1943 stellte Abraham Maslow unter dem Titel: „A Theory of Human Motivation“ seine bekannte Pyramide der menschlichen Bedürfnisse vor. An der Basis, an zweiter Stelle, befindet sich das Bedürfnis nach Sicherheit. Auf individueller Ebene entspricht dieses meistens einem sicheren Heim. Am sichersten im rumänischen Bewusstsein ist aus dieser Perspektive das Eigenheim. Darum sieht man schon in jungem Alter den Drang eines jeden Rumänen zum „Schaffe, schaffe Häusle baue“. Natürlich wird dieses Haus meistens nicht mehr mit den eigenen Händen gebaut, sondern gekauft.
Diesen Drang nach einem eignen Haus machten sich die Eigentümer von Nordis zum Spielfeld. Sie nutzten das Bedürfnis nach Sicherheit ihrer Kunden aus und schaufelten knapp 200 Millionen Euro in die eigenen Taschen. Aus der Perspektive der Maslowschen Pyramide kann man sagen, dass sie bemüht waren, ihre Individualbedürfnisse und ihre Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, die Spitze der Pyramide, zu verwirklichen. Dafür brauchte es scheinbar Schönheitseingriffe, luxuriöse Feste, Wohnungen in Monaco usw.
In Untersuchungshaft gelandet, verspricht das Ehepaar, welches sich an der Spitze des Netzwerks befand, dass es noch vieles über viele Beteiligten zu erzählen habe. Derartige Ponzi-Betrügernetzwerke sind nicht neu im Donau-Karpaten-Raum. Caritas, Bancorex, der Nationale Investition Fonds (FNI), SAFI usw. Eine lange Liste. Die meisten im Nebel des Kollektivgedächtnisses verschwunden...
Schaut man sich die Geschichte der großen Betrüger-Skandale an, wird das Herz eines jeden Souveränisten höher schlagen. Es waren immer nur Rumänen am Werk. Wir erlauben ja keinem Ausländer, so mit uns, mit unserem Geld und mit unseren Träumen, umzugehen. Wenn es einer sein soll, dann wenigstens einer von uns. Gegen den bösen verkommenen Westen können wir uns bestens schützen.
Wie das gehen soll, hat uns der Leuchtturm des Souveränismus, C²lin Georgescu, erklärt. Wir schützen die rumänische Wirtschaft und die rumänische Seele, indem wir die großen Retailer-Ketten boykottieren. Was zählt es, dass diese für rumänische Unternehmen einen neuen Absatzmarkt geschaffen haben? Was zählt es, dass in manchen Produkt-sparten hier mehr als 80 Prozent rumänische Ware verkauft wird, dass dadurch eine kurze Lieferkette zwischen rumänischen Landwirten und Kunden entstanden ist oder dass diese Unternehmen landesweit fast eine Million Rumänen beschäftigen? Es sind keine Rumänen, die dort das absolute Sagen haben, darum sind sie Feinde und Ausbeuter des wahren rumänischen Seins.
Und während man in Rumänien so vor und für sich überlegte, wie man in diesem Land die Maslowsche Pyramide anwenden sollte und ob man sie überhaupt anwenden sollte, denn die ist ja auch nichts Rumänisches, tritt der Präsident, der seinen Platz in der modernen Geschichte unseres Landes durch seine langen Abwesenheitsphasen, die er laut eigenen Aussagen immer gebraucht hat, um sich das eine oder andere gut zu überlegen, vor das Volk und kündigt seinen Rücktritt an.
Ein längst überfälliger Schritt. Ein Schritt, den er wahrscheinlich nur gemacht hat, um nicht abgesetzt zu werden. Ein Schritt, den er nur auf Druck der eigenen Koalitionspartner getan hat. Ein Schritt, der ihm sicherlich nicht leichtgefallen ist. Nimmt man Maslow erneut zur Hand und versucht, die beiden Mandate des Hermannstädter Physiklehrers aus dieser Perspektive zu analysieren, wird man feststellen müssen, dass er wahrscheinlich in diesen zehn Jahren die Spitze der Pyramide (Individualbedürfnisse und Selbstverwirklichung) in vollen Zügen ausgelebt und genossen hat. Dass er dabei eine wichtige Rolle in der Verursachung des Chaos, das wir gerade erleben, gespielt hat, bleibt eine Nebensächlichkeit. Vielleicht in seiner bevorstehenden Rente wird er es sich dieses mal gut überlegen.