in der Ballade von den rivalisierenden Hirten, sondern von nationsfeindlichen Mächten beseitigt wurde und er nicht einmal dazu kam, sein Testament zu verfassen – dieses macht in der Ballade den größten Teil aus – fanden sich seine Kompagnons mit der Tatsache konfrontiert, sein Erbe unter sich aufteilen zu müssen. Das Erbe so groß und wuchtig, die damit verbundene Verantwortung so unermesslich, dass man sich erst sammeln musste, um dem Nachlass gerecht werden zu können. Da man sich im innersten Kreis nicht klar war über Wer und Wie, traten erst zwei das Erbe an: der Fußballfan-Herdenleiter Simion und die Kleinherdenanführerin Gavril˛. Sobald sich das Dunkel ein wenig lichtete zog sich Gavril˛ in ihre Kleinherde zurück und ließ Simion das Rampenlicht genießen. Und genau dann kommt der einzige richtige Hirte in unserer Geschichte zum Zug.
Besorgt um das ach so wertvolle Erbe Georgescus tritt George Becali aus der goldenen Partei aus und lässt das ganze Land hinter den Vorhang blicken.
Eines der bekanntesten rumänischen Sprichworte lautet: „Prieteni, prieteni, dar brânza-i pe bani“ (Wir sind zwar Freunde, aber der Käse kostet Geld). Und um Käse geht es in dem vor unseren Augen ablaufenden zeitgenössischen Balladengeschehen. Und zwar erzählt der Hirte/Immobilienmogul/Fußballmannschaftseigentümer  Becali: „Ich habe ihn (Simion) als mein Kind betrachtet und ihm 20 bis 30 Tonnen Käse und 20.000 Euro geschenkt“. Dazu antwortet der gekränkte Teenager und Parteivorsitzende Simion: „Er (Becali) ist Geschichte, armer Kerl. Soll er sich mit dem Fußball beschäftigen, soll er sich mit den Schafen beschäftigen, soll er sich mit der Kirche beschäftigen.“ Wer Kinder hat, kennt sicher die Zeichentrickfilmreihe: Total Drama Island. Der Disput zwischen den beiden erinnert jedenfalls daran. Fazit: Becali packte seine Spielsachen, seine Schafe, sein Geld und sagte der Partei und ihrem Simion: „Adieu“.

Becali, bekannt in Rumänien auch als der Kämpfer des Lichts, wie ein Held, der nicht müde wird zu kämpfen, kürt sich selbst zum rechtmäßigen Verwalter von Georgescus Erbe und verspricht, dass er dafür sorgen wird, dass dieses nicht in falsche Hände (man lese: Simion oder Gavril˛) fällt und so im Dunkel der Geschichte verschwindet. Hier aber leuchtet ein Hoffnungsschimmer für Rumänien auf: kein einziges der bisherigen politischen Projekte Becalis wurde wirklich von Erfolg gekürt.

Doch Käsegeruch liegt in der Luft. Auch wenn dieser nicht so dominant ist wie der der bekannten Schimmelkäsesorten, hat die feine Nase des Ex-Premiers Victor Ponta das nach Geld duftende feine Telemea-Aroma wahrgenommen. Ponta sieht sich natürlich selbst als der einzig wahre Befähigte, das noch immer auf dem Tisch liegende Georgescu-Erbe mit dem rumänischen Volk als dessen Präsident zu teilen. Dazu könnte natürlich Becalis Geld verhelfen. Also versucht der sich früher selbst ernannte „junge Titulescu“, Becali zu überzeugen, dass sie mehr verbindet als trennt. Doch weiß man von dem Immobilienmogul, dass er so gut wie nie das Käsemesser aus der Hand gibt.

Sollte dieses der erwünschten Partnerschaft im Wege stehen, sollte Ponta die Hoffnung nicht aufgeben. Die Tate-Brüder sind gerade wieder in Rumänien und jagen mit 150 Stundenkilometer durch die Hauptstadt. Vielleicht fällt von deren Tisch so mancher Käsekrümel ab.