Zugebissen: Gleichschaltung mit Leistungsstipendien

Eine der großen Fragen in der Bildung dreht sich um das folgendes Dilemma: Wer soll eher gefördert werden - die guten Schüler, damit sie besser werden und ihr gesamtes Potential entwickeln können? Oder die eher schwachen Schüler, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Defizite zu bewältigen? In einem idealen System würde die Antwort lauten: beide - und zwar entsprechend ihrer Bedürfnisse. 

In einem politisch instrumentalisierten Bildungssystem, wie das in Rumänien der Fall ist, wo leider Politiker, die durch das Bildungswesen wie die Ente durch Wasser geschwommen sind, ohne nass zu werden, die Fäden in der Hand halten, erleben wir Situationen, die jedem halbwegs vernünftigen Menschen mehr als absurd vorkommen dürften. 

In einer typisch unüberlegten Hau-Ruck-Maßnahme wurde die Vergabe der Leistungsstipendien für Schüler mittels des Bildungsgesetzes für das voruniversitäre Bildungswesen (Gesetz 198/2023) geändert. Dabei handelt es sich, dürfen wir nicht vergessen, um das stark umstrittene Bildungsgesetz, welches nach achtjähriger intensiver Arbeit die Verwirklichung des Präsidialkonzepts eines gebildeten Rumäniens darstellen soll. Die entsprechende Methodologie finden wir im Erlass des Bildungsministers Nr. 6.238/08.09.2023 (auf der Homepage des Bildungsministeriums einzusehen). Hier lesen wir: „Leistungsstipendien: werden an mindestens 30 % der Schüler jeder Klasse der Sekundarstufe und des Lyzeums einer voruniversitären Bildungseinrichtung in absteigender Reihenfolge des jährlichen Gesamtdurchschnitts vergeben; wenn es die Situation erfordert, wird die Liste der Begünstigten entsprechend der Methodik auf alle Schüler mit einem Durchschnitt von 9,50 oder höher erweitert“. In einem weiteren Punkt erfahren wir: „Die Leistungsstipendien für Schüler der 9. Klasse werden auf der Grundlage des Durchschnitts der Zulassung zum Lyzeum oder Berufsschule vergeben.“ Und dadurch wurde die Basis für eine der unwahrscheinlichsten Situationen geschaffen. 

So entnehmen wir einer Mitteilung des Bildungsministeriums vom 1. November 2023: Von den 461.700 Leistungsstipendiumsempfängern in den ersten zwei Monaten des laufenden Schuljahres haben 82,78% der Schüler Noten zwischen 8 und 10 (von diesen 52,55% Noten zwischen 9,5 und 10). 8,74% der Empfänger haben Noten zwischen 5 und 7,99 und 1,84% Noten unter 5. 

Umschrieben: fast zwei Prozent sind Schüler, die das vergangene Schuljahr nicht bestanden haben oder aber bei der Eignungsprüfung nach der 8. Klasse nicht die Mindestnote 5 erhalten haben. Für diese Glanzleistung werden sie mit 450 Lei pro Monat belohnt. In konkreten Zahlen sind das 5250 Schüler mit Durchschnittsnoten zwischen 4 und 4,99; 2382 Schüler mit Noten zwischen 3 und 3,99; 704 mit Noten zwischen 2 und 2,99 und 158 mit Noten unter 2 (dabei sollte nicht vergessen werden, dass die kleinste Note im rumänischen Bildungswesen 1 ist). Zugegeben: Wahrscheinlich entstammen die meisten dieser Schüler einem eher der Armut ausgesetzten Umfeld und haben eine finanzielle Unterstützung nötig, doch dieses mit einer Leistungsbelohnung gleichzusetzen, ist doch sehr weit hergeholt. 

Genauso fragwürdig bleibt die Vergabe von Leistungsstipendien an die 8,74% mit Noten zwischen 5 und 7,99.   

Jenseits der mehr als fragwürdigen Lebenseinstellung, die da vermittelt wird (ob man sich bemüht oder nicht, belohnt wird man sowieso), kann man sagen, dass bei einer derartigen Gleichschaltung jedes kommunistische Ideologenherz höher schlagen dürfte. 

Nun will das Bildungsministerium die Vorschläge zur Verbesserung der Methodologie der Vergabe der Leistungsstipendien analysieren. Wahrscheinlich dürfen wir uns auf weitere Überlegungen einstellen, die acht Jahre dauern werden und alles verschlimmbessern werden, denn die jüngere rumänische politische Geschichte hat uns gelehrt: Was lange währt, wird selten gut.