Zukunft für ehemalige Fabrikhallen

Das industrielle Erbe von Kronstadt wird wiederverwertet

Heute sind die meisten ehemaligen Fabrikhallen Ruinen. Doch sie können noch gerettet werden. Die Stadtbehörden suchen nach Ideen.
Foto: brasov.net

Eine Halle der Rulmentul-Fabrik im März 1962
Archivfoto: Agerpres/Ion Dumitru

Vor einigen Jahrzehnten erfüllte der Klang der Herstellung von Kugellagern die Fabrikhallen des Kronstädter Rulmentul-Werks. Früher waren hier Flugzeughangars angesiedelt. Heute herrscht hier Stille, doch in ein paar Jahren wird man vielleicht auf dem Gelände tosenden Applaus hören: Denn die alten Hallen könnten alternative Kulturräume beherbergen und Raum für Galerien, Theater-, Film- oder Musikveranstaltungen schaffen. 

Während viele leerstehenden Fabrikgelände inzwischen abgerissen und modernen Neubauten Platz gemacht haben, könnte das ehemalige Industriegelände Rulmentul als Kulturzentrum ein fester und wichtiger Bestandteil der Kronstädter Kunst- und Kulturszene werden. So wie es in vielen europäischen Städten der Fall ist. Interesse an den Hallen des ehemaligen Kugellagerwerks hatte auch die ehemalige Stadtverwaltung gezeigt. Es gab Pläne, hier einen Gewerbepark und ein technisches Museum der Kronstädter Industrie zu errichten. Doch diese Pläne wurden niemals verwirklicht. In diesem Sommer wurde aber ein erster Schritt in die Richtung der Wiederverwertung des ehemaligen Industriegeländes getan: Vertreter des Nationalinstituts für Kulturerbe (INP) und der Bürgermeister Allen Coliban haben die Ergebnisse einer Studie zur Identifizierung der kulturellen Ressourcen und des Potentials für die Wiederumwandlung des Rulmentul-Geländes vorgestellt, nachdem die Spezialisten des Instituts den Wert der Gebäude auf dem ehemaligen Industriestandort analysiert haben. Die Analyse wurde sowohl aus historischer und wirtschaftlicher Perspektive als auch hinsichtlich ihres Nutzens für die Kronstädter Gemeinde und der Hervorhebung des industriellen Erbes, das die Stadt noch besitzt, durchgeführt. 

Lösung zugunsten der Kronstädter gesucht 

Bürgermeister Allen Coliban betonte, wie wichtig es sei, eine wissenschaftlich fundierte Analyse durchzuführen, um das Gewerbegebiet zugunsten der Kronstädter umzuwandeln. Ebenfalls sei es wichtig, einen Ideenwettbewerb zu starten, um Lösungen für das Projekt zu finden. „Wir können nicht von einer echten Erneuerung eines Industriestandortes sprechen, ohne die Geschichte dieser Orte besser zu verstehen. Denn wir sprechen von einer fast hundertjährigen Geschichte. Es sind Fabrikhallen, die aus der Zwischenkriegszeit stammen und die früher zur Flugzeugfabrik IAR gehörten. Rulmentul bewahrt alle architektonischen und industriellen Phasen, die dieser Standort im letzten Jahrhundert durchgemacht hat. Es ist wichtig, diese Geschichte zu verstehen. Es ist wichtig zu verstehen, welche Gebäude einen historischen Wert haben. Der Umbau von Rulmentul sollte von diesem Fundament ausgehen. Das ist für uns die beste Option und wir werden dadurch mit Sicherheit die richtige Formel für die Umgestaltung des gesamten Geländes finden. Es handelt sich um über 30 Hektar Fabrikhallen und Grünflächen. Die Studie, die ich dem Nationalen Institut für Denkmalpflege in Auftrag gegeben habe, umfasst den gesamten Gebäudekomplex. Dabei handelt es sich um eine Fläche, die sich in Besitz der Stadt befindet und einer kleineren Fläche, die Privateigentum ist. Unser Ziel ist es, wertvolle Gebäude, unabhängig vom Eigentümer, zu einem neuen Leben zu erwecken, sie zu schützen und zu schätzen. Die nächste Etappe ist dann ein Wettbewerb, durch den Lösungen gesucht werden. Dabei wird man einen zonenbezogenen Stadtplan sowie eine Machbarkeitsstudie erstellen, damit die Investition richtig begründet wird. Danach folgt der Wettbewerb“, erklärte Coliban. 

