Zugebissen: Partizipative Demokratie


Referendum hieß das Geleitwort am Wochenende und am Anfang der Woche. Referendum in der Republik Moldau zur Änderung der Verfassung hinsichtlich eines möglichen EU-Beitritts. Referendum in Bukarest betreffend einer administrativen Umgestaltung der Hauptstadt.

Bleiben wir für den Anfang diesseits der rumänischen Grenze. Bukarests Bürgermeister Nicu{or Dan versucht in dem administrativen Moloch, den Rumäniens Hauptstadt darstellt, seine Handlungsmöglichkeiten mittels Referendum zu erweitern. Zwei Fragen sollen der Bevölkerung vorgelegt werden: ob Baugenehmigungen nur noch vom Oberbürgermeisteramt erteilt werden und wie die Steuergelder zwischen demselben Amt und den Bezirksbürgermeisterämter aufgeteilt werden sollen. Zwei Fragen? Nein, sondern drei, denn die sozialinteressierte PSD will noch wissen, ob die Bürger einverstanden sind, dass das Oberbürgermeisteramt in den Schulen Antidrogenkonsum-Kampagnen durchführen soll. „Ce are sula cu prefectura?“ (Was hat der Körner mit der Präfektur zu tun?) würde man mit einer rumänischen Redewendung fragen. Man könnte es so erklären: Nicu{or Dan lässt sein inneres politisches Tier langsam ans Tageslicht kommen und baut sich für 2029 als Präsidentschaftskandidat auf. Politisch gekonnt hat er sich die Zusage aller wichtigen Parteien gesichert und das erwünschte Referendum genehmigt bekommen. Dazu gehörte auch das Zulassen einer sinnlosen, ja seien wir ehrlich, einer mehr als blöden Frage, in das Referendumsverfahren. Der Etappensieg gehört dem Oberbürgermeister, doch bis nicht alle Details geklärt sind, so z.B. ob jede Frage einzeln mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet wird oder alle drei gemeinsam, oder aber wie die Finanzierung und Abwicklung des Referendums laufen soll, sei inklusive denen, die Loblieder erklingen lassen, ein bisschen Geduld empfohlen. Außerdem wissen wir aus den letzten 35 Jahren, dass sogenannte konsultative Volksbefragungen in Rumänien so gut wie keinen Wert haben. Liegen in den Schubladen des Parlaments nicht schon seit Băsescus Zeiten die Ergebnisse einer derartigen Befragung, welche den Willen des Volkes hinsichtlich eines Einkammerparlaments und einer Höchstzahl von 300 Parlamentarier ausdrückt, vor? Keine Sorge, unsere Parlamentarier erinnern sich nicht mehr daran.

Wenden wir aber auch den Blick kurz auf die andere Seite der Grenze, in die Republik Moldau. Mit einer Mehrheit von nur etwas mehr als 13.000 Stimmen wurde beschlossen, dass die Verfassung des kleinen Staates im Osten hinsichtlich eines möglichen EU-Beitritts verändert wird. Die Zahlen zeigen, dass im Inland hauptsächlich dagegen gestimmt wurde, wohingegen die in der EU-Diaspora lebenden Moldauer mit „Ja“ gestimmt haben. Für viele Politikanalysten eine Überraschung, da man mit einem viel höherem Zuspruch gerechnet hat. Mit Sicherheit kann man jetzt schon sagen, dass Maia Sandus zu erwartendes zweites Mandat als Präsidentin nicht einfach sein wird, was die Durchführung von EU-freundlichen-Maßnahmen betrifft. Störend wirkte auf jeden Fall die Überheblichkeit mancher rumänischer Kommentatoren, die wahrscheinlich vergessen haben, wie das gleiche in Rumänien 2003 organisierte Referendum abgelaufen ist. Um die Mindestbeteiligungsquote zu erreichen, musste das Referendum über zwei Tage organisiert werden und trotzdem lag die Beteiligung bei nur knapp über 50 Prozent. So mancher kann sich noch erinnern, dass damals in etlichen Ortschaften sogar Tombolas organisiert wurden, nur um die Leute zu überzeugen, den Weg in die Wahllokale zu finden. Jetzt, 21 Jahre später, kann man so manchem Experten kaum noch mit der Bohnenstange das Wasser reichen, so hoch sitzen sie auf dem Pferd ihrer Überheblichkeit und vergessen, dass auch Rumänien im Bereich partizipative Demokratie noch sehr viel zu lernen hat.

Was das Referendum in der Republik Moldau aber ganz klar gezeigt hat: wie stark der russische Einfluss im Falle von Wahlen sein kann. Welche rumänischen Politiker, die in Kürze vor das Volk treten werden, um gewählt zu werden, auch mit russischem Geld finanziert werden, kann nicht gesagt werden (auch wenn es manchmal mehr als offensichtlich zu sein scheint). Dass aber Russland wenigstens versuchen wird, gezinkte Karten auch in Rumänien ins Spiel zu bringen, ist sehr wahrscheinlich. In den drei uns bevorstehenden Wahlen wird sich an der Beteiligung zeigen, ob und wie viel wir den Moldauer Bürgern „voraus“ sind. Ich befürchte, uns steht ein nicht so angenehmes Erwachen bevor.