Erhaltung bringt Vorteile, Abriss ist unökologisch 

Die Analyse der Spezialisten vom Nationalinstitut für Kulturerbe hat gezeigt, dass die Erhaltung bestimmter Industriegebäude viele Vorteile mit sich bringt, da in diesen Räumen Kultur-, Sport-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen entstehen könnten. „Die ganze Struktur befindet sich noch in gutem Zustand, und das begünstigt einen Umbau. Solche Räume könnten verschiedene Funktionen haben und in Zukunft als Kultureinrichtungen oder auch Geschäftszentren funktionieren. Eine solche Studie war notwendig, weil ansonsten meines Wissens das wahrscheinlichste Szenario darin bestand, 90 Prozent dieser Gebäude abzureißen. Doch das Abreißen von Gebäuden ist ein unnachhaltiger, unökologischer Akt. Warum etwas zerstören, was man wieder verwerten kann?“, meint Architektin Irina Iamandescu, stellvertretende Direktorin des Nationalinstituts für Kulturerbe. 

Die Bewertung der Gebäude auf dem ehemaligen Industriestandort erfolgte unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren, sodass der Ideenwettbewerb von einigen konkreten Voraussetzungen ausgehen wird. Die Spezialisten analysierten jedes Gebäude unter Berücksichtigung des historischen und städtebaulichen Wertes, der Bedeutung für das technische und industrielle Erbe Kronstadts, des Seltenheitswerts und des Denkmal-Symbolwertes. Die historisch bedeutendsten Gebäude auf dem Grundstück sind die sechs Hangars, die Ende der 1930er Jahre für die „Flottille 1“ gebaut wurden und die größten im Land sind. Sie bedienten den zwischen diesen Hangars und der ehemaligen IAR-Flugzeugfabrik befindlichen Flugplatz. „Die Flotille 1 wurde in den letzten Jahren der Zwischenkriegszeit gebaut. Man begann Ende 1936 mit den Arbeiten und beendete diese zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die wichtigsten Bauwerke auf dem Gelände waren die sechs Hangars. Im Vergleich zu dem, was heute zu sehen ist, befand sich an der Hauptfassade zunächst eine sehr große Lücke, die mit rollenden Metalltoren geschlossen wurde, damit die Flugzeuge auf den Flugplatz ausgefahren werden konnten. Als die Flottille abgebaut wurde, wurden die Hangars zu Werkstätten. Nach der Gründung des Rulmentul-Werks im Jahr 1959 wurden umfangreichere Änderungen vorgenommen. Es wurde mit dem Bau von Nebengebäuden begonnen, damit die Produktionslinie in Betrieb genommen werden konnte. In den 1980er Jahren wurde auf der Hauptseite des Hangars 5 eine Produktionsfläche gebaut, die fast so groß wie der Hangar selbst ist. Auch der Hangar 6 wurde in mehreren Etappen erweitert“, erklärt Architektin Ioana Petrescu.

Im Rahmen des Wettbewerbs, der in naher Zukunft vom Kronstädter Bürgermeisteramt ausgeschrieben wird, sucht man das beste Szenario für die Wiedergestaltung des Geländes. Gleichzeitig muss der Gewinner des Wettbewerbs die Machbarkeitsstudie und einen Flächennutzungsplan erarbeiten, damit die besten Finanzierungsmöglichkeiten identifiziert werden können. Wie lange es dauern wird, bis die Gebäude endlich zugunsten der Kronstädter genutzt werden, ist noch ungewiss. Wichtig ist vorläufig, dass es eine Zukunft für die ehemalige Industrieplattform gibt.